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„Unsere Branche ist reif für die Disruption“

Lesezeit: 5 Minuten

Der US-Agrarkonzern Cargill verarbeitet und handelt alles, was mit Lebensmitteln zu tun hat. CTO und Forschungschef Florian Schattenmann sieht die Ernährungsbranche durch alternative Proteine im rasanten Umbruch. Landwirte spielen dabei auch weiterhin eine sehr wichtige Rolle.


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Herr Schattenmann, die Weltbevölkerung wächst und braucht immer mehr Lebensmittel. Neue Konsumtrends und Technologien stellen bewährte Geschäftsmodelle infrage. Was ist für Sie als Entwicklungsvorstand die größte Herausforderung, um das Schwergewicht Cargill zukunftsfähig zumachen?


Schattenmann: Es ist das Tempo der Veränderung. Die gewaltige Finanz- und Innovationspower im Agrar- und Ernährungsbereich stellt uns vor neue Herausforderungen. Die Branche ist reif für die Disruption. Weltweit zählen wir über 30000 Start-ups im Nahrungsmittelbereich. Keine andere Branche wächst so dynamisch. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht das „Kodak“ der Agrarindustrie werden.


Welche Rolle spielt der traditionelle Agrarrohstoffhandel noch?


Schattenmann: Das ist weiterhin unser Hauptgeschäft. Über 80 Prozent unserer Umsätze machen wir nach wie vor im Handel mit Agrarrohstoffen. Doch der Bereich der Spezialitäten gewinnt an Bedeutung. Wir veredeln die landwirtschaftlichen Produkte zu hochwertigen Zutaten wie Proteine, Öle, Fette, Glycerin etc. Hier liegt der Umsatzanteil schon jetzt bei ungefähr 10 bis 15 Prozent.


Global gesehen verliert die EU an Bedeutung. Welche Rolle spielen Europa und Deutschland noch für Sie?


Schattenmann: Europa ist ein Kernmarkt für uns. 30 bis 35 Prozent unseres Konzernumsatzes generieren wir hier. In Deutschland sind wir seit 1955 und beschäftigen heute an zwölf Standorten 1700 Mitarbeiter. Aktuell investieren wir 200 Millionen US-Dollar in Krefeld. Das zeigt, wie wichtig dieser Markt auch weiterhin für uns ist.


Wie steht das Haus Cargill zum digitalen Agrarhandel?


Schattenmann: Wir sprechen bei uns vom sogenannten algorithmischem Handel. Die Herausforderung dabei ist, das Digitale mit dem Physischen zu verbinden. Hier sind wir gut aufgestellt, weil wir Händler und Analysten im Haus haben. Wir wollen diesen Bereich weiter ausbauen.


Sie sind für die Forschung und Entwicklung bei Cargill verantwortlich. Welche Trends werden die Agrar- und Ernährungswirtschaft in den kommenden Jahren prägen?


Schattenmann: Das Bewusstsein für gesundes Essen wird stark zunehmen. Die menschliche Ernährung wird individueller und vielleicht sogar irgendwann an die jeweilige DNA angepasst. Dadurch wird die Produktvielfalt stark steigen und wir müssen komplexere Lieferketten aufbauen. Gleichzeitig müssen diese Produkte aber einem Nachhaltigkeitscheck standhalten. Ein Dauertrend ist zudem der wachsende Bedarf an Proteinen. Wir rechnen damit, dass in den nächsten 30 Jahren der weltweite Eiweißverbrauch nochmals um mindestens 50 Prozent steigt. Ertragssteigerungen bleiben somit ein Thema.


Von welchen Proteinen sprechen Sie – pflanzliche oder tierische?


Schattenmann: Um den weltweiten Bedarf zu decken, brauchen wir alle Optionen. Da geht es um tierisches, pflanzliches, aber auch um zellbasiertes Protein. Wir sind in all diesen Kategorien und speziell im tierischen und pflanzlichen Protein seit Jahrzehnten vorne dabei.


Und was bedeuten diese Ernährungs-trends für die Landwirte?


Schattenmann: Die Veränderungen für den Landwirt sind beim Anbau aus meiner Sicht gar nicht so gravierend. Wir werden sicherlich mehr biologische Produkte sehen. Darüber hinaus werden Farmer Feldfrüchte mit höheren Proteingehalten oder gesünderen Ölprofilen anbauen. Das ist eine Aufgabe für die Pflanzenzucht.


Cargill produziert auch konsumfertige Produkte. Haben Sie auch schon Fleischersatzprodukte im Programm?


Schattenmann: Ja, allerdings noch nicht auf dem deutschen Markt. Wir produzieren beispielsweise in den USA Burger-Patties und Hackfleisch, die als Handelsmarke verkauft werden. In Asien haben wir mit PlantEver seit Mitte letzten Jahres eine eigene Marke im Bereich pflanzliche Eiweiße.


Welchen Marktanteil trauen Sie Fleischalternativen in zehn Jahren weltweit und in Europa zu?


Schattenmann: Ich denke 10 bis 15 Prozent Anteil sind möglich. In Europa wahrscheinlich sogar noch mehr.


Und welche Rohstoffe werden wir dafür brauchen?


Schattenmann: Es geht dabei vor allem um Pflanzenproteine. Mit Sojaeiweiß haben wir bei Cargill die meiste Erfahrung. Beim Erbsenprotein sind wir in der Verarbeitung noch nicht ganz so weit. Wir brauchen eine faserigere fleischähnliche Textur. Das ist anspruchsvoll. Das Gleiche gilt für die pflanzlichen Fette. Sie müssen so behandelt werden, dass sie wie Tierfett schmecken.


Es gibt schon recht viele Fleischersatzprodukte auf dem Markt, und man fragt sich, wie sich diese überhaupt unterscheiden. Welche dieser Produkte machen aus Ihrer Sicht künftig das Rennen?


Schattenmann: Neben dem möglichst fleischähnlichen Geschmack wird es auch auf die Zusammensetzung ankommen. Aktuell setzen sich Fleischersatzprodukte oft aus über 20 verschiedenen Komponenten zusammen. Wer diese Liste in Zukunft auf fünf bis sechs Zutaten reduziert, hat sehr gute Karten im Wettbewerb.


Wie stehen die Chancen für Cargill in diesem Wettlauf?


Schattenmann: Recht gut, meine ich. Das schöne ist, dass wir bei Cargill die meisten Rohstoffe ohnehin im Haus haben: Erbsenprotein, Pflanzenöle, Kokosbutter etc. Für ein neues Fleischersatzprodukt können wir die Zutaten leicht aus unseren Lieferketten nehmen.


Es geht ja nicht nur um Rohstoffe, sondern vor allem darum, wie man sie veredelt?


Schattenmann: Das stimmt. Aber auch da haben wir Vorteile. Wir haben die wissenschaftliche Kompetenz, wie man Proteine, Fette, Öle etc. verarbeiten kann. Wir haben es nur jahrelang zu wenig genutzt. Im Vergleich zu den Start-ups haben wir zudem einen viel besseren Zugang zu den Lieferketten und Kunden. Wir können neue Produkte in einzelnen Ländern einfach mal testen. Wir sind erst seit Mitte letzten Jahres in diesem Bereich unterwegs und haben schon drei bis vier Produkte eingeführt. Diese Schlagkraft wissen auch viele Start-ups zu schätzen, die mit uns zusammenarbeiten wollen.


Welche Rolle spielt dabei eigentlich noch der tierhaltende Landwirt?


Schattenmann: Sie müssen bedenken, dass die klassischen tierischen Proteinquellen weltweit auch weiterhin die Nummer 1 sind. Das wird auch noch einige Zeit so bleiben. Auch in Asien – unserem am schnellsten wachsenden Markt – verlangt die Mittelschicht vor allem tierisches Protein. Als Unternehmen Cargill gehen wir da einen ganzheitlichen Weg und halten uns alle Optionen offen, sowohl bei den tierischen, als auch alternativen Proteinquellen.


andreas.beckhove@topagrar.com;matthias.schulze-steinmann@topagrar.com

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