Alle wollen deutsches Fleisch! Stimmt‘s, oder nur leere Worthülse? Im Rahmen des von der Fachzeitschrift Lebensmittel Praxis (LP) veranstalteten 33. Fleischkongresses auf dem Bonner Petersberg wurde klar, dass Fleisch mit Deutschlandstempel im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) eine wichtige Rolle spielt und auch in Zukunft spielen wird.
„Bei Lidl wird es keine Rolle rückwärts geben. Unsere Kunden zeigen uns durch ihr Einkaufsverhalten, dass sie mehr Tierwohl wollen, ihnen Nachhaltigkeit wichtig ist und sie auf deutsche Herkunft setzen“, machte Dr. Leif Balz, Leiter Landwirtschaft und Ernährung des Hauptstadtbüros der Schwarz Gruppe, im Rahmen einer Podiumsdiskussion deutlich.
Systemgastronomie und Gaststätten müssen mitmachen
Markus vom Stein, Bereichsleiter Ware Vollsortiment Ultrafrische bei der Rewe-Group, stimmte seinem Kollegen aus dem Discountsektor grundsätzlich zu. Er verwies allerdings darauf, dass der Deutschlandstempel bislang vor allem im Lebensmitteleinzelhandel ausgespielt wird. „Mir fehlt das klare Bekenntnis der Systemgastronomie und des Gaststättensektors zur Deutschlandware. Auch im Handel darf der ein oder andere etablierte Marktpartner gerne noch auf den D-Zug aufspringen“, äußerte vom Stein seine Wünsche.
Aber nicht nur im LEH ist man sich größtenteils sicher, dass Fleisch aus deutscher Herkunft Zukunft hat. Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale NRW wusste aus Umfragen zu berichten, dass Verbraucher Fleisch Made in Germany gerne kaufen. „Verbraucher wissen, dass hierzulande erzeugte Ware eine hohe Qualität hat“, so Burdick. Er plädierte deshalb dafür, die Herkunftskennzeichnung möglichst schnell auf andere Tierarten auszuweiten.
Geht uns der Rohstoff "Made in Germany" aus?
„Wenn deutsches Fleisch beliebt ist und gekauft wird, wie stellen wir dann sicher, dass ausreichend nationale Ware vorhanden ist?“, fragten die Moderatoren Hendrik Varnholt und Matthias Schulze Steinmann von LP und top agrar in die Runde. Fakt ist, dass immer mehr Schweinehalter aufgeben, die Schlachtzahlen seit Jahren sinken und der LEH sich inzwischen Sorgen um die Rohstoffversorgung macht. Einig waren sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion darin, dass die gesamte Wertschöpfungskette noch mehr dafür ackern muss, dass Fleisch Made in Germany auch in Zukunft in ausreichender Menge vorhanden ist.
Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Bauernverbandes und Vorsitzender des Fachausschusses Schweinefleisch beim Deutschen Bauernverband, verwies gleich auf die neue Bundesregierung. Diese müsse die überbordende Bürokratie abbauen, denen die Schweinehalter ausgesetzt seien. „Die Überregulierung überfordert insbesondere unsere Familienbetriebe und konterkariert die gute fachliche Praxis. Wir müssen den Strukturwandel stoppen, sonst geht uns der Rohstoff Schweinefleisch aus“, warnte der Landwirt vor allzu vielen und überzogenen Auflagen.
Ähnlich sieht es Dr. Gereon Schulze Althoff, Geschäftsleitung Tönnies Unternehmensgruppe. „Wir schlachten in Deutschland immer weniger Schweine“, so Schulze Althoff. Er forderte endlich Planungssicherheit für die Landwirte. Nur wer sicher sein kann, dass sich die Investitionen am Ende auszahlen, produziert weiter. Anpacken müsse die künftige Bundesregierung endlich das Bau- und Immissionsschutzrecht. „Die Hürden für den von breiten Teilen der Gesellschaft geforderten Umbau auf höhere Haltungsformstufen müssen weg“, so Schulze Althoff.
Tierschutzbund-Präsident Schröder: „Wenn ich Bundesagrarminister wäre, dann…“
Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, plädierte ebenfalls für Änderungen im Bau- und Immissionsschutzrecht. „Ich bin naturgemäß in vielen Punkten anderer Meinung als z.B. Hubertus Beringmeier oder die Fleischindustrie. Was die gesetzlichen Hürden in punkto Umbau auf höhere Haltungsformstufen angeht, denken wir aber deckungsgleich. Es muss endlich leichter werden, Ställe hin zu mehr Tierwohl umzubauen“, so Schröder.
Gleichwohl betonte Schröder, dass der klassische Warmstall im Schweinebereich und die Anbindehaltung im Rindviehsektor aus seiner Sicht Auslaufmodelle sind. „Wäre ich Bundesagrarminister, hätten die deutschen Landwirte längst Planungssicherheit. Auch wenn vielen Landwirten meine Vorstellungen wie ein Stall aussehen sollte nicht unbedingt gefallen würden“, so Schröder.