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Biogetreide: Jetzt steigen die großen Händler ein

Der Markt für Ökogetreide wächst so dynamisch, dass nun auch die BayWa und Agravis Bioware erfassen. Welche Vermarktungsmöglichkeiten haben die Anbauer und worauf sollten sie achten?

Lesezeit: 9 Minuten

Der Biolandbau war für viele Marktfruchtbetriebe in den letzten Jahren eine verlockende Alternative. Doch nicht für jeden Umsteller hat sich dieser Schritt gerechnet. Für einige Betriebe geriet er sogar zum finanziellen Desaster. Nicht etwa, weil sie den Anbau nicht in den Griff bekamen, sondern weil sie auf den falschen Vermarkter gesetzt haben.

So bekamen die Lieferanten der Ökofranken eG, eines bäuerlichen Vermarkters aus Nordbayern, von 2018 bis 2020 für die meisten Getreidearten nur Preise auf konventionellem Niveau. Grund genug also für die Anbauer von Ökogetreide, sich den Markt und potenzielle Abnehmer genauer anzuschauen.

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Es fällt auf, dass die Erzeugung von Biogetreide in Deutschland in den letzten Jahren rasant zugelegt hat. Von 2014 bis 2021 hat sich die Erntemenge auf 1,229 Mio. t fast verdoppelt. In den letzten beiden Jahren war das Wachstum fast ausschließlich von Hafer und Dinkel getrieben. Von 2019 auf 2021 legten die Erntemengen von beiden Getreidearten jeweils um rund 100.000 t zu.

Der Preisanstieg im Vorjahr belegt, dass die Nachfrage mindestens in gleichem Maße gestiegen ist.

Allerdings legten einzelne Biogetreidearten in den letzten Jahren eine heftige Preisrallye hin. Das zeigt: Phasen des Überschusses und der Knappheit können bei Ökogetreide sehr schnell wechseln.

Welche Verträge bieten Erzeugergemeinschaften?

Um so wichtiger ist es, verlässliche Abnehmer zu haben. Eine der ältesten und die größte Bioerzeugergemeinschaft in Deutschland ist die Marktgesellschaft der Naturland Bauern AG mit Hauptsitz im oberbayerischen Hohenkammer. Sie erfasst Ware bundesweit Getreide und andere Druschfrüchte mit Schwerpunkt in Süddeutschland und den neuen Bundesländern. „90 % des erfassten Getreides stammen von Naturlandbetrieben, EU-Bio-Ware spielt bei uns nur eine sehr kleine Rolle“, erklärt Friedrich Mechler, Ressortleiter Druschfrüchte der Marktgesellschaft.

Die Lieferanten können dabei jedes Jahr neu unter mehreren Vertragsvarianten wählen:

  • Etwa 60 % der Landwirte entscheiden sich aktuell für das Poolpreissystem. Sie erhalten dabei den Erlös, den die Marktgesellschaft innerhalb eines Jahres mit dieser Pool-Ware im Verkauf erzielt. Vertragsmenge, Abschlagspreis, Qualitätszuschläge und Reports stehen im Voraus fest. Der Erlösüberschuss über dem Abschlagspreis wird pro Vermarktungsjahr in Form einer Nachzahlung final abgerechnet. Bei solchen Vorernteverträgen sind je nach Ernteverlauf Mengenanpassungen möglich.



  • Die Marktgesellschaft bietet den Landwirten auch Handelskontrakte nach Tagespreisen an. Gerade wer ein eigenes Lager hat, ist dann beim Lieferzeitpunkt flexibel.



  • Ebenso organisiert die Marktgesellschaft Futter-Mist-Kooperationen für Ackerbau- und Tierhaltungsbetriebe sowie Vertragsanbau.

Man bevorzuge Verträge, bei denen eine Mengenplanung möglich ist. Denn die Erfahrung zeige, dass Verbandsware aus heimischer Produktion nicht jederzeit verfügbar ist, sagt Mechler. „Das ist neuen Verarbeitern und dem Handel manchmal nicht klar.“

Eigenes Lager bringt Vorteile

Etwa 30 % der gehandelten Menge wickelt die Marktgesellschaft über bundesweit mehr als 30 Lager ab. Die meisten davon sind Lohnlager von gewerblichen Lagerhaltern oder Landwirten. „Um unseren Lieferanten Lagerraum anbieten zu können, kooperieren wir auch mit Landhändlern, die uns separaten Siloraum zur Verfügung stellen“, ergänzt Mechler. Die restlichen 70 % laufen über Streckengeschäfte.

Hier sind Betriebe mit eigenem Lager klar im Vorteil. „Wer keines hat und direkt vom Feld weg vermarkten muss, kann in der Regel nicht den besten Preis erzielen“, so Mechler. Da der Beikrautbesatz in Biogetreide in der Regel höher ist, sei eine ordentlichen Reinigungs- und Trocknungstechnik genauso wichtig wie das Lager selbst.

Bei Umstellern, die bereits Lager haben, müsse gründlich geprüft werden, ob diese rückstandsfrei sind. „Die Erfahrung zeigt, dass sich Lagerschutzmittel oft sehr hartnäckig halten können“, sagt Mechler.

VG Bio-Bauern mietet Lager an

Bei der Vermarktungsgesellschaft (VG) Bio-Bauern mbH mit Sitz in Schwaben macht das Streckengeschäft sogar 75 % aus. Die restliche Erfassungsmenge geht in Lager, die die VG bei Mitgliedsbetrieben oder Agrarhändlern angemietet hat. Die Lager befinden sich in Unter- und Oberfranken, in Schwaben sowie in Ober- und Niederbayern.

Die Erzeugergemeinschaft erfasst jährlich rund 60.000 t Druschfrüchte, davon etwa 80 % Getreide. Gut vier Fünftel der erfassten Menge sind Bioland-Ware, ein Drittel stammt von Betrieben anderer Verbände und unter 2 % sind EU-Bio-Ware.

Die VG bietet laut Geschäftsführer Andreas Hopf folgende Verträge an:

  • 3- bis 5-Jahresverträge mit langjährigen Festpreisen bei der Mitgliedschaft in Liefergruppen für regionale Abnehmer. Dabei geht die komplette Ernte der Fruchtart an den Abnehmer.



  • Einjährige Anbauverträge z. B. für Dinkel, Weizen, Hafer oder Soja und Sonnenblumen, wobei vor der Aussaat eine Anbaufläche mit einem Festpreis vereinbart wird.



  • Vorverträge bis zur Ernte. Diese werden in der Regel erst im Mai oder Juni abgeschlossen. So können die Anbauer länger warten, bis der Preis fixiert wird und die Ernteschätzung wird genauer.



  • Vermarktung nach der Ernte ab September für Landwirte mit eigenem Lager. Die VG erstellt auf Basis der Analyseergebnisse Angebote.

Bayernhof stark bei EU-Bio

Neben den reinen Bioerzeugergemeinschaften baut auch die Bayernhof GmbH mit Sitz im niederbayerischen Hankofen, an der 15 bayerische Raps- und Getreideerzeugergemeinschaften beteiligt sind, ihr Geschäft mit Biodruschfrüchten aus. „Von unserer ­jährlichen Vermarktungsmenge von 500.000 t sind etwa 35.000 t bio“, berichtet Geschäftsführer Stefan Heinrich. Das meiste davon sei EU-Bio- und Biokreis-Ware.

Neben dem Biolager in Geiselhöring betreibt die Bayernhof eine Schälmühle für Biodinkel in Hankofen und eine Ölmühle für Bioraps und Biosonnenblumen in Mühlhauen im Landkreis Neumarkt. „Durch die eigene Verarbeitung sind wir ein interessanter und zukunftsfähiger Partner für unsere Landwirte“, so Heinrich.

Die Bayernhof bietet für fast alle Bioprodukte Vorverträge an. Wegen der großen Ertragsschwankungen rät Heinrich, maximal 30 bis 40 % der erwarteten Erntemenge abzusichern. Ansonsten vermarktet sie nach Tagespreis und vorhergehender Beprobung. Die meisten Untersuchungen kann der Vermarkter im eigenen Labor durchführen.

Weil der Biomarkt wächst, ist auch die BayWa vor drei Jahren in die Erfassung von Biogetreide eingestiegen. „Das Ziel ist nicht, mit den etablierten Händlern in Wettbewerb zu treten. Wir sind überzeugt, dass das Wachstum so stark ist, dass zusätzlicher Raum für die BayWa entsteht“, beschwichtigt Gregor Feuerstein, Teamleiter „Bio“ bei der BayWa.

BayWa erweitert Biostandorte

Dabei verfolgt der Handelsriese folgende Grundsätze: Schaffen von qualifiziertem Lagerraum, der bisher nicht ausreichend vorhanden ist, professionelles Qualitätsmanagement und kontinuierliches Beliefern von Abnehmern.

Konkret heißt das: Die BayWa vermarktet nur vorbemusterte Ware, die sie in einem Labor untersuchen lässt und eingelagert hat. Streckengeschäfte seien die Ausnahme und nur dann möglich, wenn der Landwirt ein sehr gutes Qualitätsmanagement betreibe.

2014 hat die BayWa in Würzburg erstmals ein Lager auf Bio umgestellt. Seither folgte die Umstellung der Standorte Gerolshausen, Stadtlauringen, Rehau, Markt Indersdorf und Heilbronn. „Dieses Jahr wollen wir weitere Biostandorte in Ostbayern und in den neuen Bundesländern einrichten“, kündigt Feuerstein an.

Für Weizen, Hafer, Dinkel und Braugerste bietet die BayWa Vorkontrakte mit fester Menge und festem Preis an. „Bei weniger häufigen Produkten steigt das Interesse. Dafür bieten wir Vertragsanbau mit flexiblen Mengen und Laufzeiten an“, ergänzt Feuerstein.

Agravis erfasst in Niedersachsen und Ostdeutschland

Mit der Agravis baut eine weitere Hauptgenossenschaft die Biogetreidevermarktung aus. Sie erfasst im gesamten Agravis-Gebiet, die Schwerpunkte liegen in einem Streifen vom südlichen Niedersachsen bis an die polnische Grenze. Dabei konzentriert sich das Unternehmen, das die Bioaktivitäten in seiner Tochter Biovis agrar GmbH bündelt, auf Mahl- und Futtergetreide.

Biovis bietet den Landwirten Verträge ex Ernte zu ihren Erfassungsstandorten und Termingeschäfte ­direkt auf ihre Abnehmer, sprich Mühlen und Mischfutterwerke, an, wobei sie das Getreide ab Station transportiert.

Gut Rosenkrantz: Mühle und Mischfutterwerk

Seit mehr als 30 Jahren ist die Handelsgesellschaft Gut Rosenkrantz Bioverarbeiter und -händler in Norddeutschland. „Unser Fokus liegt auf regionaler Ware und besonderen Qualitäten mit Rückverfolgbarkeit bis zum Landwirt“, erklärt Geschäftsführerin Louisa von Münchhausen. „Wir sind nach Bioland, ­Naturland, Demeter und Bio Suisse zertifiziert und liefern Brot- und Futtergetreide sowie Leguminosen in verschiedenen Qualitäten. Dazu gehören z. B. glutenfreie Rohwaren.“

Der Lebensmitteleinzelhandel will nationale Herkunft
Andreas Hopf, VG Bio-Bauern

Eine weitere Besonderheit: Das Unternehmen erzeugt selbst Saatgut und Mehl und betreibt in Niedersachsen ein Mischfutterwerk. Schwerpunkte der Erfassung sind neben den norddeutschen Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

National und regional

Fast alle Vermarkter berichten von einem klaren Trend zu deutscher bzw. regionaler Ware. Das gilt vor allem für Speiseware. „Der Lebensmitteleinzelhandel will nationale Herkunft und bevorzugt dabei immer mehr Verbandsqualität“, sagt Andreas Hopf von der VG Bio-Bauern.

Bei Verbandsware ist deutsche Ware bevorzugt gefragt. Eine weitere Eingrenzung auf regionale Herkunft ist dann immer konkret zu prüfen. „Gleichzeitig Qualität und Menge immer passend aus der Region zu bekommen, kann eine Herausforderung sein “, so Friedrich Mechler von der Naturland-Marktgesellschaft. Deshalb gelte der Grundsatz: so regional wie möglich, so national wie nötig.

Bei EU-Bio-Ware spielt die nationale und regionale Herkunft bisher keine so große Rolle, vor allem wenn sie als Futter verwendet wird.

Zudem scheint es ein Nord-Süd-Gefälle zu geben. So legt die Agravis-Tochter Biovis bisher ihren Fokus mehr auf einheitliche Partien und homogene Qualität als auf Regionalität.

Das Einhalten der Qualitätsnormen bleibt bei der Vermarktung von Biogetreide eine Herausforderung. Ein Problem können Multipestizidrückstände sein, zum Beispiel durch Abdrift von konventionell bewirtschafteten Nachbarschlägen, durch Verschleppungen in Mähdreschern oder von Rückständen in Silos.

Zudem kann der höhere Unkrautbesatz in Biogetreide schnell zu höheren Feuchtgehalten führen, wenn nicht ordentlich gereinigt und getrocknet wird. Auch Insektenbefall von Partien sei immer mal wieder ein Thema, berichten Vermarkter. Beim Backweizen bleibt das Einhalten der Protein- und Kleberwerte eine Herausforderung.

Gute Aussichten für 2022

Alle Vermarkter rechnen damit, dass die Preise für die kommende Ernte auf einem hohen Niveau bleiben werden, weil das Angebot bei den meisten Getreidearten knapp bleiben wird. Das gilt vor allem für Futtergetreide. Treiber sind vor allem der Geflügelbereich und die Vorschrift, dass jetzt fast überall 100 % Biofutter eingesetzt werden müssen.

Bei Speiseware rechnen einige Vermarkter damit, dass sich die starken Zuwachsraten der letzten Jahre bei Dinkel und Hafer wieder abflachen könnten. Großer Nachfragezuwachs wird vor allem für Spezialitäten wie Buchweizen und Leguminosen erwartet. Insgesamt seien die Vermarktungsaussichten, besonders für Umsteller, zurzeit sehr gut, so der Tenor.

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