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Wann stoppt der Absturz der Milchpreise?

Lesezeit: 9 Minuten

Der Marktdruck schlägt voll auf den Milchpreis durch. Kann wenigstens Deutschlands größte Molkerei die Auszahlung stabilisieren? Sönke Voss, Geschäftsführer Landwirtschaft vom Deutschen Milchkontor (DMK), nimmt Stellung zu Milchmarkt, Quotenende und Nachhaltigkeit.


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Herr Voss, das DMK hat den Milchpreis bereits in fünf Monaten um 8 Cent auf 31 ct/kg gekürzt. Jetzt hat der Handel die Preise für Trinkmilch um 10 ct/l gesenkt. Geht die Talfahrt weiter?


Voss: Durch das weltweit hohe Milchaufkommen in den letzten Monaten hat sich der Preisdruck für diesen Herbst abgezeichnet. Das Russland-Embargo seit Anfang August hat diese Situation drastisch verschärft.


Besonders betroffen davon sind die Exportmärkte für Pulver, Butter und Käse: Die Verwertung auf dem Weltmarkt liegt derzeit nur auf dem Niveau des Kieler Rohstoffwertes von rund 27 ct/kg. Mehr lässt sich dort nicht verdienen. Auf dem deutschen Markt ist es zur Zeit noch etwas besser.


Mit unserer breiten Aufstellung im Produktportfolio, Marken-Mix und der Länderverteilung sowie unserer Rohstoff-Schaukel können wir den Milchpreis stabiler halten als andere Molkereien. Wer kurzfristig maximiert, kann auch kurzfristig abstürzen. Davor sind wir geschützt.


Traditionell zahlen die Molkereien für Dezember am wenigsten aus, weil die Kündigungsfrist gerade verstrichen ist, wenn Mitte Januar die Milchgeld-Abrechnung kommt. Das DMK nennt den Milchpreis jetzt im Voraus. Bleibt die Auszahlung daher konstant?


Voss: In der Tat gehen einige Molkereien so vor, um Kündigungen zu vermeiden. Das trifft aber nicht auf das DMK zu: Wir zahlen das aus, was geht!


Allerdings ist es tatsächlich so, dass die Verwertungen zu Jahresbeginn am geringsten sind: Wegen der Feiertage produzieren viele Molkereien auf Lager. Andere schließen komplett, dadurch ist mehr Rohmilch auf dem Markt. Das alles senkt die Produktpreise und somit auch die Milchpreise.


Doch es gibt auch Ausnahmen: 2013 ist der Milchpreis aufgrund der guten Marktlage im Januar konstant geblieben. Das erwarte ich jetzt allerdings nicht, 2015 wird schwächer starten.


Anfang 2014 hat das DMK einen Milchpreis für die ersten sechs Monate des Jahres angekündigt. Sind Festpreise ein Modell der Zukunft?


Voss: Zunächst muss ich klarstellen, dass es eine Markteinschätzung für sechs Monate war. Den tatsächlichen Milchpreis bestimmen wir in der Regel am ersten Tag des Monats. Aber unsere Prognose ist eingetroffen und wir haben in den ersten sechs Monaten 39 ct/kg ausgezahlt.


Vor allem bei Milcherzeugern mit großen Herden bzw. Investitionsplänen kam das gut an: Sie konnten ihre Liquidität ein halbes Jahr im Voraus planen. Bei stabiler Marktlage können wir uns auch künftig eine Markteinschätzung für mehrere Monate vorstellen. Derzeit ist es am Markt aber zu hektisch dafür.


Stattdessen stehen Sie mit dem niederländischen Unternehmen DTO im Gespräch, damit Ihre Mitglieder den Milchpreis absichern können. Warum ein zusätzlicher Spieler?


Voss: Wir sind für die Absicherung der Genossenschaft DMK als Unternehmen verantwortlich. Für die einzelbetriebliche Ab­sicherung ist aber jeder Landwirt selbst verantwortlich. Das spart uns Diskussionen, warum das eine Mitglied durch die Absicherung einen höheren Milchpreis bekommen würde als das andere Mitglied ohne Absicherung.


Wir möchten unsere Mitglieder dennoch bei der Milchpreis-Absicherung unterstützen und empfehlen ihnen deshalb externe Partner: Bei dem Unternehmen Dairy Trading Online (DTO) können sich die Milcherzeuger relativ einfach Milchpreise für Volumen von je 50 000 kg Milch absichern. Etwas anspruchsvoller ist die Milchpreis-Absicherung über die Börse Eurex, bei der auch höhere Milch-mengen erforderlich sind.


Insgesamt dürfte die Milchpreis-Absicherung für 10 % unserer Milcherzeuger interessant sein, die aber immerhin ein Fünftel unserer Milch produzieren.


Das DMK fragt bereits die Milchmengen für die Zeit nach dem Ende der Milchquote ab. Warum? Und was sind die wichtigsten Ergebnisse?


Voss: Wir haben bereits zwei Befragungen über die künftige Milchmenge bei unseren Mitgliedern durchgeführt. Für uns ist das extrem wichtig, da wir so die Verarbeitungs- und Vertriebskapazitäten an die Mengenentwicklung anpassen können. Schließlich dauert so etwas: Beispielsweise braucht die Investition in ein neues Verarbeitungswerk zwei bis drei Jahre Vorlauf.


Die jüngste Befragung von Juni 2014 (39 ct Milchpreis) hat gezeigt, dass die Milchmenge unserer Mitglieder bis 2020 um 1,25 Mrd. kg auf 7,3 Mrd. kg steigen wird. Das Wachstum fällt allerdings unterschiedlich aus: Im Nordwesten wollen die Milcherzeuger nach eigenen Angaben um 6 bis 8 % jährlich wachsen, in anderen Regionen, wie z. B. Hessen, wird die Milchmenge dagegen nur leicht steigen (Karte). Im Schnitt erwarten wir eine Zunahme von 3 % jährlich. Dabei werden die Jahre 2016 und 2017 die stärksten Zuwächse haben, danach stabilisiert sich das Wachstum. Der Strukturwandel unter den Milcherzeugern wird nach den Ergebnissen der Befragung unverändert bei 4 bis 5 % pro Jahr liegen.


Wo wollen Sie die zusätz-lichen Mengen verarbeiten? Und vor allem: Wohin wollen Sie sie verkaufen?


Voss: Wir haben in den letzten drei Jahren 317 Mio. € in Verarbeitungs­kapazitäten investiert, vor allem dort, wo wir die Mengenzuwächse erwarten. Beispielsweise haben wir die Quarkproduktion in Zeven konzentriert, in die Molkeverarbeitung in Nordhackstedt investiert, einen neuen Trockenturm für 600 Mio. kg Milch in Zeven gebaut, die Käsereikapazität in Dargun erweitert und in Georgsmarienhütte eine Käserei für 300 Mio. kg Milch errichtet.


Um den umkämpften Binnenmarkt zu entlasten, setzen wir bei der Vermarktung verstärkt auf den Export. Zum einen in andere EU-Länder, das größere Potenzial liegt aber im Export außerhalb Europas. In China sorgt beispielsweise das enorme Bevölkerungswachstum selbst bei stagnierendem Pro-Kopf-Verbrauch für mehr Nachfrage. Zudem steigt in Drittländern der Wohlstand und die Verzehrs-gewohnheiten gleichen sich immer mehr denen in Europa an.


Zusätzlich sondieren wir Wachstumsmärkte in Osteuropa, den Mena-Staaten (Mittlerer Osten und Nordafrika), Afrika und Südamerika. Denn viele Schwellenländer können sich in absehbarer Zeit nicht selbst versorgen, dort wollen wir uns engagieren.


Wie lässt sich die Wert­schöpfung im Drittlandsexport steigern? Sind Produktionsstandorte sinnvoll?


Voss: Bisher ist der Export in Drittländer ausschließlich über Exporteure gelaufen. Das ändern wir gerade. Mit eigenen Standorten im Land wollen wir nicht nur Lieferant sein, sondern die Distribution und den Handel intensiver bearbeiten und an der Wertschöpfung im Land teilhaben. Wir haben erkannt: Vier bis fünf gute Märkte bringen uns mehr als 100 kleine! Wichtig ist, dass die Mitarbeiter vor Ort die Sprache des Landes sprechen und bestens über die Besonderheiten informiert sind.


Mit Niederlassungen in Shanghai und Moskau haben wir das Tor zu Schlüsselmärkten geöffnet. Hinzu kommen Verkaufsbüros und Joint Ventures in Hongkong, Madrid und Polen.


Eigene Produktionsstandorte in Drittländern sind kein primäres Ziel des DMK. Sollte sich aber einmal eine interessante Kooperation mit einem Partner ergeben, wäre auch dies möglich. Denn fest steht: Der schlichte Export von Milchpulver unterliegt immer starken Schwankungen.


Auf den Herbstversamm-lungen stellen Sie Ihren Mitgliedern gerade ein neues Nachhaltigkeits-Konzept vor. Was steckt genau dahinter?


Voss: Das Image der Milcherzeugung ist gut. Doch die Forderung der Öffentlichkeit nach mehr Transparenz nimmt zu. Deshalb müssen wir noch proaktiver werden. Denn ganz ehrlich: Überspitzt gesagt kennen wir als Molkerei von unseren Mitgliedern in erster Linie Milchmenge sowie Zell- und Keimzahl. Wir setzen seit zehn Jahen QM-Milch um, doch wir wissen nicht genug über Haltung, Gesundheit und Fütterung der Tiere. Das muss sich ändern. Wir benötigen diese Informationen, um den Handelspartnern unsere nachhaltige Milch-Kette belegen zu können. Dafür haben wir bereits vor zwei Jahren einen Arbeitskreis mit 20 Milcherzeugern gegründet, der jetzt Nachhaltigkeits-Kriterien definiert hat. Wir nennen es Milkmaster.


Wie genau wollen Sie die nachhaltige Milchproduktion belegen? Was kommt auf die Landwirte zu?


Voss: Im kommenden Jahr starten wir mit der Bestandsaufnahme. Dazu müssen die Landwirte eine Checkliste ausfüllen. Darin geht es um Kuhkomfort, Tiergesundheit, Futteranbau und Fütterung sowie weitere sechs Themen. Insgesamt gibt es rund 150 Fragen, wobei die Kriterien für QM-Milch schon eingeschlossen sind.


Alle zwei Jahre erfasst ein Kontrolleur QM-Milch und den Milkmaster in einem Audit. Das schafft Glaubwürdigkeit. Zudem erhält der Landwirt einen Ergebnisbericht und den Vergleich zu anderen Betrieben. Gegebenenfalls gibt es für den Betrieb zusätzlich noch gezielte Maßnahmen zur Verbesserung, die er in einer bestimmten Zeit umsetzen soll.


Was passiert, wenn ein Betrieb die Kriterien nicht erfüllt oder vereinbarte Ziele nicht erreicht?


Voss: Wir gehen davon aus, dass etwa ein Viertel unserer Betriebe bereits jetzt alle Anforderungen erfüllen und nichts ändern müssen. Weit über die Hälfte der Mitglieder dürfte dies durch kleine Anpassungen schaffen. Einige Betriebe müssen vermutlich mehr an Haltung und Management ihrer Milchkühe ändern, um die Kriterien zu erfüllen – entweder eigenständig oder mit Hilfe externer Berater. Sollten sich einzelne dabei vehement weigern, kann es zum Einstellen der Milch-abholung kommen. Denn Ziel ist, gleiche Bedingungen für alle zu schaffen. Wir wollen vermeiden, dass ein einzelner Problembetrieb plötzlich das ganze Unternehmen und somit alle Mitglieder in Verruf bringt.


Für die Milcherzeuger be-deutet das definitiv mehr Aufwand. Gibt es einen Milchpreis-Zuschlag?


Voss: 2015 startet Milkmaster. Für das Ausfüllen des Reports gibt es eine Entschädigung. Ab 2016 planen wir ein Bonus-System. Das soll Betriebe belohnen, die Anforderungen erfüllen und Anreiz für die anderen Betriebe geben.


Aber die Milcherzeuger haben noch einen weiteren Nutzen: Sie haben endlich handfeste Beweise, um sich gegen Stammtisch-Parolen zu wehren. Mit den dokumentierten Nachhaltigkeits-Kriterien können sie beispielsweise belegen, wie gut es den Kühen geht – auch in Herden mit mehreren hundert Tieren. So können sie in öffentlichen Diskussionen über die gern genannte Massentierhaltung mit sachlichen Argumenten gegenhalten. Das loben besonders junge Milcherzeuger.


Auch wir als Molkerei profitieren: Die dokumentierte nachhaltige Milchproduktion ist unsere Eintrittskarte in die Welt. Denn vor allem die weltweit tätigen Lebensmittelkonzerne fordern dies. Jetzt können wir etwas vorweisen. Ansonsten würden diese Abnehmer wegbrechen oder die Konzerne würden selbst Audits durchführen – beides hätte negative Folgen für die Milcherzeuger.

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