Die mit den nationalen Corona bedingten Shutdowns einhergehenden Beeinträchtigungen des internationalen Warenverkehrs, sowie das Risiko des „schwersten wirtschaftlichen Abschwungs seit der Großen Depression“ gefährden zunehmend die Versorgungsicherheit speziell mit Grundnahrungsmitteln und medizinischen Gütern in weniger entwickelten Regionen, warnt das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO).
Auf den internationalen Getreidemärkten würden sich seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie diver-gierende Preistrends beobachten lassen.
So sank der Maispreis an der Chicagoer Terminbörse laut IAMO zwischen Ende Februar 2020 und Ende April 2020 um 15 %. Der Preis für Reis stieg im gleichen Zeitraum um knapp 20 % an. Weizen verteuerte sich insbesondere in der dritten Märzwoche kurzzeitig stark.
In den USA gehen knapp 40 % der Maisernte in die Ethanolproduktion. Diese ist aufgrund der niedrigen Rohölpreise derzeit größtenteils eingestellt, was die Nachfrage nach Mais verringert. Der kurzzeitige Preisanstieg auf dem Weltweizenmarkt Mitte März 2020 mag damit zusammenhängen, dass Russland, der größte Weizenexporteur weltweit, sowie die Ukraine, Kasachstan und Rumänien Beschränkungen ihrer Getreideexporte ins Gespräch brachten, sollten zunehmende Ausfuhren die Verfügbarkeit im Inland gefährden, heißt es im Policy Brief 37 aus Halle weiter.
Auch Vietnam, einer der weltweit größten Reisexporteure, schränkte Ende März 2020 Reisausfuhren ein. Nach Berichten über in Lagerhallen und Frachtschiffen verrottende Ware, kündigte die Regierung in Hanoi eine Wiederaufnahme der Reisausfuhren ab Mai 2020 an.
Handelsbeschränkungen dieser Art können die Ernährungssicherheit in getreideimportabhängigen Ländern empfindlich stören, warnte das Leibniz-Institut am Dienstag weiter. Sie würden Unsicherheit auf den Märkten und erhöhte Preisniveaus hervorrufen. Die globalen Getreidelagerbestände befänden sich derzeit zwar auf einem vergleichsweise hohen Niveau, seien allerdings regional sehr ungleich verteilt. So schätzt das US-Agrarministerium, dass China allein die Hälfte der globalen Weizenbestände und jeweils zwei Drittel der Reis- und Maislagerbestände hält, heißt es.
Solidarität und internationaler Handel gefragt
Covid-19 hat die Weltwirtschaft innerhalb kürzester Zeit in einen Stillstand gezwungen, aus dem voraussichtlich eine globale Rezession ungekannten Ausmaßes folgen wird, schätzen die Experten. Staaten mit geringen Pro-Kopf-Einkommen, wenig ausgeprägten sozialen Sicherungsnetzen und hohen Staatsschulden stünden bei ausbleibenden Zuströmen harter Währung und gleichzeitiger Abhängigkeit von Importen vor existenziellen Herausforderungen: Die Gewährleistung einer Grundversorgung der Bevölkerung mit lebensnotwenigen Gütern wie Nahrungsmitteln sei massiv gefährdet.
Entsprechend wird es nach Überzeugung des IAMO einmal mehr auf die internationale Solidarität der Staatengemeinschaft ankommen, gerade was die Möglichkeit von Sofortmaßnahmen angeht. Die jüngst von der G20 beschlossenen Stundungen der Schuldendienstzahlungen für 77 einkommensschwache Staaten für 2020 begrüßen die Ökonomen. Weitere Stundungen oder Erlässe müssten aber im Verlauf des Jahres geprüft werden.
Zudem hält das IAMO für die kommenden Monate eine ausreichende Finanzierung des Welternährungs-programms (WFP) sowie vergleichbarer Hilfsprogramme für unerlässlich. Länder mit geringen Wäh-rungsreserven, wie etwa Nigeria, Angola, Irak, Iran, Venezuela, Aserbaidschan, Usbekistan oder Kirgi-sistan, um nur wenige zu nennen, hätten geringe Spielräume für nationale Hilfspakete. Ganz zentral für die globale Ernährungssicherung werde gerade in Krisenzeiten wie dieser die Gewährleistung eines reibungslosen, internationalen und überregionalen Warenstroms aus Überschuss- in Defizitregionen sein.
Panikkäufe auf Getreidemärkten nicht zu rechtfertigen!
Ein kurzfristiger Abbau bürokratischer und tarifärer Handelshemmnisse sei nachdrücklich anzuraten. Exportbeschränkungen und Panikkäufe auf Weltgetreidemärkten seien angesichts ausreichender Lagerbestände und bisher positiver Aussichten auf diesjährige Ernten nicht zu rechtfertigen.
Vor Rufen nach einer stärkeren Autarkie warnt das IAMO eindringlich. Gerade in Europa habe sich in den letzten Krisenwochen die besondere Leistungsfähigkeit internationaler Lebensmittelketten gezeigt. Die Länder selbst seien freilich gefordert, ihre Maßnahmen zur Einschränkung von Covid-19 auf den Prüfstand zu stellen. Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen oder Schließungen lokaler Märkte und Gewerbe führten zu erheblichen Einkommenseinbußen weiter Teile der Bevölkerung, wodurch eine ausreichende Nahrungsmittelversorgung einmal mehr gefährdet sei, heißt es abschließend im IAMO Policy Brief 37.