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Chancen höherer Haltungsstufen: Weidemilch weiter sehr gefragt

Rekordpreise, sparende Verbraucher und geänderte Anforderungen des Handels haben den Milchmarkt aufgemischt. Bieten sich neue Chancen für Milch aus höheren Haltungsstufen?

Lesezeit: 5 Minuten

War es das jetzt schon mit den Rekordpreisen von zeitweilig mehr als 60 Cent/kg Milch? Zum Jahreswechsel 2022/23 schienen die Preise und Kurse für Milch, Butter und Pulver an den internationalen Handelsplätzen den Zenit überschritten zu haben: Auf der globalen Handelsplattform „Global Dairy Trade“ gaben die Notierungen zuletzt im Schnitt über alle Produkte und um knapp 3 % nach.

An den heimischen Terminbörsen haben Butter und Pulver an Wert verloren, und der Kieler Rohstoffwert Milch hat als Stimmungsindikator ebenfalls den Rückwärtsgang eingelegt.

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Druck kommt Anfang 2023 von zwei Seiten auf: Angebotsseitig stieg in Deutschland die angelieferte Milchmenge. Auf der Nachfrageseite rechnen Marktbeobachter damit, dass die Verbraucherpreise für Butter, Milch und Co. ihren Höhepunkt erreicht haben könnten.

Zum Jahresstart gingen erste Molkereivertreter denn auch davon aus, dass sich Milcherzeuger in den kommenden Monaten auf leicht sinkende Auszahlungspreise einstellen müssen. Die Landesvereinigung der Milchwirtschaft in Nordrhein-Westfalen (LV Milch NRW)rechnet allerdings nicht mit einem Rückfall auf das Vorkriegsniveau, die deutschen Milchviehalter könnten optimistisch bleiben: „Wir rechnen mit Milchpreisen zwischen 50 und 55 ct/kg Milch“ so der Vereinigungsvorsitzende Hans Stöcker Anfang Januar 2023.

Verbraucher achten mehr auf die Preise

Ob es so kommt und was das für Tierwohl- und Weidemilch aus den höherstufigen Haltungsformen 3 und 4 bedeutet, hängt maßgeblich vom Einkaufsverhalten der heimischen Verbraucher ab. Agrarwissenschaftlerin Dr. Sarah Kühl von der Uni Göttingen analysiert das aktuelle Einkaufsverhalten:

„Die Verbraucherpreise für Lebensmittel sind seit Beginn des Ukrainekrieges im Schnitt um 21 % gestiegen. Zusammen mit der hohen Unsicherheit und den insgesamt steigenden Lebenshaltungskosten führt das dazu, dass Verbraucher beim Lebensmitteleinkauf wieder vermehrt auf die Preise achten.“

Nachhaltigkeit und Tierwohl weiter wichtig

Nach wie vor gebe die große Mehrheit an, dass Nachhaltigkeit, Tier- und Umweltschutz sowie Regionalität und faire Preise für Erzeuger auch aktuell wichtig oder sogar sehr wichtig beim Kauf von Lebensmitteln sind. Trotzdem steige der Anteil an Konsumenten, die das günstigste Produkt und Sonderangebote kaufen bzw. kaufen müssen, so Kühl.

Diese Entwicklung wirke sich besonders auf die Nachfrage nach hochpreisigen Lebensmitteln aus, was sich auch im Milchmarkt beobachten lasse: Die Preissteigerungen bei Frischmilch waren teils beachtlich. Insbesondere bei Biomilch gab es Mitte 2022 einen großen Preissprung von etwa 50 Cent je Liter, während sich konventionelle Milch um etwa 17 Cent verteuerte. Neben generell höheren Preisen hat sich dadurch auch der Preisabstand zwischen konventioneller und Biomilch weiter vergrößert.

Dr. Kühl hat festgestellt, dass Verbraucher auf solche Preisentwicklungen meist mit einer Anpassung der Nachfrage oder dem Ausweichen auf günstigere Alternativen reagieren. Beides zeigt sich ebenfalls am Milchmarkt: Zum einen ist der Absatz an Frischmilch insgesamt um 7 % gesunken.

Zumindest ein kleiner Teil der Konsumenten dürfte ihren Kuhmilchverbrauch reduziert haben oder auf pflanzliche Alternativen gewechselt sein (letztere verzeichnen eine Zunahme der Nachfrage, und zwar zu Preisen, die teils deutlich über denen für konventionelle Milchprodukte liegen).

Zum anderen zeigt sich eine Verschiebung der Milchnachfrage in den einzelnen Qualitätsstufen:

  • Bei Biomilch haben die starken Preiserhöhungen wie erwartet zu einem deutlichen Rückgang des Absatzes geführt (etwa -19 %).
  • Gleichzeitig ist der Absatz von Weidemilch mit +30 % deutlich gestiegen. Weidemilch hat in den vergangenen Jahren an Bekanntheit gewonnen. Verbraucher verbinden Weidemilch mit Vorteilen für Tiere und Umwelt, aber auch für die eigene Gesundheit.

Auch wenn die Preise für Weidemilch ebenfalls deutlich gestiegen sind und nun teils auf dem früheren Niveau für Biomilch liegen, ist der Kauf von Weidemilch für Verbraucher ein guter Kompromiss zwischen Preis und Nachhaltigkeit. Dass die Nachfrage nach Weidemilch stärker steigt als die nach Biomilch, zeichnete sich bereits in den Vorjahren ab. Die jüngsten Preisverschiebungen haben den Trend letztlich verstärkt.

Die Wissenschaftlerin der Uni Göttingen stellt aber auch fest: Die aktuelle Entwicklung verdeutliche, dass Eigenschaften wie Nachhaltigkeit und Tierwohl auch im Milchmarkt weiter an Relevanz gewinnen. Selbst in Krisen- und Inflationszeiten ist zumindest ein Teil der Kundinnen und Kunden weiterhin bereit, einen Mehrpreis für Tierwohl- bzw. Weidemilch zu bezahlen.

„An ihre Grenzen stößt die Bereitschaft allerdings, wenn die Verbraucher noch sensibler für hohe Preise werden oder die Produktvorteile die höheren Preise gefühlt nicht mehr rechtfertigen können oder es günstigere Alternativen gibt“, schränkt Dr. Sarah Kühl ein. Die Folgen solcher Abwägungen seitens der Verbraucher sind aktuell bei Biomilch zu beobachten.

Verwässert der Mehrwert?

Gegenwind für Weidemilch kommt allerdings auch von Seiten des Lebensmitteleinzelhandels auf: Händler haben inzwischen erkannt, dass sich Milch mit Eigenschaften wie „Tierwohl, Weidehaltung usw.“ gut verkaufen lässt. Nicht wenige wollen daher gerne ihre Eigenmarken mit diesen Attributen versehen und bewerben. So gibt es schon Milch aus der Haltungsstufe 3 ohne weiteren Preisaufschlag in den günstigsten Handelsmarkentüten.

Aus LEH-Sicht macht das sogar Sinn, da die ­Kunden inflationsbedingt verstärkt zu günstigeren Alternativen greifen. Für Milcherzeuger und auch die Verarbeiter ist die Entwicklung allerdings dramatisch: Einerseits erhöht der Handel durch höhere Anforderungen (z. B. mit Auslauf oder mehr Platz) die Produktionskosten der Standardmilch noch zusätzlich.

Andererseits schwächt man so die gerade durchgestarteten und etablierten Weide- und Tierwohlmilchprogramme, wenn die günstigere Alternative im unteren Regal ebenfalls aus höheren Haltungsformen stammt.

Hinzu kommt nicht zuletzt die steigende Anzahl an Qualitätsstandards, die sich teils sogar überschneiden. Der Handel kann daraus auswählen, während die Verbraucher irritiert sind und die Milcherzeuger die Verlierer.

Wie Milcherzeuger in Schleswig-Holstein auf die Haltungsform 4 mit Laufhof und Weidegang umgestellt haben und die Milch erfolgreich bundesweit vermarkten, lesen sie hier am Freitag. 

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