Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Maisaussaat Erster Schnitt 2024 Rapspreis

Aus dem Heft

„Wir müssen noch viel effizienter werden!“

Lesezeit: 11 Minuten

Ein abgebrannter Schlachthof, ein überversorgter Schweinemarkt und ein beinharter Wettbewerb mit Tönnies, Vion und Co. Wohin steuert der neue Westfleisch-Chef Christian Leding den westfälischen Großschlachter?


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Der Schlachthof in Paderborn ist durch den Großbrand völlig zerstört. Wie hoch ist der Schaden?


Leding: Nach aktuellem Kenntnisstand gehen wir von einem wirtschaftlichen Totalschaden aus. Es deutet aber alles auf einen Versicherungsfall hin.


Können die anderen Standorte den Produktionsausfall abfangen?


Leding: Ja, wir sind uneingeschränkt liefer- und abnahmefähig. Das kurzfristig hinzubekommen, war nicht einfach, denn Paderborn steht mit rund 200000 t für etwa ein Fünftel unserer Jahresproduktion. Wir konnten innerhalb weniger Stunden unsere Logistik so umstellen, dass kein einziges Rind oder Schwein von Vertragsmästern ungeschlachtet blieb. Um noch etwas mehr Luft zu haben, lassen wir zudem in Gelsenkirchen im Lohn schlachten.


Wie lange fällt die Produktion in Paderborn aus?


Leding: Das lässt sich jetzt noch nicht seriös sagen. Es ist nichts entschieden, auch nicht, ob oder mit welchem Schwerpunkt wir den Standort überhaupt wieder aufbauen. So bitter der Brand für die betroffenen Mitarbeiter und für die Region ist, er bietet uns die Chance, ganz neu zu denken. Eigentlich hatten wir keine Neuordnung unserer Schweineschlachtbetriebe vorgesehen.


Was spricht gegen einen Wiederaufbau?


Leding: Vor allem der Faktor Zeit. Der Schlachthof ist mit Ausnahme des Verwaltungsgebäudes bis auf die Grundmauern abgebrannt. Die Schlachtung und Zerlegung komplett neu aufzubauen, gleicht einer Mammutaufgabe. Das Gelände muss geräumt und dekontaminiert werden. Parallel dazu müsste man komplett neu planen, da das alte Konzept in seinen Grundzügen von 1978 stammt. Außerdem sind die genehmigungsrechtlichen Hürden für einen modernen Betrieb mit höheren Kapazitäten sehr hoch. Selbst wenn die örtliche Verwaltung wohlwollend prüft und schnell entscheidet, braucht nur eine einzige Tierschutzorganisation dagegen zu klagen und das ganze Projekt liegt für Jahre hinaus auf Eis.


Schauen wir auf das Jahr 2015. Wie ist es für Westfleisch gelaufen?


Leding: 2015 war ein schwieriges Jahr. Bei den Schlachtzahlen haben wir zwar weiter zulegen können – bei den Schweinen um gut 2% und bei den Rindern gegen den Branchentrend sogar um 7%. Im Jahresabschluss schlägt sich das aber nicht nieder, weil der Mengendruck am Schweinemarkt unser Gesamtgeschäft belastet. Die anderen Sparten sind ziemlich gut gelaufen. Bei unserer SB-Fleisch- und Convenience-Tochter WestfalenLand haben sich die Absätze mit +5,4% ebenfalls erfreulich entwickelt. Gustoland legte mit +11,2% beim Wurstabsatz sogar das bisher beste Jahr hin. Und auch das Sauen- und Kälbergeschäft brachte freundliche Zahlen. Doch am Ende nützt das alles nichts, wenn der Schweinebereich die gesamte Bilanz nach unten zieht. Rechts unten steht deswegen in diesem Jahr ein Minus von 4,1 Mio. €.


Wie geht es 2016 weiter?


Leding: Die Marktsituation wird sich kurzfristig nicht verbessern. Wir werden in Deutschland im ersten Halbjahr zwar voraussichtlich 3% weniger Schweine haben und für das zweite ist sogar ein Minus von 6% prognostiziert. Dennoch bleibt der Markt EU-weit vorerst überversorgt, vor allem weil die Spanier weiter zulegen und Deutschland 2016 als größten Schweinefleischproduzenten der EU ablösen werden.


Gibt es keinen Hoffnungsschimmer?


Leding: Seien wir realistisch. Das Angebot bleibt hoch, der Absatz in Deutschland bzw. in der EU stockt und am Weltmarkt werden die Spielräume enger. Russland und China werden es allein nicht retten!


Wo gibt es neue Absatzmärkte?


Leding: Mexiko zum Beispiel bietet gute Chancen. Das Land hat man nicht sofort auf dem Schirm, aber es importiert so viel Schweinefleisch wie kein anderes Land der Erde – abgesehen von China. Allerdings bekommt Deutschland von diesem Kuchen nichts ab. Es ist ein Unding, dass wir auf das notwendige Veterinärabkommen noch 2 bis 3 Jahre warten sollen. Unsere Nachbarländer sind da wesentlich schneller.


Wie wollen Sie auf diese lausigen Marktaussichten reagieren?


Leding: Wir müssen die Schlacht- und Zerlegekosten weiter senken. Dafür werden wir unsere Schweinesparte in den kommenden Monaten konsequent neu strukturieren, um die Produktivität und Effizienz weiter zu steigern.


Schweinehalter kommen schon lange nicht mehr auf ihre Kosten. Trotzdem bleibt das Angebot hoch. Warum funktioniert der Schweinezyklus nicht mehr?


Leding: Er funktioniert, aber anders als früher. Die Betriebe sind deutlich größer und können es sich kaum leisten, den Stall leer stehen zu lassen, weil der Preis nicht passt. Sie haben Lieferverpflichtungen und müssen ihre Mitarbeiter bezahlen. Außerdem hat sich die Schweinemast in Spitzenbetrieben immer noch gerechnet, weil diese eben effizient arbeiten.


Während die Schweinepreise 2015 um rund 10% gefallen sind, blieben die Verbraucherpreise relativ stabil. Warum können Sie beim Lebensmittelhandel keine höheren Preise durchsetzen?


Leding: Weil zu viel Menge am Markt ist. Die Einkäufer im Handel sagen uns: „Da draußen stehen 10 Verkäufer, die mir alle Schweinenacken liefern wollen. Warum sollte ich gerade Deinen nehmen?“ Dann zählen Sie die vielen Vorzüge der Westfleisch-Ware auf: hohe Qualität, wenige Subunternehmer, gesicherte Herkunft aus bäuerlichen Familienbetrieben usw. Das finden die zwar toll, sagen Ihnen aber, dass sie bei der Konkurrenz den Nacken statt für 2,22 € für 2,12 € pro kg bekommen. Das ist bitter.


Und dann übernimmt die Edeka auch noch Tengelmann...


Leding: ... und schwächt unsere Position damit zusätzlich. Hinzu kommt, dass sich der Handel zunehmend rückwärts integriert. Das heißt, er übernimmt die Zerlegung und Verarbeitung selber. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der erste Schlachthof nur noch im Lohn für eine Handelskette schlachtet. Diesen Trend können wir aber nicht aufhalten. Wir haben nur die Chance, unsere eigenen Prozesse so zu optimieren, dass wir günstiger sind als die handelseigenen Fleischwerke.


Ist der Markt für Schlachtrinder genauso trostlos?


Leding: Bei Rindfleisch sind die Aussichten für 2016 deutlich besser. EU-weit nimmt der Rinderbestand weiter ab, während der Rindfleischkonsum stabil bleibt und in einigen Ländern sogar steigt. Hinzu kommt der aktuelle Hype um Steaks, Dry-Aged-Beef und Edel-Burger, der auch im Einzelhandel angekommen ist und eine höhere Wertschöpfung ermöglicht. Um die Rindfleischpreise mache ich mir deshalb im laufenden Jahr keine Sorgen.


Auch vegetarische und vegane Produkte boomen. Wie gehen Sie damit um?


Leding: So lange in den Ställen unserer Mitglieder kein Tofu wächst, bleiben wir zurückhaltend. Natürlich beobachten wir diesen Markt, aber unsere Kernkompetenz bleibt das tierische Protein. Zudem zeichnet sich ab, dass die echten Zahlen für Fleischersatzprodukte deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben. Der Hype ist offenbar größer als der reale Markt.


Wo wird Westfleisch 2016 investieren?


Leding: Unabhängig von Paderborn werden wir 2016 rund 30 Mio. € in die Hand nehmen. Mit dem Geld machen wir u.a. den Schlachthof Lübbecke zu Europas modernster Rinderzerlegung. Zudem investieren wir in den ehemaligen Gausepohl-Standort in Bakum. Bei unseren Töchtern WestfalenLand und Gustoland investieren wir vor allem in Hightech, um die Effizienz weiter zu steigern. Und wir modernisieren alle Schweineschlachtbetriebe laufend weiter. Hier liegen enorme Potenziale. Innerhalb von 24 Monaten haben wir z.B. in Coesfeld die Stundenleistung in der Schlachtung und Zerlegung von 730 auf über 900 Schweine gesteigert. Das ist bares Geld!


Was halten Sie eigentlich von der deutschen Schweinepreisfindung?


Leding: Ich halte viel vom freien Spiel der Marktkräfte. Die Vereinigung der Erzeugergemeinschaften (VEZG) hat ein staatlich genehmigtes Preismeldemonopol, das, sagen wir mal, hinreichend gut funktioniert. Unser Problem ist das ständige Auf und Ab der Kurven, das nicht zu den Preismodellen passt, die wir mit unseren Kunden fahren. Da fehlt mir manchmal die Berechenbarkeit.


Das werfen die Bauern den Schlachtern auch vor. Tönnies hat Ende Februar kurzfristig seine Abrechnungsmasken verändert. Zieht Westfleisch nach?


Leding: Dafür sehen wir derzeit keinen Handlungsbedarf. Letztlich hat sich der Wettbewerb unserer Maske angenähert. Es gibt allerdings einen erheblichen Unterschied. Wir diskutieren solche Maßnahmen frühzeitig im Beirat für Kooperationsfragen mit unseren Erzeugern und geben bei Änderungen mehr als 14 Tage Vorlaufzeit.


Wie wird die Schweineabrechnung in Zukunft aussehen?


Leding: Neben Gewicht und Qualität werden künftig auch Tiergesundheit und Tierwohl die Erlöse stärker beeinflussen. Ich finde, das ist eine gute Entwicklung, denn Bauern mit gutem Management werden so belohnt.


Nicht alle Betriebe sind damit glücklich. Preislich zu differenzieren, heißt auch immer, dass es Verlierer gibt!


Leding: Sie dürfen deshalb niemanden bestrafen, sondern müssen die Betriebe belohnen, die bessere Ergebnisse liefern. Beim Salmonellenmonitoring machen wir das mit gutem Erfolg: Betriebe der Kategorien 1 und 2 bekommen bei Westfleisch 0,40 € bzw. 0,20 € mehr pro Mastschwein. Gleichzeitig unterstützen wir die anderen Landwirte über den Schweinegesundheitsdienst.


Wie weit kann man eine solche Preisdifferenzierung treiben?


Leding: Zwischen dem gesetzlichen Standard auf der einen und der Bio-Ware auf der anderen Seite ist viel Platz. Der Markt honoriert mittlerweile höhere Standards. Für den Schweinehalter heißt das, er kann seine Wertschöpfung erhöhen, ohne gleich einen neuen Stall zu bauen. Es gibt schon jetzt zahlreiche Nischen für Aufpreise. Die Ringelschwanzprämie, Stroh- oder Freilaufhaltung sind Bespiele dafür.


Wenn das stimmt, warum legt der Handel dann bei der Initiative Tierwohl nicht mehr Geld auf den Tisch?


Leding: Ich kann den Ärger der Bauern verstehen. Den Vertrag haben letztlich aber alle Teilnehmer unterschrieben – auch die Bauern. Er sieht bis 2018 keine höheren Beiträge des Handels vor. Danach werden wir deutlich mehr Geld zur Verfügung haben.


Wie weit sind Sie mit dem Befunddaten-Index für das Tierwohl?


Leding: Ab Sommer 2016 wird das System bei Westfleisch stehen. Damit machen wir Tierwohl endlich messbar. Leider sind unsere Marktbegleiter noch nicht alle so weit wie wir.


Mit einem dieser Marktbegleiter, Danish Crown, zerlegen und vermarkten Sie seit Kurzem gemeinsam Sauen. Welche Strategie steckt dahinter?


Leding: Wir sind damit viel wettbewerbsfähiger als früher. Seit dem 1. Februar verarbeiten wir bis zu 12000 Sauen pro Woche in Dissen, doppelt so viel wie vorher. Damit können wir die Anlagen besser auslasten. Außerdem hat sich unsere Warenverfügbarkeit verbessert und die Reichweite ist auch größer.


Planen Sie weitere Kooperationen mit Danish Crown?


Leding: Wir kooperieren nur auf Spezialmärkten, um Mengen und Kompetenzen zu bündeln. Das betrifft neben den Sauen die Nebenprodukte oder auch die Tierfutterproduktion. Im Kerngeschäft bleibt Westfleisch aber auf jeden Fall freier Herr auf freier Scholle.


Nicht ganz so erfolgreich lief es beim Nutzvieh. Sie haben 2015 langjährige Mitarbeiter und – schlimmer noch – auch Kunden an Tönnies verloren. Hat Ihr Viehgeschäft gelitten?


Leding: Es gab eine Umsatzdelle von etwas über 15% bei den Ferkeln, das stimmt. Bei Kälbern (+31,8%) und Fressern (+17%) sind wir aber stärker denn je. Letztlich haben wir diese Mini-Krise genutzt, um weniger berechenbare Geschäftsbereiche – vor allem im Nutzviehexport – zurückzufahren und die Geschäfte rund um den Kirchturm zu intensivieren. Rückblickend war es eher eine Frischzellenkur.


Tönnies Livestock will in Kürze auch Verträge anbieten. Was unterscheidet Westfleisch dann noch von anderen?


Leding: Zunächst einmal empfinden wir es als Kompliment, dass andere versuchen, unser Kooperationsmodell nachzuahmen. Es gibt allerdings Punkte, die lassen sich nicht einfach kopieren: Wir sind und bleiben ein Unternehmen der Bauern. Teilhabe und Mitsprache werden bei uns gelebt. Das schafft Vertrauen und der stetig steigende Anteil der Vertragstiere gibt uns Recht. Nur weil sich jemand Gummi-stiefel anzieht, fließt noch kein grünes Blut in seinen Adern. Wir freuen uns auf die neue Konkurrenz.


Ist das der Beginn der vertikalen Integration, wie wir sie von der Geflügelbranche kennen?


Leding: Beim Geflügel ging die Integration von den großen Vermarktungsunternehmen aus. Die Erzeugungswirtschaft, die daraus entsteht, basiert auf Lohnmast. Das ist nicht unser Ansatz. Bei uns gibt es eine Art Generationenvertrag mit frei arbeitenden Unternehmern. Wir betreiben seit 88 Jahren Wertschöpfung in einer Solidar-gemeinschaft und das bleibt auch so.


Der Veredlungsstandort Deutschland wird durch die abnehmende gesellschaftliche Akzeptanz der Nutztierhaltung bedroht. Wie ernst ist die Lage?


Leding: Wir sehen mit Sorge, dass der Druck durch NGOs zunimmt. Das fordert die Politik heraus, die Tierhaltung mit zusätzlichen Auflagen zu belegen und schränkt die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Landwirte ein. Am Ende wandert die Produktion aus Deutschland ab und wir müssen mehr Fleisch importieren, weil sich das Ernährungsverhalten ja nicht schlagartig mit verändert. Genau das haben wir beim Verbot der Käfighaltung in der EU erlebt. Die Verarbeitungs-Eier kommen heute überwiegend aus Drittländern. Deshalb brauchen wir eine Politik mit Augenmaß.


In der Kritik steht auch die Exportorientierung der deutschen Agrarwirtschaft. Wie geht Westfleisch damit um?


Leding: Für die deutsche Fleischwirtschaft ist das ein Problem. Wir wollen alle Märkte bedienen, egal ob lokal, regional, national oder international. Wenn unsere Qualität in anderen Regionen dieser Welt wertgeschätzt und gekauft wird, ist das für mich nichts Verwerfliches.


Könnten Sie sich vorstellen, dass Westfleisch künftig stärker im Ausland tätig wird?


Leding: Kurz- und mittelfristig sicherlich nicht. Für die nächsten 20 Jahre kann ich das aber nicht ausschließen. Letztlich folgen wir den Märkten. Ein Beispiel dafür ist die Veredlungsproduktion, die wir schon heute in Rumänien betreiben: Dort steht ein Verarbeitungsbetrieb nach Vorbild von WestfalenLand.


Wo steht Westfleisch in fünf Jahren?


Leding: Wir haben in unserem Masterplan 2020 klare Wachstumsziele formuliert: Mehr Mitglieder, mehr Vertragsschweine und -rinder, vielleicht sogar mehr Standorte.


Das Interview führten Dr. Ludger Schulze Pals und Andreas Beckhove.

Die Redaktion empfiehlt

top + Top informiert in die Maisaussaat starten

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.