topplus Destabilisierung befürchtet

EU-Zuckerbranche ärgert sich über Freihandel und Benachteiligung

Eine Neuausrichtung der EU-Handelspolitik mit Schutz für ihr Produkt haben die europäische Zuckerindustrie und Rübenerzeuger angemahnt. Sie warnen vor einer weiteren Destabilisierung des Sektors.

Lesezeit: 4 Minuten

Die europäische Handelspolitik hat die Zuckerwirtschaft in der Gemeinschaft destabilisiert. Das behaupten die Vereinigung der europäischen Rübenanbauer (CIBE) und der Verband der Europäischen Zuckerindustrie (CEFS).

Wenn die EU ihre Handelspolitik nicht dringend neu ausrichte, laufe sie Gefahr, einen Sektor weiter zu schwächen, der nicht nur für die Ernährungssicherheit und die Beschäftigung im ländlichen Raum, sondern auch für die Erreichung der Klima- und Nachhaltigkeitsziele der EU entscheidend sei, so CIBE und CEFS.

Die Forderungen an die Politik

Sie fordern deshalb die Berücksichtigung der kumulativen Auswirkungen aller bestehenden und zukünftigen Freihandelsabkommen, den Ausschluss von Zucker aus bestimmten laufenden und künftigen Verhandlungen - insbesondere mit Indien und Thailand - sowie die Einführung verbindlicher Klauseln zu Nachhaltigkeit und Arbeit. Außerdem müsse eine spezifische Schutzmaßnahme für Zucker eingeführt werden und Ad-hoc-Reziprozitätsmechanismen Anwendung finden.

Zuckerhandelsbilanz wird negativ

Die beiden Dachverbände verweisen auf eine Analyse der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission (JRC). Demnach wird die Zuckerhandelsbilanz der Gemeinschaft mit zehn wichtigen Partnern von Freihandelsabkommen - darunter Mercosur, Indien und Thailand - voraussichtlich stark ins Negative drehen. Es wird erwartet, dass die Einfuhren, angeführt von Brasilien und Paraguay, um bis zu 200.000 t steigen, während die Erzeugerpreise in der EU voraussichtlich um 2% bis 2,5% sinken und die hiesige Produktion zurückgeht. 

Steigende Kosten und Umweltauflagen

Diese Analyse basiert laut CIBE und CEFS auf einer Modellierung, „und wir wissen, dass die Auswirkungen in der Realität in Bezug auf den Preisrückgang viel größer sein könnten“. Dabei stehe der Sektor bereits durch steigende Kosten und Umweltauflagen unter Druck, weshalb die Gefahr bestehe, dass solche Änderungen zu weiteren Fabrikschließungen führen und den Niedergang des ländlichen Raums verstärken.

Keine Vorteile durch Freihandel

Für die europäische Zuckerindustrie bieten die Freihandelsabkommen den beiden Dachverbänden zufolge indes kaum Vorteile, denn 96% der EU-Zuckerausfuhren gehen in Länder außerhalb dieser Vereinbarungen. „Das ist kein ausgewogener Handel, sondern eine strategische Selbstbeschädigung. Eine weitere Liberalisierung unter Missachtung dieser Tatsachen wäre also ernsthaft unverantwortlich.“

Die JRC-Analyse bezeichne die EU-Zuckerwirtschaft als einen „defensiven Sektor“ und verweise auf seine hohen Produktionskosten und die Abhängigkeit von einem starken Zollschutz, um ihn vor dem globalen Wettbewerb zu schützen, erläutern CIBE und CEFS.

Erhebliche Preisschwankungen befürchtet

Festgestellt werde, dass der Zucker in der EU mit durchschnittlich 58,9% einen der höchsten Zölle habe, verglichen mit einem weltweiten Durchschnitt von 38%. Dieses Schutzniveau spiegle die strategische Sensibilität des Sektors wider und unterstreiche seine Gefährdung im Kontext der Liberalisierung.

Selbst geringe Steigerungen der Zuckereinfuhr könnten zu erheblichen Preisschwankungen auf dem EU-Markt führen, da Angebot und Nachfrage unelastisch seien. Dies unterstreicht den Dachverbänden zufolge die Notwendigkeit robuster und durchsetzbarer Schutzmaßnahmen für Zucker in allen aktuellen und zukünftigen Freihandelsabkommen.

Der Abschluss von Handelsabkommen vergrößere die Abhängigkeit von billigeren Importen, die nach weniger strengen Standards produziert würden, während die EU-Erzeuger mit steigenden Kosten und strengeren Vorschriften konfrontiert seien, so CIBE und CEFS.

Sie weisen darauf hin, dass seit 2017 bereits 20 Zuckerfabriken in der EU, fünf davon allein in diesem Jahr geschlossen wurden, und dadurch schätzungsweise insgesamt 4.000 Arbeitsplätze in ländlichen Gebieten verloren gegangen seien.

Strukturell unterschiedliche Modelle

Nach Angaben von CIBE und CEFS wurden im Wirtschaftsjahr 2024/25 über Zollkontingente mehr als 1,6 Mio. t Zucker in den EU-Markt importiert, was gut 11% des EU-Verbrauchs entspricht. Diese Mengen würden ausnahmslos unter schlechteren Sozial- und Umweltstandards produziert und erhielten häufig staatliche Unterstützung.

Die EU-Zuckereinfuhren dürften den Verbänden zufolge 2025/26 zulegen, da der zollfreie Zugang im Rahmen der Freihandelsabkommen aufgrund der Einbeziehung Brasiliens und Paraguays von 534.760 auf über 725.000 t steigt.

1,7 Mio. t zollfreier Zucker sind zuviel

Insgesamt könnten unter Berücksichtigung der Zugeständnisse der EU an die Ukraine und die Welthandelsorganisation (WTO) mehr als 1,7 Mio. t Zucker zollfrei in die EU eingeführt werden, monieren CIBE und CEFS. Darin sei der unbegrenzte Zugang für die Partnerstaaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP) und die am wenigsten entwickelten Länder (LDC) noch nicht enthalten, was den Wettbewerbsdruck weiter verschärfe.

Die beiden Verbände geben zu bedenken, dass das EU-Modell strukturell auf unabhängigen landwirtschaftlichen Familienbetrieben basiere, die eine Beteiligung des ländlichen Raums und Transparenz in der Lebensmittelproduktion gewährleisteten, was jedoch mit Kosten für die Produktivität verbunden sei.

Im Gegensatz dazu stützten sich Länder wie Brasilien, Kolumbien und die Ukraine auf landwirtschaftliche Großbetriebe, die Tausende von Hektar bewirtschafteten und so Größenvorteile erzielten, mit denen die Zuckerrübenerzeuger in der EU nicht mithalten könnten. Die Rohrzuckererzeuger seien zudem von Schwankungen der Energiekosten abgeschirmt, da sie Bagasse - den leicht verfügbaren, holzigen Rückstand des Zuckerrohrs - als erneuerbare Energiequelle nutzen könnten.

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