Auch Solidarität hat ihren Preis. Das mussten in den zurückliegenden Monaten die polnischen Bauern lernen, nachdem das Land zum wichtigsten alternativen Transportkorridor für ukrainisches Getreide und Ölsaaten avancierte. Anders als geplant, blieb es nämlich nicht immer bei der Passage, ein beachtlicher Teil der Waren landete entgegen offizieller Absprachen auf dem polnischen Markt und sorgte dort, aber auch in weiteren Ländern an der Ostgrenze der EU für Preisdruck und politische Turbulenzen.
Zwar hatte Brüssel zwischenzeitlich Sonderhilfen zur Unterstützung der Landwirte in Polen bewilligt. Ungeachtet dessen befürchten Marktteilnehmer hier wie auch in anderen betroffenen Ukraine-Anrainerstaaten, dass der kontinuierliche Warenstrom weiterhin Märkte im Osten der EU destabilisiert.
Brüssel muss handeln
Vergangene Woche reichte deshalb Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki gemeinsam mit seinen Amtskollegen von Rumänien, Bulgarien, Slowakei und Ungarn ein Schreiben in Brüssel ein, in dem sie weitere Maßnahmen zum Umgang mit ukrainischen Warenströmen fordern. Verlangt werden „alle Arten geeigneter Maßnahmen“, darunter auch Einfuhrzölle, Quoten oder zusätzliche Finanzmittel, um der Lage wieder Herr zu werden. Das Thema soll auch beim für morgen geplanten Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Warschau diskutiert werden.
Ende März hatte die EU-Kommission bereits Krisenhilfen in Höhe von 126 Mio. € für die polnische Landwirtschaft bewilligt. Das reicht nach Auffassung von Morawiecki, aber auch dem landwirtschaftlichen Berufsstand nicht aus, um den dortigen Markt wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Unruhe an der Basis
Landesweit kommt es daher weiterhin zu Protesten wie beispielsweise im westpommerschen Stettin, wo Landwirte seit zwei Wochen mit Unterstützung der Landwirtschaftskammer und des Bauernverbandes regelmäßig Schlepperproteste mit hunderten Traktoren durchführen. Ein Ende ist hier nicht abzusehen, vielmehr wurde hier nach Angaben des Fachmagazins „farmer.pl“ sogar schon ein Protestlager als „grüne Stadt“ errichtet, die bleiben soll, bis die angesprochenen Probleme beseitigt sind.
Pierwszy wyjechał dawno temu. Ostatni jeszcze postoi. #ZachodniopomorskieROL #protestrolnikow #SZCZECIN 3.04.2023 r. pic.twitter.com/0SrvTbMljH
— arszczecin (@arszczecin) April 3, 2023
Die Bauern haben dabei offenbar die polnische Bevölkerung hinter sich. In einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts IBRiS unterstützten mehr als 60 % der Teilnehmer die Forderung nach Einfuhrzöllen für Ware aus der Ukraine. Knappe 34 % plädierten für den unregulierten Transfer aus dem von Russland angegriffenen Land.