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Bioland im Lidl: Passt das?

Bioland-Waren gibt es künftig bei Lidl. Klappt das? Wir haben bei Verantwortlichen und Landwirten nachgefragt.

Lesezeit: 9 Minuten

Der Lebensmittel-Discounter Lidl und der Bioland-Anbauverband machen künftig gemeinsame Sache: Lidl verkauft Bioprodukte nicht mehr allein unter seiner Eigenmarke „BioOrganic“, sondern rund ein Viertel des Öko-Sortiments soll ab 2019 das Bioland-Markenlogo tragen. Seit einigen Wochen gibt es bereits Äpfel und Gartenkräuter mit dem grünen Logo des Verbandes. Molkereiprodukte, Obst und Gemüse, Mehle und Kartoffeln folgen 2019. Wie erklären Bioland und Lidl die Zusammenarbeit? Bioland Präsident Jan Plagge und der Lidl-Einkaufsleiter Jan Bock beantworten unsere Fragen zur geplanten Allianz.

Herr Plagge, warum arbeitet Bioland mit einem großen Discounter zusammen?

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Plagge: Mit dem Lebensmitteleinzelhandel (LEH) arbeiten wir seit langer Zeit gut zusammen. Auch mit Regionalgesellschaften der Edeka gibt es eine Partnerschaft. Lidl ist zusätzlich auf Bioland zugekommen und wollte eine Partnerschaft entwickeln. Wir haben lange diskutiert und entschieden, dass wir keinen Vertriebsweg ausschließen können und wollen. Allerdings haben wir Hürden und Kriterien definiert, damit unsere Werte und Prinzipien auch im LEH gesichert bleiben. Lidl hat sich diesen Vorgaben glaubwürdig gestellt und sich verpflichtet, sie einzuhalten.

Bock: Bioland ist der führende Verband für ökologischen Landbau und der perfekte Partner für uns. Wir teilen das Ziel, dem Verbraucher auf breiter Basis Zugang zu hochwertigen Lebensmitteln aus heimischem Bio-Anbau nach strengen Richtlinien zu verschaffen. Dazu brauchen wir als großer Lebensmittelhändler eine hohe Warenverfügbarkeit, die der Verband mit seinen rund 7300 Landwirten sicherstellen kann. Zudem hat Bioland eine hohe Glaubwürdigkeit. Das wurde auch im Vorfeld der Zusammenarbeit sichtbar, in der Bioland mit vielen Detailfragen sehr ernsthaft an die Kooperation herangegangen ist.

Warum haben Sie Bioland gewählt?

Bock: Die Zusammenarbeit mit Bioland und die schrittweise Umstellung unseres Bio-Sortiments auf den hohen Bioland-Standard ist ein konsequenter nächster Schritt auf unserem Weg, Deutschlands nachhaltigster Discounter zu werden. Denn die sieben Bioland-Prinzipien tragen zu einer zukunftsfähigen Lebensmittelherstellung und Landwirtschaft bei. Mit einem erweiterten Bioland-Angebot ermöglichen wir Millionen von Verbrauchern den Zugang zu hochwertigen Bio-Produkten und erfüllen ein weiteres Qualitätsversprechen.

Welche Chancen verspricht sich Bioland davon?

Plagge: Unser Ziel ist, den ökologischen Landbau zu fördern und voranzubringen. Je mehr Betriebe auf diese Art der Landbewirtschaftung umstellen, desto mehr profitieren Umwelt, Nutztiere und die Verbraucher. Mit dieser Haltung ist es nur konsequent, auch die Vertriebswege auszuweiten. Allerdings soll dies nicht im Rahmen der klassischen Austauschbarkeit geschehen, sondern in einer langfristigen stabilen Partnerschaft zwischen Handel, Herstellern und Erzeugern.

Verglichen mit anderen Discountern haben Sie im Biobereich „Nachholbedarf“. Welche Marktanteile wollen Sie erreichen?

Bock: Bio ist ein strategisches Thema, das Lidl bereits seit langer Zeit intensiv vorantreibt. Auch wenn wir noch nicht an erster Stelle im Markt stehen, wollen wir den Umsatzanteil von Bio-Produkten in den nächsten Jahren deutlich erhöhen. Mit einem erweiterten Bioland-Angebot bieten wir unseren Kunden die Wahlmöglichkeit, mehr hochwertiges heimisches Bio zu kaufen. Wir ergänzen damit ideal unser Sortiment und sprechen auch neue Zielgruppen an. Dabei wollen wir Menschen erreichen, denen die Ernährung mit biologisch erzeugten, hochwertigen Lebensmitteln oder der gesamtheitliche Ansatz von Bioland wichtig ist.

Fliegen jetzt EU-Biosiegel-Produkte bei Lidl aus dem Sortiment?

Bock: Wo es möglich ist, wie zum Beispiel bei Milch- und Molkereiprodukten, wollen wir langfristig unser Bio-Sortiment komplett auf Bioland-zertifizierte Produkte umstellen. Wir werden aber auch weiterhin Bio-Produkte wie etwa Bananen oder Ahornsirup mit dem EU-Biosiegel im Sortiment haben.

Sind Bioland-Produkte künftig nur bei Lidl zu finden, oder könnten andere Discounter auch an Bioland herantreten?

Plagge: Die Kooperation mit Lidl ist nicht exklusiv. Neben Lidl bestehen ja schon seit langer Zeit Partnerverträge mit dem Fachhandel und anderen Handelsketten. Das heimische Angebot mit Bio-Lebensmitteln nimmt endlich zu, so wie das lange auch vom Handel gefordert wurde. Wichtig ist, dass vom Einkauf bis zur Erzeugung alle Beteiligten an einem Tisch sitzen und sich die Betriebe mit ihren Lieferketten darauf einstellen können.

Bestimmt Lidl bei Bioland künftig bei den Kriterien mit?

Bock: Die Glaubwürdigkeit von Bioland ist das höchste Gut. Entsprechend bleiben die sieben Bioland-Prinzipien und die Kriterien unangetastet. Wir wollen und können bei Bioland und seinen Erzeugern nichts verändern, sondern ihnen neue und dauerhaft sichere Absatzmöglichkeiten bieten, um unseren Kunden Zugang zu hochwertigen Lebensmitteln aus heimischen Bio-Anbau zu verschaffen.

Was sagen Ihre Verbandsmitglieder zu der Allianz?

Plagge: Neben Befürwortern gibt es natürlich auch kritische Stimmen. So sind wir gefragt worden, ob wir wissen, mit wem wir uns da einlassen. Den Gedanken können wir nachvollziehen, da der Discount vielen unserer Mitglieder fremd ist und für viele Probleme im LEH verantwortlich gemacht wird. Wenn man aber aktiv mitgestalten will, kann man nicht nur auf den LEH schimpfen. Besser, wir gestalten im Sinne unserer Hersteller und Erzeuger den heimischen Biomarkt mit.

Wie ist die Biokreislaufidee mit der Vermarktung an einen global agierenden Großkonzern zu vereinbaren?

Plagge: Wir stehen für eine Art der Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung, die wir für die zukunftsfähige halten, die Menschheit langfristig zu ernähren und dabei unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten. Dass sich der Vertriebskanal ändert und die Verbrauchergruppe vergrößert, ändert nichts an unseren Richtlinien und Grundprinzipien. Es hilft aber, „Bio für alle“ weiter voranzutreiben. Nach unseren Richtlinien und Werten muss sich jeder unserer Handelspartner richten. Dazu gehört auch unser Schwerpunkt auf die heimische Produktion.

Wie sieht die Preisphilosophie für die Bioland-Produkte aus?

Bock: Lidl hat sich vertraglich dazu verpflichtet, die Bioland-Qualität grundsätzlich in Wert zu setzen und die Lieferbeziehungen langfristig und nach klaren Fair-Play-Regeln zu gestalten. Insofern stellen wir die Preiskommunikation bei der Bewerbung der Produkte in den Hintergrund und unterlassen Preisabschläge zur Absatzankurbelung in diesem Bereich. Uns ist wichtig, dass auch kleine und mittlere Betriebsstrukturen eine gesicherte Zukunft haben und gemeinsam mit Bioland weitere Erzeuger motiviert werden, auf Bio und Bioland umzustellen. Aber selbstverständlich sind wir mit marktgerechten Preisen draußen.

Ist nicht zu befürchten, dass Lidl Bioland künftig Richtlinien diktiert und die Preise senkt?

Plagge: Genau gegen diese Gefahr haben wir vertraglich vorgesorgt. Lidl verpflichtet sich zu Fair-Play gegenüber den Lieferanten und zu auskömmlichen, fairen Erzeuger- und Herstellerpreisen, damit eine nachhaltige Betriebsentwicklung möglich ist. Als Rahmen hat Bioland Fair-Play-Regeln festgelegt und eine Ombudsstelle eingerichtet. Dass Lidl sich darauf eingelassen hat, unterstreicht deren Ernsthaftigkeit. Über die Richtlinien entscheiden bei Bioland allein die gewählten 180 Delegierten der Bundesdelegiertenversammlung.

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„Keine Angst, eher eine Chance“

Die Brüder Andreas (55) und Klaus Engemann (52) haben die Verhandlungen von Bioland mit Lidl intensiv verfolgt. In Eissen (Kreis Höxter, NRW) produzieren sie nicht nur im großen Stil Obst, Gemüse, Getreide Pilze und Chicorée in Bioland-Qualität, sondern handeln auch mit Bioland-Produkten (v.a. Getreide und Gemüse). Prinzipiell hat Klaus Engemann keine Angst vor der Kooperation: „Die Chancen überwiegen dabei“, ist er überzeugt. „Wir sollten Lidl nicht vorverurteilen. Ich nehme Lidl den Veränderungswillen zu mehr Nachhaltigkeit ab.“ Positiv bewertet er, dass für die Anbauer auskömmliche Preise per Vertrag festgezurrt worden sind und Lidl sich an ein Fair Play-Regelwerk halten muss. Für die Verarbeiter und Händler wünscht er sich, dass die Wertschöpfungskette möglichst bis kurz vor Lidl Bio bleibt. „Bioland-Äpfel werden bereits bei einem Bio-Abpacker verarbeitet, bei Gemüse und anderem Obst müsste das auch machbar sein“, erklärt er.

Engemann, der als Delegierter auch intensiv in der Bioland-Verbandsarbeit tätig ist, unterstützt die Allianz auch aus einem weiteren Grund: „Wir halten Ökolandwirtschaft für die richtige Form der Landwirtschaft, deshalb sollten unsere Produkte auch über alle Kanäle vermarktet werden.“ Persönlich sei er immer gerne Bio-Pionier gewesen. „Diese Kooperation ist auch Pionierarbeit“, ist er überzeugt. Nicht zuletzt könne die breitere Öffentlichkeit für Bioland nur positiv sein: „Ich freue mich schon auf die ersten TV-Werbespots mit dem Bioland-Logo.“

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„Richtiger erster Schritt“

„Die Kooperation mit Lidl ist ein erster richtiger Schritt in Richtung höherer Biostandard im Discounter“, so Michael Schelle, der Bioland-Milch im oberbayerischen Forst produziert. Er hält 60 Kühe im Laufstall und bewirtschaftet 60 ha Grünland. Die Milch liefert Schelle an die Andechser Molkerei.

Da sich das Wachstum bei Bio-Milch eher im Lebensmitteleinzelhandel und Discounter abspiele, hofft Schelle nun auf eine wachsende Nachfrage und einen steigenden Biomilch-Preis, der momentan bei etwa 47–49 Cent/l liegt.

Sein großer Wunsch ist, künftig direkter mit dem LEH über Preise zu verhandeln. Bereits heute ist er zwar als „Milchsprecher“ bei den Verhandlungen in der Molkerei dabei. „Wenn man aber als Landwirt direkt mit Lidl spricht, wäre es einfacher, zu erklären, dass die Produktion von Biomilch aufwändiger ist und damit teurer sein muss,“ so seine Einschätzung.

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„Lohnt sich für Lidl“

Auf dem Kampfelder Hof in Hiddestorf südlich von Hannoverist die Stimmung angesichts der Lidl-Kooperation bedrückt. Cord Baxmann baut hier auf 90 ha u.a. Gemüse an, das er im eigenen Hofladen, über Biokisten und teils auch an den Großhandel verkauft. Baxmann befürchtet, dass die Idee des Bioland-Anbaus nun unter die Räder kommt. „Nur im Hofladen können wir mit Kunden direkt kommunizieren“, sagt Baxmann. Seine weitere Sorge: „Ist der gleiche Joghurt bei uns 20 Cent teurer als bei Lidl, wandern die Kunden vielleicht ab.“ Sich von Bioland zu verabschieden, würde ihn schmerzen, wäre aber denkbar.

Auch Knuth Peters aus Großenheidorn im Westen Hannovers ist besorgt: „Ökologisch zu wirtschaften heißt für uns auch, im Hofladen Produkte anzubieten, die von A bis Z nachhaltig bei uns produziert sind,“ erläutert er. Peters hält 80 Mutterkühe, 1500 Hähnchen und 10 Schweine. Geschlachtet wird im eigenen Schlachthaus. „Gibt man die Vermarktung aus der Hand, entsteht schnell eine Ablieferungsmentalität“, befürchtet Peters.

Kritik äußert er auch zur Entscheidungsfindung innerhalb des Bioland-Verbandes: „Die Interessen der Direktvermarkter und die biologische Idee, eben nicht alles aus Boden und Tieren herauszuquetschen, sehe ich zu wenig berücksichtigt.“ Daher nütze die Kooperation vor allem dem Lidl-Konzern.

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