Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

topplus Bad Arolsen/Hessen

LVF-Schlachthof bald Geschichte?

Die Tierschutzauflagen bei der Schlachtung werden immer strenger. 3 bis 4 Mio. € soll die Sanierung des Schlachtbetriebes in Bad Arolsen kosten. Das kann und will die Genossenschaft LVF nicht stemmen.

Lesezeit: 4 Minuten

Wenn nicht bald ein „Wunder“ geschieht, gibt es im Landkreis Waldeck-Frankenberg in Kürze keinen aktiven Schlachthof mehr. Für den dauerhaften Weiterbetrieb der Schlachtstätte in Bad Arolsen-Menge ringhausen müsste die Land wirt schaftliche Vieh- und Fleisch vermarktung Nordhessen eG (LVF) als Eigentümerin dort nämlich insgesamt zwischen 3 und 4 Mio. € investieren, berichtet das Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.

Das ist nach eingehender Prüfung und Kalkulation durch den Genossenschaftsverband wirtschaftlich nicht darstellbar. Daher haben die LVF-Mitglieder in der vergangenen Woche schweren Herzens beschlossen, die Modernisierung und Teilsanierung nicht in Angriff zu nehmen.

Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Aus für die Regionalität

Das ist auch deshalb bitter, weil die Schlachtung und Zerlegung von Schweinen und Rindern in Mengeringhausen bislang erfolgreich lief. Lieferanten und Kunden waren zufrieden, auch oder gerade, weil dort keine Massen bewegt wurden.

Im vergangenen Jahr 2020 schlachtete die LVF hier beispielsweise wöchentlich gut 250 Schweine und 15 Stück Großvieh. Etwa 40 % davon wurden im Lohn für Metzger und Direktvermarkter aus dem Umland geschlachtet und aufbereitet.

Diese Dienstleistung fällt künftig weg: Ein harter Schlag für die Regionalvermarktung! Dabei wollten die Verantwortlichen aus LVF-Vorstand und Aufsichtsrat um die Vorsitzenden Roelof Dingel bzw. Volker Lux den Schlachtbetrieb eigentlich nur mit überschaubarem Aufwand modernisieren und ertüchtigen. Schließlich hatten sich seit dem Ausfall des Schlachthofes in Bad Wildungen im Sommer 2019 die zu bewältigenden Tierzahlen bzw. Fleischmengen durch Umleitung der Warenströme spürbar erhöht.

Rund 300.000 € sollte die Teilsanierung kosten, erklärte LVF-Geschäftsführer Dirk Blettenberg den Landwirten in Bad Arolsen. Die Auflagen-Lawine rollt Doch dann geriet eine Lawine ins Rollen, wie es der Geschäftsführer ausdrückte: Die auf die geplanten Umbaumaßnahmen angesprochenen Aufsichtsbehörden beim Landkreis Waldeck-Frankenberg und Regierungspräsidium Kassel nahmen den Schlachthof bei mehreren Begehungen ganz genau unter die Lupe.

Sie erstellten anschließend eine Liste mit zu erfüllenden Vorgaben für den Weiterbetrieb. Unter anderem forderten die Behörden eine neue Viehwartehalle nach aktuellen Tierschutzstandards, die Modernisierung der Betäubungstechnik und eine Sanierung des Fußbodens gemäß der heute geltenden Hygienevorgaben. Das alles ergibt sich aus den einschlägigen Rechtsvorgaben, denn der 1977 errichtete LVF-Betrieb gilt nach EU-Norm als Großschlachthof: „Wir werden bei den Anforderungen in einen Topf mit den Großen der Branche geworfen, obwohl wir von den Tierzahlen und von den Stückkosten her in einer ganz anderen Liga spielen“, so Blettenberg.

Wie weiter im Viehhandel?

Um zu prüfen, ob eine Modernisierung des Schlachthofes dennoch umsetzbar wäre, hat die LVF-Führung ein Architekturbüro und den Genossenschaftsverband hinzugezogen. Das Ergebnis war jedoch ernüchternd: Auch bei einer Ausweitung der Produktion rechnet sich eine Investition dieser Größenordnung vorne und hinten nicht. In der Konsequenz wird die Genossenschaft deshalb auf die Schlachthofmodernisierung verzichten.

LVF in Zahlen

  • Die Mitgliederliste weist zum Stichtag 31. Dezember noch insgesamt 2.080 LVF-Genossen aus. Der Anteil der aktiven Viehhalter unter ihnen liegt allerdings bei höchstens 10 %.
  • 2019 wurden 81.000 Tiere für 14,6 Mio. € umgesetzt. Der Jahresüberschuss betrug 27.100 €.
  • 2020 ging der Umsatz bei 74.400 vermarkteten Tieren preis- und mengenbedingt auf 13,0 Mio. € zurück. Der Jahresabschluss endete mit einem Defizit von 54.400 €.
  • Die Genossenschaft ist schuldenfrei. Das Eigenkapital deckt rund 70 % der Bilanzsumme.

-----

K O M M E N T A R

Wo bleibt das Augenmaß?

von Heinz Georg Waldeyer

Das ist schon bitter: Eine bäuerliche Genossenschaft will ihren kleinen Regionalschlachthof modernisieren, an dem auch zahlreiche Metzger und Direktvermarkter ihre Tiere im Lohn schlachten lassen. Ziel ist es, die leicht steigenden Tierzahlen besser bewältigen zu können. Auch die Aufsichtsbehörden sind grundsätzlich dafür.

Der Kreis Waldeck- Frankenberg hat dem Vernehmen nach sogar 500.000 € an Fördermitteln in Aussicht gestellt. Mit Verweis auf die Rechtsvorgaben knüpfen Landkreis und Regierungspräsidium an den Weiterbetrieb allerdings umfangreiche Bedingungen. Daraus resultieren Umbaukosten in Millionenhöhe, die eine Modernisierung trotz Förderung für die Genossen schaft zum unkalkulierbarem Risiko machen. Dass sich die Versammlung gegen die Investition entschieden hat, ist daher verständlich.

Dem Tierschutz und der Regionalvermarktung wird damit ein Bärendienst erwiesen. Die Schlachtschweine und Rinder in Nordhessen müssen demnächst wohl deutlich weiter transportiert werden – auch weil die Behörden eine neue Viehwartehalle für rund 1 Mio. € fordern, obwohl die Tiere bislang nur rund 20 m von der Sammelstelle zum Schlachthaus zurücklegen müssen.

Wo bleibt da das Augenmaß? Das Problem liegt jedoch nicht allein im Verwaltungsbereich. Es reicht eben nicht, wenn Politiker in (Wahlkampf-) Reden regelmäßig das hohe Lied der regionalen Strukturen und Vermarktung singen, sie aber gleichzeitig die einschlägigen Rechtsvorgaben und Gesetze bei jeder Überarbeitung verschärfen. Es wird Zeit, die steile Aufwärtsspirale zum Beispiel beim Tierschutz- oder Baurecht zu unterbrechen. Sonst gibt es vielerorts bald nichts mehr zu schützen und zu stärken.

Mehr zu dem Thema

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.