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Staatliches Tierwohl-Kennzeichen – Was heißt das für die Schweinehaltung?

Eine AbL-Tagung informierte über das geplante staatliche Tierwohl-Label.

Lesezeit: 5 Minuten

Zu einer Vortragsveranstaltung zum staatlichen Tierwohl-Label hatte die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) am 25. Juni nach Sendenhorst (Kreis Warendorf, NRW) eingeladen.

Bernhard Kühnle, Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherung und Tiergesundheit im Bundeslandwirtschaftsministerium stellte die Kriterien für die drei Stufen und den weiteren Ablauf vor. Die Dreistufigkeit erklärte der Experte vereinfacht mit den Schlagworten „besserer Stall“ für Stufe 1, „verschiedene Klimabereiche“ für Stufe 2 und „Einstreu+Auslauf“ für Stufe 3. Bei den Stufen 2 und 3 kämen dann noch Details wie der Verzicht aufs Schwänze kupieren und Saufen aus offener Fläche hinzu.

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Zum Zeitplan erklärte Kühnle, das Gesetzgebungsverfahren für das staatliche Tierwohl-Label könne bis Ende 2019 abgeschlossen sein, ab Anfang 2020 könnten sich dann erste Betriebe für die Teilnahme registrieren. In den Läden verfügbar sollen erste Produkte mit dem Label dann Mitte/Ende 2020 sein, so Kühnle.

Kühnle räumte ein, dass durch die politischen Diskussionen im Vorfeld unnötige Verzögerungen eingetreten seien und auch Chancen vertan worden seien. Weiterhin ungeklärt seien wichtige Fragen beim Baurecht und beim Immissionsrecht. Damit die Außenklimaställe genehmigungsfähig würden, müssten noch Ausnahmeregelungen gefunden werden. Gespräche dazu liefen derzeit.

Stefan Leuer, Referent für Schweineproduktion der LWK NRW verglich die Kosten verschiedener Haltungsverfahren der Tierwohl-Kennzeichnung in der Schweinemast und bei der Ferkelerzeugung. Er geht davon aus, dass sich die reinen Stallbaukosten im Mastbereich für die Tierwohl-Label Stufe 1 um rund 3,50 €/Mastschwein, für die Stufe 2 um 8 €/Mastschwein und in der Stufe 3 um 17 €/Schwein erhöhen würden. Für das Rauhfutterangebot fielen Kosten von etwa 1,50 €/Schwein an.

Laut Leuer würden die Brutto-Produktionskosten inklusive Ferkel in der Stufe 2 auf gut 200 €/Tier steigen, in der Stufe 3 sogar auf rund 230 €/Tier. Er sieht es als große Herausforderung, die etwa 60 €/Tier an Mehrkosten wieder hereinzuholen, zumal der Markt für diese Tiere aktuell seiner Einschätzung nach relativ klein ist.

Als zusätzliche Herausforderung nannte Leuer die unsicheren Rahmenbedingen für investitionswillige Landwirte. Eine zeitliche Perspektive, die z.B. Sicherheit über den Abschreibungszeitraum gebe, fehle, das mindere die Akzeptanz.

Schweinemäster Carl Ahrens-Westerlage (Neuenkirchen, LK Osnabrück) berichtete über seine Erfahrungen mit verschiedenen Außenklimaställen. Der Pionier in Sachen Außenklimastall hält rund 2500 Mastschweine nach Stufe 3-Vorgaben und Bio-Standard. Seit 2001 betreibt er einen Pigport-Stall, ein zweiter folgte 2009. Insgesamt hält Ahrens-Westerlage Schweine in fünf verschiedenen Ställen. Mit seinen vielfältigen Stallkonzepten im eigenen Betrieb verfügt Ahrens-Westerlage über einen großen Erfahrungsschatz mit vielen Vergleichsmöglichkeiten. Der Landwirt zeigte seine praktischen Erfahrungen anhand zahlreicher Fotos und Videos. Einige seiner Tipps:

  • Gut „erzogene“ Ferkel halten auch den Maststall besser sauber
  • Das Ferkelnest darf nicht zu groß sein
  • Ringelschwänze müssen intakt sein
  • Beißer müssen gefunden und isoliert werden
  • Wichtig sind unterschiedliche Temperaturzonen
  • Tierbeobachtung ist extrem wichtig und muss gelernt werden

Die Folgen der Marktdifferenzierung für die Schlachtung, Verarbeitung und Vermarktung erörtete Dr. Wilhelm Jäger, Leiter Landwirtschaft beim Tönnies-Konzern. Mit Tierwohl-Label-Fleisch eine kleine Nische zu bedienen, helfe nicht, so Jäger. Was Tönnies und die vielen Schweinehalter brauchten, sei eine breite Aufstellung und Tierwohl-Fleisch in allen Bereichen von Frischfleisch über Wurstware bis hin zu Kantinen und Gastronomie. Sein Vorschlag lautete daher: Die komplette Schweineerzeugung in Deutschland mindestens auf Stufe 1 des staatlichen Tierwohl-Labels bzw. Stufe 2 des Haltungskompasses des Lebensmittelhandels zu bringen. Seiner Einschätzung nach lassen sich beide Stufen der beiden Programme vereinheitlichen. Jägers Einschätzung zufolge könne ab 2021 die Nämlichkeit für Mastschweine starten. Für Ferkelerzeuger, die beim staatlichen Tierwohl—Label erstmals mit im Boot sitzen würden, sei ein Aufbaufonds bis 2024 sinnvoll. Danach könne die Einbindung in die Nämlichkeit auch für die Ferkelerzeuger kommen. Die Vergütung des Tierwohl-Aufwandes sollte, so Jäger, in einer Branchenvereinbarung geregelt werden und z.B. als Aufschlag auf die Abrechnung erfolgen.

Wer soll bezahlen?

Was Greenpeace von einer Nutztierstrategie erwartet und wie das bezahlt werden soll, erklärte Martin Hofstetter, Greenpeace-Landwirtschaftsexperte. Generell sei ihm die Politik viel zu langsam, das gelte auch für die Einführung des staatlichen Tierwohl-Labels. Er persönlich glaube nicht an den vom BMEL gesteckten Zeitrahmen und rechne eher mit weiteren Verzögerungen.

Hofstetter rechnete vor, dass rund 3 Mrd. €/Jahr an zusätzlichen Kosten entstünden, wenn alle derzeit produzierten Schweine in Deutschland nach der Tierwohl-Label-Stufe 3 erzeugt würden. Einer Verbraucher-Abgabe ähnlich dem Erneuerbare Energien Gesetz, Geldern aus einer CO2-Abgabe oder einer Umsatzsteuererhöhung räumt Hofstetter wenig Chancen und Erfolg ein. Letztlich plädierte auch Hofstetter dafür, dass die nötigen zusätzlichen Gelder aus dem Handel und dem Markt kommen müssen. Als funktionierendes Beispiel nannte Hofstetter abschließend das holländische Beter Leven-Programm, das innerhalb von zehn Jahren eine Marktdurchdringung von 70 bis 80 % erreicht habe.

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