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Tönnies: Drum prüfe, wer sich ewig bindet

Lesezeit: 4 Minuten

Tönnies reicht den Schweinemästern die Hand und lockt sie in eine Partnerschaft. Was steckt dahinter? Und welche Folgen hat es für den Schweinemarkt?


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Matthias Quaing, Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN)


Matthias Quaing, Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN)


Matthias Quaing, Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN)


Mit einem eigenen Viehhandel hatte Deutschlands größter Schlachter vor einigen Jahren die Branche aufhorchen lassen. Nun geht das Unternehmen aus Rheda-Wiedenbrück einen Schritt weiter und schließt direkte Verträge mit Landwirten. Neu sind Verträge in der Branche nicht. Bemerkenswert ist jedoch, dass auch Tönnies diesen Schritt geht, der als Verfechter des freien Handels galt.


WAS WILL, WAS BIETET TÖNNIES?


Offiziell will Tönnies mittelfristig 25% seiner Schlachtmenge durch Partnerverträge absichern. Zum Vergleich: Westfleisch liegt bei rund 80%. In den Dreiecksverträgen, die zwischen dem Landwirt, dem Viehvermarkter und Tönnies geschlossen werden, verpflichten sich Erzeuger über die Laufzeit von mindestens einem Jahr eine bestimmte Anzahl von Schlachtschweinen zu liefern (siehe Übersicht). Dabei muss der Landwirt nicht zwingend seine gesamte Produktion unter Vertrag nehmen. Sollte der Konzern die Einkaufsbedingungen ändern, z.B. die Masken, hat der Lieferant zudem ein Sonderkündigungsrecht.


Damit Landwirte auf den Deal eingehen, wirbt Tönnies mit fünf Vorteilen:


  • Der Mäster hat Planungs-, Preissicherheit (keine Hauspreise) und Abnahmegarantie, wenn er die Tiere mindestens sieben Tage vor Lieferung anmeldet.
  • Das Zahlungsziel verkürzt sich auf fünf Werktage.
  • Landwirte können zwischen Abrechnungsmasken wählen.
  • Die Schlachtdaten können mobil und betriebsindividuell ausgewertet werden.
  • Jeder Vertragslieferant kann bei der Abrechnung zwischen Tages-, Wochen- und Mehrwochenpreisen wählen.


Weil diese Argumente viele noch nicht überzeugen dürften, zahlt Tönnies den Erzeugern und Viehhandelsunternehmen aktuell einen Bonus von 50 ct je Schwein. Spätestens hier könnten Stammlieferanten schwach werden.


Betriebsdaten haben wert


Mit der Datenschutzerklärung willigt der Landwirt ein, dass Betriebs- und Haltungsdaten an den Schlachthof gehen: z.B. Platzangebot pro Tier, Außenklima, Infos zur Fütterung und Teilnahme an der Initiative Tierwohl (ITW). Auch den uneingeschränkten Zugriff auf alle QS-Daten gibt der Landwirt frei. Überdies hat Tönnies das Recht, die freigegebenen Daten an Dritte weiterzugeben. Letzteres kann laut Vertrag allerdings widerrufen werden.


Die Datenverarbeitung ist ein zentraler Punkt in der Partnerschaft. Denn im Fleischverkauf ist es ein Vorteil, wenn man Daten aus der landwirtschaftlichen Produktion mitliefern kann. Immer mehr Labelprodukte oder auch die Kennzeichung der Haltungsform vom Lebensmittelhandel setzen dies sogar voraus. Und sollte die ITW in der nächsten Programmphase ab 2021 die sogenannte Nämlichkeit umsetzen, wird der Datenfluss noch wichtiger.


Noch mehr Bedeutung bekommt der vertragliche Rückgriff auf die Betriebe, falls die afrikanische Schweinepest in Deutschland zuschlägt. Vorteile haben dann solche Schlachtunternehmen, die die Herkunft der Tiere exakt belegen können, um exportfähig zu bleiben.


KONTINUIERLICHE BELIEFERUNG


Abgesehen davon sichert sich Tönnies über die Verträge auch Schlachtmenge. Das macht Sinn, weil sich der Wettbewerb um den Rohstoff Schwein bzw. um die Zukunftsbetriebe aktuell verschärft. Gleichzeitig kann der Schlachtriese den Vertragsbetrieben ohne Risiko Mehrwochenpreise anbieten und glättet die Anlieferung. Denn bei steigenden Preisen halten Mäster Schweine oft fest, während sie im sinkenden Markt panisch verkaufen. Für Planung und Auslastung der Schlachthaken ist das ein Graus.


Übrigens profitiert auch der Viehhandel als fester Bestandteil des Dreiecksvertrags, weil der Mäster die Schlachtschweine nicht kurzfristig an Wettbewerber verkaufen kann. Noch wichtiger ist allerdings das Hauspreisverbot in der Partnerschaft. Bisher zahlen Viehhändler in Hauspreisphasen oft drauf, weil der VEZG-Preis meist Grundlage der Abrechnung ist. Kein Wunder also, dass Viehhändler derzeit wie Vertreter übers Land ziehen und den Mästern die Patenschaft schmackhaft machen. Auf den ersten Blick hat die Partnerschaft somit nur Gewinner und folgt dem allgemeinen Trend zu integrierten Systemen, wie in der Geflügelhaltung.


Was für den einzelnen Mäster durchaus Sinn macht, weil er sich künftig auf die Produktion konzentrieren kann, dürfte langfristig aber die landwirtschaftliche Erzeugernotierung schwächen.


FOLGEN FÜR DEN GESAMTMARKT


Je kleiner die Menge an freien Schweinen ist und je mehr Tiere nach Mehrwochenpreisen abgerechnet werden, desto schwieriger wird eine exakte Preisempfehlung. Spotmarktpreise dürften in Zukunft noch stärker nach oben und unten ausschlagen. Und wenn Tönnies in der Partnerschaft keine Hauspreise mehr zahlt, dürfte er den Druck auf die VEZG-Notierung weiter verstärken und im Zweifel lieber höhere Aufschläge zahlen. Grundsätzlich sollten Schweinehalter vor Vertragsunterzeichnung genau prüfen, ob und mit welcher Menge sie sich binden wollen.


andreas.beckhove@topagrar.com

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