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Schlachtrinder: Zu hoch gepokert?

Endlich können Rinderhalter ihre Kosten decken. Jetzt meckern die Schlachter, weil die Preise zu schnell steigen. Gibt es den Rindfleischmarkt, der allen gerecht wird? Ein Streitgespräch.

Lesezeit: 6 Minuten

Über den Rindfleischmarkt zu Ostern sprachen wir mit

  • Dr. Frank Greshake, ­Sprecher Großvieh der VEZG
  • Johannes Steinhoff, ­Vorstand Westfleisch
  • Heribert Qualbrink, ­Einkauf Landwirtschaft Westfleisch

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Herr Dr. Greshake, was waren die Gründe für die Preisrallye?

Dr. Frank Greshake: Mit zwischenzeitlich 5,88 €/kg für den R3-Bullen und 5,08 € für die O3-Kuh hatten wir historische Höchststände erreicht. Der entscheidende Grund für die Rallye ist schlicht und einfach das knappe Angebot. Bullenmast und Milchviehhaltung waren über viele Jahre praktisch nie kostendeckend.

Der Strukturwandel schlägt gnadenlos zu, auch weil die Perspektiven für den Nachwuchs fehlen. Die Viehzählung vom November brachte im Vorjahresvergleich erneut ein Minus von 2,3 % bei den Rindern. Gleichzeitig sind aber auch die Rindfleischeinfuhren zurückgegangen.

Schlachtunternehmen hadern mit den hohen Preisen. Warum? Können Sie die Preise im Verkauf nicht umsetzen?

Johannes Steinhoff: Es spricht nichts gegen hohe Preise. Im Gegenteil: Uns ist klar, dass wir uns mit niedrigen Erzeugerpreisen letztlich selbst die Grundlage entziehen. Andererseits müssen wir die hohen Preise auch in die Prozesskette hineinbekommen. Als wir letzten Herbst die Kontrakte geschlossen ­haben, konnten wir die hohen Preise nicht erwarten. Jetzt laufen wir den steigenden Preisen immer hinterher. Das Tempo ist zu hoch.

Herr Greshake, die Schlachter mögen keine großen Preissprünge. Waren Sie bei der Notierung der VEZG in den letzten Monaten zu forsch?

Greshake: Auf keinen Fall! Als VEZG kamen wir selbst teilweise manchmal nicht hinterher. Wenn wir montags die Notierung veröffentlichten, haben die Schlachter nachmittags die Preise oft schon wieder deutlich überboten.

Heribert Qualbrink: Das Problem ist die Spekulation. Wenn ich mir die Zahlen anschaue, haben wir im bisherigen Jahresverlauf etwa 30 000 Jungbullen weniger geschlachtet als im Vorjahr. Laut Viehzählung wären aber nur 16.000 bis 18.000 Tiere weniger gerechtfertigt. Das heißt, es stehen noch 12.000 überschwere Bullen in den Ställen, die wir in den letzten Wochen gut hätten gebrauchen können. Wir haben Geschäft liegengelassen. Das schadet nicht nur uns, sondern auch den Bauern.

Herr Greshake, haben viele Bullenmäster zu hoch gepokert?

Greshake: Das Ostergeschäft endet meist 10 bis 14 Tage vor den Feier­tagen. Es stimmt, es stehen sicherlich noch etliche überschwere Tiere in den Ställen. Wir als VEZG haben die Spekulation aber nicht befeuert. Am Ende entscheidet der Bauer selbst. Gepokert wird übrigens auch auf der Roten Seite. Wann der Markt kippt, ist für uns schwer vorherzusehen.

Was fordern Sie als Westfleisch von der VEZG bzw. den Erzeugern? Sollen sie freiwillig auf höhere Preise verzichten?

Qualbrink: Wir werden die Spekulation nicht ganz ausschalten können. Bei Westfleisch bieten wir unseren ­Vertragsbetrieben aber auch Mehr­wochen­preise für Bullen an. Dadurch wird kontinuierlicher geliefert. Wichtig ist, dass wir in der gesamten Kette nachhaltig und stabil höhere Preise durchsetzen und auch den LEH bzw. Verbraucher mitnehmen.

Herr Steinhoff, kommen die höheren Erzeugerpreise eigentlich mittlerweile beim Verbraucher an?

Steinhoff: Sehr deutlich sogar! Die Preise sind um 40 bis 60 % gestiegen. Im Discount kostet beispielsweise ­Rinderhackfleisch nun 10,58 € statt 6,89 €/kg. Für das Roastbeef zahlt der Konsument nun 29,99 € statt 18,99 €/kg. Das sind gewaltige Preissprünge.

Und wie reagieren Verbraucher auf die hohen Preise?

Steinhoff: Das muss sich erst noch ­zeigen. Derzeit beobachten wir bei ­Aktionen Rückgänge von 20 bis 25 %. Viele Haushalte in Deutschland haben ohnehin ein knappes Budget und kämpfen mit steigenden Lebenshaltungskosten. Die deutlichen Preiserhöhungen sind riskant.

Steigende Kosten haben auch die ­Bauern. Wie hoch sind derzeit eigentlich die Erzeugungskosten für Schlachtrinder, Herr Greshake?

Greshake: Früher brauchten Bullenmäster etwa 3,80 €/kg SG, um die Kosten zu decken. Wenn wir aktuelle Fresser und Futterkosten plus Entlohnung und Abschreibung ansetzen, sind wir deutlich über 5 €. Für Schlachtkühe und Färsen ist wichtig, dass sich die Milcherzeugung dreht. Die Erzeugungskosten für Milch sind sicherlich 10 Cent höher als im Vorjahr. Nach vielen schwierigen Jahren dürfte nun endlich auch mal etwas übrig bleiben. Reich wird man damit aber nicht.

Herr Steinhoff, die Bauern brauchen die hohen Schlachterlöse. Wie stabil ist die aktuelle Konstellation?

Steinhoff: Wie gesagt, die Höhe ist für uns nicht das Problem. Wenn wir das aktuelle Niveau der Preise in der Kette halten können, sehe ich auf allen Stufen eine Kostendeckung. Ich hoffe, dass sich dadurch der Rinderbestand stabilisiert oder sogar leicht steigt.

Ist das realistisch, Herr Greshake? Könnte das Angebot bei dauerhaft ­guten Preisen wieder ansteigen?

Greshake: Das glaube ich nicht. Es ist ja nicht nur eine Preisfrage. Es fehlen auch die mastfähigen Kälber. Wir erkennen nicht, dass jetzt Bauern ­vermehrt neu in die Rindermast ein­steigen. Neue Haltungsauflagen, die Probleme mit Anbindehaltung, JGS-Auflagen, DüngeVO etc. Ich erwarte, dass sich der Abwärtstrend der letzten Jahre fortsetzt.

Qualbrink: Wir müssen unterscheiden. In Nordwestdeutschland sehen wir bei den Bullen bereits eine Stabilisierung. Ich gebe zu, der Kälberbezug wird eine entscheidende Rolle spielen. Wenn es uns gelingt, in den Milchviehbetrieben mehr Kreuzungstiere zu erzeugen, dann haben wir eine Chance.

Wie sehen Sie das, Herr Greshake?

Greshake: Die Kreuzungstiere ersetzen nicht unser Fleckvieh. Aus meiner Erfahrung heraus schwanken die Besamungen der HF-Kühe mit Fleisch­rassen sehr stark. Viele dieser Tiere landen dann doch in der holländischen Kälbermast.

Brauchen wir künftig vielleicht auch weniger Tiere, weil Haltungsform 2 und 3 zum Standard werden? Wie schätzen Sie das Interesse an ITW-Rind bei hohen Erzeugerpreise ein?

Qualbrink: Mit den Programmen Bauernliebe und Weideland sind wir als Westfleisch bei Haltungsform 3 schon gut etabliert. Es ist derzeit schwer, neue Programme aufzulegen. Bei ITW-Rind bin ich zuversichtlich, weil sich für etliche Betriebe der Aufwand in Grenzen hält. Klar ist, der LEH will diese Ware haben. Wir rechnen mit einer Umsetzung im Markt aber erst im Herbst/Winter 2022.

Und was passiert, wenn die Bauern nicht mitziehen?

Qualbrink: Wir müssen das als Chance sehen, uns noch stärker vom Ausland abzugrenzen. Bei Haltungsform 3 kommt schon ein Drittel der Programme aus Österreich und Frankreich. Die Konkurrenz schläft nicht. Auch bei Haltungsform 2 können wir das theoretisch nicht ausschließen.

Kaufen die Handelsketten viel Ware im Ausland?

Steinhoff: Im LEH finden Sie aktuell fast nur deutsche Ware. Die Filialisten sind zufrieden und stehen hinter der deutschen Herkunft. Wir müssen aber aufpassen, denn zuletzt gab es mehr Angebote aus Osteuropa und Frankreich.

Warum kauft der LEH gerade dort?

Qualbrink: Weil Schlachtrinder dort viel günstiger sind. Zwischenzeitlich lagen die Erzeugerpreise in Österreich, Frankreich und Irland 0,85 bis 1,20 €/kg unter unseren. Normal sind 10 bis 30 Cent.

Wie geht es mit den Schlachtrinderpreisen weiter?

Greshake: Das ist schwer zu sagen. Die 6 € bei den Bullen knacken wir vorerst nicht, und die Preise werden künftig stark schwanken. Bei den ­Kühen sehe ich keinen großen Preisabschwung. Sie bleiben sehr knapp.

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