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Wie schlimm wird ein No-Deal-Brexit?

Lesezeit: 5 Minuten

Mit dem neuen Premierminister wird der No-Deal-Brexit wahrscheinlicher. Damit wäre Großbritannien ab dem 31. Oktober Drittland. Die Folgen werden auch bei uns zu spüren sein.


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Zu Halloween könnte Großbritannien nun endgültig aus der EU ausscheiden. Bei Redaktionsschluss war das allerdings noch offen. Sicher ist: Der neue Premierminister Boris Johnson will unter allen Umständen am Austrittstermin 31. Oktober festhalten und nimmt dafür auch einen harten bzw. No-Deal-Brexit in Kauf.


Experten warnen vor dem harten Brexit und befürchten Wirtschaftskrisen und Chaos an den Grenzen. Spannend ist auch die Frage, wie sich Großbritannien künftig mit Lebensmitteln versorgt, schließlich importiert das Land etwa 30% seine Lebensmittel aus der EU.


UK braucht EU-Ware


Großbritanniens Abhängigkeit von EU-Agrarprodukten ist sehr unterschiedlich. Bei Obst liegt der Selbstversorgungsgrad beispielsweise unter 20%. Hoch ist der Importbedarf auch bei Schweinefleisch. Von anderen Waren wie z.B. Gerste gibt es auf der Insel hingegen zu viel (siehe Übersicht 1).


Kommt der No-Deal-Brexit, wäre Großbritannien von heute auf morgen Drittland, und der Agrarhandel in Richtung Insel unterläge den Zöllen der Welthandelsorganisation (WTO). Auf der anderen Seite bekämen es die Briten plötzlich mit dem EU-Außenschutz zu tun. Und die EU-Regelzölle sind meist viel höher als die WTO-Zölle. Die Folgen des Brexits sind deshalb je nach Produkt und Perspektive sehr unterschiedlich.


Bei Getreide und Raps liegt der WTO-Zoll beispielsweise bei Null, sodass sich EU-Staaten gar nicht umstellen müssten. Liefern britische Exporteure allerdings Getreide in die Gemeinschaft, wäre der EU-Regelzoll von rund 95€/t fällig. Englische Gerste wäre also in der EU unverkäuflich, ließe sich aber am Weltmarkt vermutlich ohne großen Schaden absetzen.


Problemlos ist auch das Obstgeschäft. Obst und Gemüse kann Großbritannien auch nach WTO-Regeln weitgehend zollfrei importieren.


Tierische Produkte


Deutlich komplizierter wird die Lage bei tierischen Produkten. Die Briten importieren bisher rund 950000 t Schweinefleisch zollfrei aus Irland, Dänemark, Deutschland, Niederlande und Belgien. Bei einem harten Brexit zahlt ein deutscher Exporteur künftig einen WTO-Zoll von 7 € pro 100 kg. Schlimmer ist für ihn vermutlich der zusätzliche Aufwand für Kontrollen und Verwaltung, weil die Ware ja die EU verlässt. Insbesondere an den Importhäfen rechnet man mit langen Abfertigungszeiten.


Hier schießen aber vor allem die Briten mit dem harten Brexit ein Eigentor. Sie exportieren jährlich etwa 160000 t Schweinefleisch aufs Festland. Dabei handelt es sich u.a. um Sauenfleisch. Mit einem EU-Importzoll von 0,54 €/kg wäre das britische Sauenfleisch in der EU wirtschaftlich „ungenießbar“ (siehe Übersicht 2). Gleichzeitig steigt der Preisdruck für die Schweinehalter auf der Insel. Denn als Nicht-EU-Land entfällt der EU-Außenschutz gegen niedrige Weltmarktpreise.


Auch im Geflügelbereich gehen große Mengen über den Ärmelkanal. Großbritannien importiert netto rund 600000 t jährlich aus der EU. Bei einem No-Deal-Brexit fallen in beide Richtungen unterschiedliche Zölle an. Ein Beispiel:


  • Für frische und gekühlte halbe Hähnchen aus der EU zahlen Engländer dann einen Zoll von 21,60 €/100 kg bzw. 10% des Marktpreises.
  • Deutsche Importeure zahlen für das britische Huhn 35,80 €/kg Zoll bzw. 16% des Marktpreises.


Die Extrakosten würden den Geflügelhandel spürbar ausbremsen und die Erzeugerpreise in der EU eher dämpfen.


Verwerfungen bei Rind?


Die größten Brexit-Probleme sehen Experten aber für den Rindfleischmarkt. Großbritannien importiert immerhin 270000 t Rindfleisch aus der EU. Etwa 70% davon kommt aus Irland. Nenneswerte Mengen liefern zudem die Niederlande mit 18000 t, Polen mit 15000 t und Deutschland mit 11000 t.


Für Schlachtkörper vom Rind gilt laut WTO ein Wertzoll von 6,8% auf den Einfuhrpreis plus einem Festzoll von 93 €/100 kg. Je nach Preislage bedeutet dieser Zoll einen Preisaufschlag von rund 33 %. Für britische Rindfleischlieferungen in die EU gelten sogar noch höhere Zölle, die sich je nach Marktpreis auf ca. 63% Aufschlag summieren (siehe Übersicht 3).


Kurzfristig dürften die Preise auf der Insel für Rindfleisch nach dem Brexit stark anziehen, weil bei der knappen Selbstversorgung schlicht Ware fehlt. Mittelfristig decken sich die Briten vielleicht in Süd- oder Nordamerika ein.


In jedem Fall wird Irland mit einem Selbstversorgungsgrad von 600% verstärkt aufs Festland liefern, da der bisher wichtigste Abnehmer wegbricht. Schon jetzt berichten deutsche Schlachter immer wieder von harter irischer Konkurrenz auf dem Fleischmarkt.


Unsicherheiten bei Milch


Auf dem Milchmarkt rechnen Experten ebenfalls mit Verunsicherungen. Großbritannien muss etwa 15% seiner Milchprodukte importieren und greift dabei vor allem auf Waren aus Irland zurück (z.B. Frischmilch 33 %, Käse 28%). Aber auch Frankreich liefert erhebliche Mengen. Deutschland kommt beim Briten-Import immerhin auf einen Anteil von 16% bei Milch und 14% beim Käse.


Der No-Deal-Brexit würde EU-Produkte auf der Insel um bis zu 18% verteuern. Ähnlich wie beim Rindfleisch würden die Iren dann vermehrt aufs Festland liefern. Das Ergebnis liegt auf der Hand: Engpässe und höhere Preise auf der Insel und mehr Angebot und Preisdruck bei uns.


andreas.beckhove@topagrar.com


Unser Autor


Heribert Breker, Landwirtschaftskammer NRW

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