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topplus Rekordrallye

Der Holzmarkt hat sich komplett gedreht

Nach der Käferkatastrophe und dem Preisverfall hat der Nadel- und Bauholzmarkt eine Rekordrallye hingelegt. Inzwischen wächst die Sorge um die Holzversorgung.

Lesezeit: 6 Minuten

Wenn man im Sommer 2020 zwischen abgestorbenen Fichten und riesigen Käferholzpoltern orakelt hätte, dass die Stämme ein Jahr nach dem Allzeittief Rekordpreise erlösen würden, wäre heftiges Kopfschütteln wohl die freundlichste Reaktion vieler Waldbesitzer gewesen. Bauherren und Handwerker hätten ebenfalls abgewunken, wenn man ihnen verdreifachte Preise und wochenlange Lieferzeiten für Dachlatten, OSB-Platten und Co. angekündigt hätte.

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Was damals kaum jemand für möglich gehalten hätte, ist tatsächlich eingetreten: In der ersten Jahreshälfte 2021 sind die Nadelholzpreise regelrecht durch die Decke gegangen, Bauholz war plötzlich verbreitet ausverkauft, und auch nach dem Sommer hält die „Holzmarktrallye“ weiter an.

Fichtenstämme im Leitsortiment B2b erzielten zuletzt verbreitet 95 bis über 100 €/Festmeter (Fm) (netto, ab Waldstraße). Damit haben die Preise das Niveau von 2015 erreicht, als der Borkenkäfer noch kein großes Thema in den Wäldern war.

Wie stark die Rohholznachfrage gestiegen ist, zeigen auch die Preise für Käferholz: Vor einem Jahr gingen viele Stämme in den Hacker, nicht nur, um den Borkenkäfer zu bekämpfen, sondern weil bei Erlösen von teils weniger als 20 €/Fm jeder weitere Transport nicht mehr lohnte.

Inzwischen können Waldbesitzer für frisches Käferholz mit intakter Rinde bis zu 90 €/Fm erlösen.

Was sind die Gründe für die rasante Wende? Als Hauptursachen für die Rekordpreise und leeren Lager gelten: Während Käferholz in abfallenden Qualitäten bis ins Frühjahr 2021 reichlich verfügbar war, ging der Frischholzeinschlag deutlich zurück. Gesunde Bestände wurden geschont, der Bund begrenzte den Einschlag zusätzlich. In der Coronapandemie fielen in den Sägewerken Kapazitäten weg. Das verknappte das Angebot.

In der Baubranche, die sowohl in Nordamerika, Asien und in Europa boomt, sorgte Corona nur für wenig direkte Einschränkungen. Die Holznachfrage blieb daher hoch.

Kanada kämpft ebenfalls mit einem Holzschädling. Der Bergkiefernkäfer hat in British Columbia ganze Täler erntwaldet. Einkäufer aus den USA kaufen Roh- und Bauholz daher ebenfalls in Europa ein. China kaufte auch schon zur Hochzeit der Käferkrise im vergangenen Jahr containerweise Fichtenstämme in den betroffenen Regionen auf. Die Exporte Richtung Asien laufen weiterhin auf Hochtouren.

Angesichts des enormen Nachfragebooms bei gleichzeitig knappem Angebot befürchteten nicht wenige Marktbeobachter ein Heißlaufen des Holzmarktes.

Abrechnung zum Tagespreis

Mittlerweile entspanne sich die Marktlage leicht, so Beförsterer Dr. Nils Redde aus Ruppichteroth (NRW). Einerseits kommt vermehrt Käferholz aus bisher nicht vom Borkenkäfer betroffenen Gebieten auf den Markt. Andererseits enden im Oktober die gesetzlichen Einschlagsbeschränkungen für Frischholz, dann dürfte das verfügbare Angebot wieder wachsen.

Trotzdem herrscht nach wie vor Unsicherheit am Markt. Eingeschlagenes Holz wird zunehmend zu Tagespreisen gehandelt. Langfristigere Vertragsbindungen finden zumindest in den bisher stark betroffenen Käferholzregionen kaum noch statt. Vor diesem Hintergrund gestalten sich Marktprognosen äußerst schwierig.

Aufgrund der anhaltend großen Nachfrage gehen die meisten Marktbeobachter von konstanten Preisen für die nächsten Monate aus. Der massenhafte Anfall von Käferholz aus dem Vorjahr ist inzwischen abgearbeitet und verwertet. Der lange Winter und das Ausbleiben von Hitze und Dürre im Frühjahr und Sommer 2021 haben den Borkenkäfer bislang zwar abgebremst, gestoppt ist der Schädling aber noch nicht.

Forstberater Redde sieht denn auch noch kein Ende der Käferkalamität: „Die Entwicklung der Käferpopulationen hat im Vergleich zu den Vorjahren in diesem Jahr etwa vier Wochen später eingesetzt. Aktuell sind aber trotzdem wieder selbst höhere Lagen des Sauerlandes und Siegerlandes in Nordrhein-Westfalen betroffen.“

Fichte bricht schneller weg

Auch aus dem süddeutschen Raum häuften sich derzeit Meldungen über einen Anstieg der Käferholzmengen, weiß Redde. Vermehrt trete der Borkenkäfer auch in bisher nicht betroffenen Gebieten auf. Hinzu kommt: Neben dem teilweise totalen Ausfall hiebsreifer Bestände hat der Käfer auch zahlreiche mittelalte Bestände dahingerafft. Betroffenen Betrieben ist damit ihre Grundlage für eine nachhaltige Forstwirtschaft für die nächsten 30 Jahre weggebrochen. Entsprechend pessimistisch fällt der Blick in die Zukunft aus.

Nach der inzwischen dreijährigen Käferkalamität ist das flächige Ausmaß der Vorratsverluste zwar noch nicht abschließend zu beziffern. Immer mehr Waldbesitzer berichten aber, dass sich die Fichte nicht nur vollständig aus den Wäldern verabschiedet, sondern auch schneller als es viele bislang wahrhaben wollten.

Wird Heimisches Holz knapp?

Noch größere Sorge bereiten vielen Betrieben allerdings die drohenden massiven Nutzungseinschränkungen, die sich aus den aktuell veröffentlichten Waldstrategien auf EU- und Bundesebene ergeben. Forstexperte Redde befürchtet: „Die Umsetzungen wären eine Enteignung durch die Hintertür!“ Die Folge: Erneute Rohholzknappheit, die mittelfristig kaum auszugleichen wäre.

Zahlreiche Fachleute lehnen denn auch das Anfang August 2021 veröffentlichte Eckpunktepapier des Bundesumweltministeriums zur möglichen Honorierung von Ökosystemdienstleistungen ab: Damit ließen sich effektiver Klimaschutz und gleichzeitige Wertschöpfung mit dem Rohstoff Holz nicht erreichen, lautet die Kritik.

Die Strategie ziele allein auf natürliches Waldwachstum und Vorratsanreicherung ab. Die über Generationen mittels Waldbewirtschaftung erbrachten Klimaschutzleistungen der Forstbranche würden zu wenig berücksichtigt und sogar zunichte gemacht, kritisiert auch Redde. Der boomende Rohstoff Holz werde künftig verstärkt importiert, und zwar aus Ländern und Wäldern, in denen Nachhaltigkeit und Klimaschutz eine deutlich geringere Rolle spielten als hierzulande.

Zwar bekennt sich auch das Bundeslandwirtschaftsministerium in seiner aktuellen Waldstrategie 2050 zur Honorierung der Klimaschutzleistung des Waldes. Fachverbänden fehlt allerdings eine Lösung für die künftige Sicherung der Holzversorgung aus heimischen Wäldern. Immerhin haben Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und ihre österreichische Amtskollegin beim Agrarrat eine Initiative gestartet, die auf die Erhaltung des Subsidiaritätsprinzips in der Waldwirtschaft abzielt und den unverzichtbaren Nutzen nachhaltiger Waldbewirtschaftung für den Klimaschutz in den Fokus rückt.

Denn auch die Waldstrategie der Europäischen Kommission löst das Problem der Holzversorgung nicht: Brüssel schlägt vor, 10 % der EU-Landesflächen nicht mehr zu bewirtschaften und unter strengen Schutz zu stellen (allein in Deutschland 3,5 Mio. ha). Diese Schutz­flächen sollen vorrangig im Wald realisiert werden.

Nach Meinung vieler Branchenkenner werden diese Enteignungen durch die Hintertür die gerade erlebte Holzknappheit langfristig verstärken, und zwar nicht „nur“ beim Nadelholz, sondern auch im Laubholzbereich. Zudem drohten die durch nachhaltige Waldwirtschaft und Holznutzung erbrachten Klimaschutzleistungen ins Stocken zu geraten.

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