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Mel Poulton: Bauern müssen überall viel lauter werden

Landwirte sind oft zu leise, wenn es um ihre Zukunft geht, meint die neuseeländische Agrarbeauftragte. Dabei ist sie sicher, dass Bauern viel zu sagen hätten.

Lesezeit: 7 Minuten

Neuseeland befindet sich aus deutscher Sicht praktisch am anderen Ende der Welt. Da liegt der Gedanke nahe, dass die Landwirte hier wie dort wenige Gemeinsamkeiten jenseits von Boden und Nutztier teilen. Das sieht Mel Poulton anders. Die neuseeländische Agrarbeauftragte weiß als selbstständige Landwirtin aus eigener Erfahrung um die alltäglichen Probleme der Bauern und die Erwartungen, die Politik und Gesellschaft an den Berufsstand stellen.

Darüber und über zahlreiche andere Themen habe ich mit Mel Poulton gesprochen – ganz zünftig im Büro des Milchviehbetriebs von Paul und Stephen Costello im brandenburgischen Netzen. Dieser zweite Teil des Interviews dreht sich um den Nutzen von Subventionen, immer weiter steigende Anforderungen an die neuseeländischen Bauern und wie sie es schaffen, Nachhaltigkeit und landwirtschaftlicher Produktivität zu vereinbaren. Im ersten Teil, der gestern hier erschienen ist, haben wir über das europäisch-neuseeländische Freihandelsabkommen, die Besonderheiten der neuseeländischen Milchviehhaltung und die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gesprochen.

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Mel Poulton wurde im Januar 2020 von der neuseeländischen Regierung zum „Special Agricultural Trade Envoy (SATE)“ ernannt. Sie ist in dieser Funktion unabhängig von der Politik oder Organisationen der Agrarbranche. Als Lebensmittel- und Biomasseproduzentin konzentriert sich Mel in ihrer SATE-Rolle auf den Aufbau und die Verbesserung von Beziehungen, teilt die neuseeländische Geschichte der Lebensmittel- und Umweltverantwortung mit der Welt und arbeitet daran, die Handelsinteressen und -möglichkeiten Neuseelands voranzutreiben.

Mel, in Deutschland machen Agrarsubventionen in den meisten Jahren gut 40 % der landwirtschaftlichen Einkommen aus. Die neuseeländischen Bauern müssen ohne Subventionen auskommen. Wie schaffen sie das?

Mel Poulton: Wir sind außerordentlich unabhängig und übernehmen bewusst die volle wirtschaftliche, ökologische und soziale Verantwortung für uns selbst. Neuseeländische Landwirte setzen in besonderem Maße auf Innovationen, Forschung und Entwicklung. Wir versuchen ständig Wege zu finden, unsere Betriebe immer weiter zu verbessern.

Es gibt keine staatliche Rückendeckung, die uns hilft.

Die jüngsten Reformen zur Bepreisung von Emissionen aus der Landwirtschaft werden bedeutsam sein. Und für einige Landwirte wird es erhebliche Kosten für ihren Betrieb bedeuten, wenn sie die Abgabe bezahlen und unser Emissionsprofil oder unseren Beitrag zur Klimaerwärmung reduzieren müssen. Es bedarf dafür erheblicher finanzieller Investitionen.

Hier kommt der internationale Handel ins Spiel. Neuseeland gibt immer sein Bestes, um hohe Standards zu erfüllen und so Nachfrage zu bedienen, zusätzliche Wertschöpfung und entsprechend höhere Preise zu erzielen und damit auch eine Rendite auf die geleisteten Investitionen zu erhalten. Das ist nicht leicht, so viel kann ich sagen.

Die EU setzt sich und ihren Landwirten mit dem Green Deal und Farm to Fork sehr ambitionierte Ziele beim Klimaschutz und Naturschutz. Neuseelands Regierung geht nach meinem Eindruck sogar noch schneller voran. Beispielsweise über die Besteuerung von Methanemissionen in der Landwirtschaft. Tragen die Bauern diese Steuer und die weiteren Greening-Maßnahmen noch mit?

Mel Poulton: Die neuseeländische Regierung würde es nicht „Methansteuer“ nennen, sondern eine „Abgabe“. Neuseeland wird weltweit das erste Land sein, dass enterische Methanemissionen bepreist. Die meisten neuseeländischen Landwirte akzeptieren, Teil der Lösung beim Klimawandel zu sein und weiter für die Umwelt zu sorgen. Wahr ist aber auch, dass sich einige unserer Landwirte nicht sicher sind, dass die aktuellen Vorschläge dafür die besten Mechanismen sind.

Aber machen die neuseeländischen Landwirte das denn ohne weiteres mit?

Mel Poulton: Das würde ich so nicht sagen. Unsere Farmer nehmen ihre Aufgabe beim Schutz von Klima, Natur und Tieren sehr ernst und wollen Teil der Lösung sein. Dabei kommt es aber auch auf die Umsetzung der Regierungspolitik an. Im Moment gibt es dafür zwischen Regierung und Bauernschaft noch keine vollständige Übereinstimmung, was die besten Mechanismen betrifft.

Die Regierung hat einen klaren Plan: Ende 2022 muss jeder Landwirt sein Emissionsprofil für Methan, CO2 und Lachgas kennen. Bis Ende 2023 muss er einen betriebsindividuellen Reduktionsplan vorliegen haben. Bis 2025 wird die Regierung den Bepreisungsmechanismus einführen. Das eingenommene Geld soll in die Forschung und Entwicklung emissionsarmer Technologien und Verfahren gehen. Bereits 2030 soll auf dieser Grundlage eine zehnprozentige Senkung der landwirtschaftlichen Emissionen erreicht worden sein. Bis 2050 soll der landesweite Ausstoß zwischen 24 und 47 Prozent niedriger sein. Es gibt also einen klaren und zeitlich abgestimmten Reduktionspfad.

Das ist eine ernste Angelegenheit und wird die Landwirtschaft einiges kosten. Der heimische Schaf- und Rindersektor wird laut Prognosen ein Fünftel der Produktion verlieren, die Milchwirtschaft wahrscheinlich zwischen 5 und 8 %, wenn diese Politik so wie vorgeschlagen umgesetzt wird. Hinzu kommt, dass die Regierung schon jetzt Anreize zur Wiederaufforstung in Teilen Neuseelands für die Kohlenstofffixierung setzt. Wir sehen eine Landnutzungsänderung weg von der Schaf- und Rindfleischproduktion hin zu einer Kohlenstoffwirtschaft.

Die Botschaft aus alldem ist: Neuseeland nimmt die globalen Herausforderungen als Nation an und will seinen Teil zur Lösung beitragen.

Wir wollen nicht nur darüber reden, sondern Nägel mit Köpfen machen. Das bedeutet für unseren Agrarsektor aber auch die größte Veränderung seit den Achtzigern. Und vielleicht finden wir auf dem Weg einige Lösungen, die Bauern in anderen Ländern übernehmen können. Das gilt umgekehrt für uns genauso. Wir brauchen uns alle gegenseitig, um mit dem Klimawandel und den anderen großen Krisen umgehen zu können und gleichzeitig ausreichend und bezahlbare Lebensmittel für die Menschen auf diesem Planeten herzustellen.

Laut den Federated Farmers – dem neuseeländischen Bauernverband - war die ökonomische Stimmung in der neuseeländischen Landwirtschaft allerdings im August so schlecht wie nie. Hat das auch etwas mit den Klima- und Umweltschutzplänen der Regierung in Wellington zu tun?

Mel Poulton: Das Reformprogramm der neuseeländischen Regierung ist bedeutsam und eine erhebliche Herausforderung für viele Landwirte. Sie machen sich Sorgen über das Tempo des Wandels und den Zugang zu Technologien und Lösungen, aber auch darüber, dass manche Systeme einfach noch nicht zur Verfügung stehen, um den Plan auch umzusetzen, zum Beispiel, wenn es um Genehmigungen für Futterbaukulturen geht.

Landwirte ärgern sich, wenn Politiken und Regulierungen in Abschottung entstehen. Wenn Auflagen sich widersprechen oder auf dem Hof schlecht funktionieren, wo man diese alle ins eigene Bewirtschaftungssystem integrieren muss, dann regt das die Bauern auf. Und dann geht eben auch der Stimmungsindex nach unten. Dabei passiert das in einer Zeit, in der die Erzeugerpreise eigentlich ziemlich gut sind. Gleichzeitig explodieren aber auch die Produktionskosten und die Gewinnspannen werden eher kleiner.

Ich vermute mal, es sieht hier in Europa nicht viel anders aus. Wir teilen alle dieselben oder ganz ähnliche Herausforderungen. Deshalb denke ich, dass Landwirte in der ganzen Welt derzeit frustriert sind. Überall sind Bauern frustriert. Denn die Welt insgesamt macht gerade diesen gewaltigen Übergang durch. Alle haben dabei ihren Anteil zu schultern, aber die Landwirte fühlen das schneller und stärker als viele andere.

Gibt es für diese Situation denn eine Lösung?

Mel Poulton: Ein Teil der Lösung wäre, dass mehr Landwirte ihre Stimme erheben und zum Beispiel öfter auf internationalen Foren über Klimaschutz, Nachhaltigkeit und die Bewältigung dieser Herausforderungen sprechen.

Bauern sind sehr innovative, praktische und kreative Leute. Sie denken in Zusammenhängen und sie haben schon Lösungen. Aber auch Fragen.

Also bringt die Landwirte zusammen und sie werden umsetzbare Vorschläge machen. Die müssen mit der Politik besprochen und gemeinsam in die Praxis überführt werden. Man kann keine Agrarpolitik ohne Wissenschaft und das praktische Erfahrungswissen, das Landwirte auf positive und konstruktive Weise beitragen können, entwickeln. Genauso wenig lässt sich Agrarpolitik ohne Dialog und klare Problemdefinition entwickeln. Landwirte haben in diesem Prozess nach meiner Überzeugung eine Menge beizutragen. Sie haben nur nicht genügend Gelegenheit, am Konferenztisch zu sitzen und einen Beitrag zu leisten, wenn es um die wichtigen Themen geht.

Ich bin bei Tagungen mit fast 1.000 Teilnehmern gewesen, voll mit Politikern und NGO-Vertretern mit einem Fokus auf Landwirtschaft und Ernährungssysteme oder nachhaltige Landwirtschaft. Und dann gibt es dort vielleicht eine Handvoll Landwirte, die kaum zu Wort kommen aber viel beitragen könnten. Landwirte mit praktischer Erfahrung brauchen aber ein Podium, um ihre Ideen und Lösungen einbringen zu können oder auch um auf die beabsichtigten oder unbeabsichtigten Konsequenzen von politischen Vorschlägen hinzuweisen.

Ich hoffe, dass war hilfreich.

Auf jeden Fall! Vielen Dank für das Gespräch, Mel.

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