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topplus ­Unsicherheit und steigende Preise

Knappe Märkte: Sind die Bauern am Zug?

Agrarprodukte werden knapper, und Abnehmer zeigen sich offen für höhere Erzeugerpreise. Die Landwirtschaft sitzt scheinbar endlich am längeren Hebel. Für Jubel ist allerdings kein Platz.

Lesezeit: 7 Minuten

Unser Autor: Dr. Albert Hortmann-Scholten, LWK Niedersachsen:

Die Preise für Nahrungsmittel explodieren weltweit und das nicht erst seit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24.2.22. Der FAO-Food Preis-Index stand schon im Januar 2022 auf einem 10-Jahreshoch und bekommt durch den Krieg neues Feuer. Seit Ausbruch des Krieges zogen die Preise für Weizen und andere Lebensmittel weiter um 50 % an. Selbst in der westlichen Welt werden nun Engpässe in der Lebensmittelversorgung beobachtet.

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Auch in Deutschland haben die Erzeugerpreise deutlich angezogen. Sogar der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) musste erkennen, dass der Wind sich gedreht hat und war plötzlich bereit, für knappe Ware auch deutlich mehr Geld auszugeben.

Aber sind die Zeiten wirklich vorbei, in denen Aldi & Co die Lieferanten beliebig gegeneinander ausspielen konnten? Profitieren die Landwirte wirklich oder steigen die Erzeugungskosten am Ende sogar noch schneller als die Erlöse? Welche weiteren Folgen hat der Umbruch?

Kosten steigen überall

Die Preisrallye an den internationalen Agrarmärkten hat vor allem mit den steigenden Kosten zu tun. Weltweit kämpfen Landwirte und Verarbeiter plötzlich mit viel höheren Kosten für Energie, Düngemittel oder Futter. Reihenweise erklärten Unternehmen „Force Majeure“ bzw. „höhere Gewalt“, weil sie Verträge nicht erfüllen konnten und schafften ein Klima, in dem Preiserhöhungen leichter durchzusetzen sind. Verarbeiter berichten von vergleichsweise viel Verständnis bei den Abnehmern für Nachverhandlungen und Aufschlägen. In „Friedenszeiten“ wäre das so sicherlich nicht möglich.

Das Problem aus Erzeugersicht

In vielen Produktionszweigen stiegen die Kosten mindestens genauso schnell wie die Erlöse. Insofern verschafft die Krise den Landwirten kaum Luft zum wirtschaftlichen Durchatmen. Im Gegenteil: Die Kostenexplosion könnte den Abbau der Tierbestände noch beschleunigen.

Die Nutztierhaltung befindet sich in einem rasanten Abbauprozess. Denn steigende Tierschutz- und Umweltauflagen begrenzen die Produktion immer stärker. Die Zahl der in Deutschland gehaltenen Schweine liegt auf einem 25-Jahres-Tief und die Zahl der Rinder so tief wie zuletzt vor 35 Jahren.

Auslastungsprobleme

Das knappere heimische Angebot verbessert zwar die Verhandlungsposition der Erzeuger, bringt aber neue Probleme mit sich. In den vor- und nachgelagerten Stufen der Landwirtschaft sinkt die Auslastung teilweise dramatisch. Der gesamte Sektor rund um die Tierhaltung schrumpft und konzentriert sich dadurch weiter. Wurden beispielsweise in der Spitze in den Jahren 2011/12 in Deutschland rund 60 Mio. Schweine geschlachtet, sind es im laufenden Jahr schätzungsweise nur noch 47 bis 48 Mio. Tiere.

Bei den Rindern sieht es ähnlich aus. Sowohl in der Milch- und Schlacht­tierverarbeitung entstehen immer mehr Überkapazitäten. Der wirtschaftliche Druck nimmt massiv zu, da Überkapazitäten Geld kosten.

Die Schlachtindustrie hat bereits damit begonnen, Schlachttage zu streichen. So finden beispielsweise in Niedersachsen an einigen Standorten keine Samstags- und Sonntagsschlachtungen mehr statt, oder es wurde auf Ein-Schichtsystem umgestellt. Auch das führt zu höheren Schlacht- und Verarbeitungskosten, da die Festkosten auf weniger Ware verteilt werden. Und höhere Kosten in der Wertschöpfungskette tragen am Ende die Landwirte durch geringere Erlöse mit.

Abgesehen davon ist fraglich, ob diese Maßnahmen überhaupt reichen, um die Lage zu stabilisieren. Selbst unter den führenden zehn deutschen Schlachtunternehmen kämpfen einige um ihre wirtschaftliche Existenz. In der Folge konzentrieren sich Schweine- und Rinderschlachtbetriebe auf noch weniger Standorte.

Der übermächtige LEH

Aber es gibt auch Dinge, die sich durch Corona und Kriegsfolgen kaum verändern. Denn auch wenn das Lebensmittelangebot knapper ist als in den Vorjahren, bleibt die Übermacht des LEH. Das Machtgefälle ist dabei nicht nur auf hartes Verhandeln der Supermärkte zurückzuführen, sondern vor allem die Folge einer strukturellen Abhängigkeit nahezu der gesamten Lebensmittelindustrie. Nach zahlreichen Fusionen und Übernahmen vereinen die vier größten Handelskonzerne über 85 % des Absatz- und des Beschaffungsmarktes auf sich.

Mit der Zerschlagung der Handelskette Real hat die Konzentration im LEH weiter zugenommen. Das Bundeskartellamt scheint machtlos und hat in den letzten Jahren Aufkäufe durch Edeka, Rewe und die Schwarz-Gruppe fast anstandslos hingenommen.

Ob den Lieferanten bzw. der Landwirtschaft die aktuellen politischen Initiativen helfen, bleibt abzuwarten:

  • Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz will laut der Agenda 2025, die Missbrauchsaufsicht gegenüber dem LEH verschärfen.
  • Das Agrarorganisationen-und-Lieferketten-Gesetz ist in Kraft und soll unfaire Handelspraktiken in den Lieferbeziehungen zwischen Lebensmittelindustrie und LEH verhindern.

Handel kauft global

Eine Chance für Landwirte ist hingegen, dass der LEH sich zu deutschen Produkten bekennt und die Austauschbarkeit sinkt. Die Heimatliebe hat aber auch Grenzen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass der LEH trotz 5 x D-Bekenntnis immer wieder auch auf ausländische Billigprodukte oder hochpreisige Spezialitäten zurückgreifen wird.

Zudem hat sich Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka bisher nicht zum Vermarktungskonzept 5 x D bekannt. In Süddeutschland versuchen die Edekaner eher mit Regionalprogrammen in Teilbereichen beim Verbraucher zu punkten.

Auch wird bei den Tierwohlprogrammen deutlich, dass der LEH vermeidet, von deutschen Landwirten abhängig zu werden. Das zeigt sich beispielsweise an der Konstruktion der Haltungsform 3 und 4. Das System ist grundsätzlich für alle Produzenten offen. Ein spanischer Betrieb, der die von der Organisation „Haltungsform.de“ definierten Kriterien einhält, kann grundsätzlich liefern. Rindfleischprodukte der Haltungsform 3 werden hier bereits im deutschen LEH gelistet.

Das zeigt, werden hohe Qualitäten zu günstigeren Preisen im Ausland angeboten, hat der LEH wenig Hemmungen zuzugreifen. Höhere Preise lassen sich in diesem System auch bei aufwändigen Tierwohlprogrammen nur schwer durch­­setzen.

Inflation bremst Nachfrage

Abgesehen davon werden sich auch die höheren Preise auf die Nachfrage der preisbewussten Deutschen auswirken. Bei einer Jahresinflationsrate von 7 % könnten höherwertige Lebensmittel am Ende die Verlierer sein. Im Biohandel und im LEH insgesamt sinken schon jetzt die Umsätze. Laut dem Bundesverband für Naturkost Naturwaren setzten die Bioläden im März 2022 etwa 18 % weniger um als im Vorjahresmonat.

Die steigenden Preise könnten außerdem den Veggie-Trend befeuern. Beispiel Milch: Vegane Ersatzprodukte nehmen immer mehr Regalplatz ein und werden günstiger. Im März 2022 bewarb z. B. der Discounter Netto Mandel- und Haferdrink zu 0,79 € je Liter. Damit lag der Preis deutlich unter dem für konventionelle frische Vollmilch.

Margarine kostete im März 2022 auch deutlich mehr als vor dem Krieg, war aber dennoch spürbar günstiger als Butter. Der Butterabsatz wird vermutlich in der EU in diesem Jahr sinken. Das schwächt die Verhandlungsposition der Molkereien gegenüber dem LEH und könnte den preislichen Aufwärtstrend schnell wieder beenden.

Die ernüchternde Erkenntnis zum aktuellen Milchmarkt ist: Momentan bringt der globale Rohstoffmarkt für Butter und Milchpulver mit umgerechnet rund 65 Cent je kg deutliche höhere Erlöschancen als die Vermarktung über den deutschen LEH.

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K O M M E N T A R

Alte Probleme oder neue Chancen?

Nach dem ersten Kriegsschock lichtet sich der Nebel und man stellt fest, die Zeitenwende trifft vor allem die ­Politik und weniger die Agrarmärkte. Dort ändern sich nur die Preise, ­während die Marktmechanismen ­bleiben:

  • Die Agrar- und Ernährungswirtschaft verarbeitet derzeit die höheren Energie- und Rohstoffkosten und sucht nach einem neuen Optimum aus Aufwand und Erlös. Das dürfte vor allem in Deutschland zu einem geringeren Angebot an tierischen Produkten führen.
  • Die Wettbewerbsnachteile der deutschen Agrarwirtschaft bleiben bestehen und könnten sich durch Auslastungsprobleme noch verschärfen. Die Tür für Wettbewerber aus dem Ausland ­öffnet sich weiter.
  • Die galoppierende Inflation und der Preisschock bei Lebensmitteln könnte den Bioboom beenden und die Absatzpotenziale für Tier­wohlprogramme begrenzen.
  • Die Agrarmärkte bleiben global ­vernetzt und Rohwaren austauschbar. Höhere Erzeugerpreise ergeben sich in Deutschland auch künftig vor allem dann, wenn die Nachfrage am Weltmarkt anzieht (vgl. Milch).

Landwirte sollten sich daher keine falschen Hoffnungen machen. Gerade in der Tierhaltung bleiben die Margen eng.

Chancen gibt es hingegen durch ­unsere hohen technischen Standards sowohl im Ackerbau als auch in der Tierhaltung. Denn Präzisionslandwirtschaft rechnet sich vor allem bei hohen Betriebsmittelkosten. Auch ein Blick ­zurück zeigt, dass weltweit hohe Futterkosten für hiesige Schweine-, Geflügel- und Rinderhalter mit überdurchschnittlichen biologischen Leistungen meist kein Nachteil waren.

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