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Schweinevermarktung: „Wir gehen gemeinsam durch dick und dünn“

Die Tiefpreisphase stellt Direktbeziehungen von Ferkelerzeugern und Mästern auf eine harte Probe. Ferkelerzeuger Hubertus Jesse und Mäster Jochen Grae-Budde wollen die Vorteile aber nicht missen.

Lesezeit: 7 Minuten

In einer erfolgreichen Ferkelerzeuger-Mäster-Direktbeziehung ist es wie in einer langjährigen Ehe: Gemeinsam durchlebt man gute und auch schlechte Zeiten. In der jetzigen Tiefpreisphase sind es eher die schlechten.

„Deshalb bin ich momentan froh, drei Mäster als feste Partner zu haben, welche termingerecht meine Ferkel abnehmen“, gibt Sauenhalter Hubertus Jesse aus dem westfälischen Warstein unumwunden zu. Der 53-jährige Landwirt bewirtschaftet dort einen Ferkelerzeugerbetrieb mit 560 Sauen und eigener Aufzucht.

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Nach der Spezialisierung auf die Sauenhaltung war Jesse auf der Suche nach festen Mästern, um den Absatz seiner Ferkel zu sichern. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda lernte er im Jahr 1998 Schweinemäster Jochen Grae-Budde aus dem acht Kilometer entfernten Anröchte kennen. Der 47-Jährige bewirtschaftet dort einen 130 ha großen Ackerbaubetrieb mit 3.400 Mastplätzen an drei Standorten.

Während ihrer 23-jährigen Zusammenarbeit haben die beiden schon viele Höhen und Tiefen in der Schweinehaltung erlebt. „Als ich die Kooperation mit Hubertus begonnen habe, lagen die Schlachtpreise unter 2 DM“, erinnert sich Jochen Grae-Budde zurück. Und auch heute ist die Stimmung unter den Schweinehaltern wieder auf einem Tiefpunkt. Einschneidende Vorgaben durch die neue Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, der durch die Coronapandemie entstandene Schweinestau, der Seuchenzug der Afrikanischen Schweinepest (ASP), steigende Futterkosten sowie ruinöse Schweine- und Ferkelpreise sorgen für Frustration unter den Schweinehaltern.

Ein Geben und ein Nehmen

Doch das über die Jahre gewachsene Vertrauen und das Gefühl, sich auf den anderen verlassen zu können, geben Ferkelerzeuger Hubertus Jesse und Mäster Jochen Grae-Budde die Zuversicht, dass sie auch diese Krise meistern werden.

Die beiden Schweinehalter stehen ständig in Kontakt. Wöchentlich stallt Mäster Grae-Budde knapp 200 Ferkel ein, die er ausschließlich aus dem Betrieb von Hubertus Jesse bezieht.

Abgerechnet werden die Ferkel nach der Notierung der Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Ferkelerzeugergemeinschaften (AuF). Gemeinsam mit einem Viehhändler, bei dem Jesse seine zu vermarktenden Ferkel anmeldet und der die Liefertermine an die Mäster koordiniert, haben sich die Schweinehalter zudem auf einen Aufschlag für Impfungen, den Transport und einen Qualitätsbonus geeinigt.

Das gute Verhältnis der Geschäftspartner gibt beiden Landwirten viel Sicherheit bei der täglichen Arbeit im Stall. „Würde einer von uns die Lieferbeziehung stoppen, funktioniert das ganze System der Direktbeziehung nicht mehr. Wir vertrauen uns gegenseitig“, erklärt Jochen Grae-Budde zuversichtlich.

Kompromisse spielen beim Ferkelerzeuger-Mäster-Direktbezug eine wichtige Rolle. Der Grundsatz bei Jesse und Grae-Budde lautet: Jedes leere Mastabteil wird umgehend wieder belegt. „Bei fallenden Preises spekuliere ich als Mäster nicht und nehme die Ferkel termingerecht ab. Steigen die Preise, hält sich auch Hubertus als mein Ferkelerzeuger an den Liefertermin und zögert das Ausstallen nicht heraus“, beschreibt Grae-Budde das faire Geschäftsverhältnis. Auch das Einstallgewicht der Läufer darf zwischen 24 und 32 kg streuen, wenn z.B. im Sommer die Tageszunahmen geringer sind.

Die Verlässlichkeit des anderen schätzen die beiden Landwirte sehr. „Die Ferkel werden montags immer pünktlich zur vereinbarten Uhrzeit geliefert. Darauf kann ich mich verlassen und die übrigen Arbeiten im Betrieb exakt danach planen“, schildert der Mäster begeistert. Und wenn es mal gesundheitliche Probleme bei einer Ferkelpartie gibt, dann erfährt er das von seinem Lieferanten spätestens beim Austausch auf der Verladerampe.

Gemeinsame Lösungen

Ferkelerzeuger Jesse beliefert noch zwei weitere Mäster mit Ferkeln, zu denen er ebenfalls einen guten Kontakt pflegt. Bereits weit vor dem Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration hat er sich zusammen mit allen Schweinemästern an einen Tisch gesetzt und über mögliche Kastrationsmöglichkeiten beraten.

Gemeinsam haben sie sich für die Ebermast entschieden, die sie nun schon seit fünf Jahren betreiben.

Vor Kurzem sorgten Hautverletzungen in der Mast für Gesprächsbedarf. Unter den Ebern war es zu Beißereien gekommen. „Wenn es ein Problem gibt, suchen wir gemeinsam nach Lösungen. Wir haben uns dann für einen anderen Eber mit ausgeprägtem Sozialverhalten entschieden“, berichtet Hubertus Jesse.

Die gute Zusammenarbeit zahlt sich auch bei der Tiergesundheit aus. Der niedrige Therapieindex des Mästers bestätigt, dass der Krankheitsdruck bei Ferkeln, die nur aus einem Betrieb stammen, gering ist. Die Tiere werden beim Ferkelerzeuger lediglich gegen Circoviren und Mykoplasmen geimpft. Hinzu kommt, dass die Ferkel sowohl im Flatdeck des Ferkelerzeugers als auch im Maststall am Breiautomaten gefüttert werden. Das mindert den Stress beim Umstallen und beugt Durchfallproblemen vor.

Hochs und Tiefs erlebt

Flauten am Schweinemarkt haben Hubertus Jesse und Jochen Grae-Budde schon öfter erlebt. Doch Phasen wie der Schlachtschweinestau im vergangenen Jahr rauben nicht nur Nerven. „Im letzten Jahr hat mich die Ebermast richtig viel Geld gekostet“, beklagt Jochen Grae-Budde. Die Eber wogen über 130 kg, als sie den Stall verließen und wuchsen aus der Abrechnungsmaske. Den Rückstau bekam der Ferkelerzeuger ebenfalls im Flatdeck zu spüren. Aus Solidarität mit dem Mäster hat ihm Jesse daraufhin beim Ferkelbonus 1 € pro Tier erlassen.

Gerade in solchen Zeiten können die Interessen von Ferkelerzeugern und Mästern schnell auseinander driften. Daran kann auch eine Direktbeziehung Schaden nehmen. „Auch wir nehmen diese Strömungen wahr, reagieren aber nicht darauf“, stellen die Geschäftspartner fest. In schlechten Zeiten drücken die Landwirte ein Auge zu, damit die Beziehung Bestand hat. Ihre Zusammenarbeit erinnere an das Sprichwort „in guten wie in schlechten Zeiten…“.

Die beiden Landwirte aus der Hellwegregion sind sich zudem einig, dass man in einer Ferkelerzeuger-Mäster-Direktbeziehung nicht auf den letzten Cent achten darf. Mal profitiere der Ferkelerzeuger mehr von dem Direktbezug und ein anderes Mal der Mäster. „Beide Geschäftspartner müssen einen Durchschnittspreis im Blick haben und dürfen nicht nur auf den eigenen Erlös schauen“, rät Jochen Grae-Budde.

Der Mäster schätzt besonders die hygienischen Vorteile des Ferkeldirektbezugs sowie die gleichbleibend gute Ferkel- und Schlachtkörperqualität. Ferkelerzeuger Hubertus Jesse fügt hinzu, dass ihm vor allem die kurzen Transportwege und das gegenseitige Vertrauen sehr wichtig sind. Wie gut die beiden sich verstehen, zeigt auch, dass sie seit Kurzem gemeinsam einen Grubber angeschafft haben und nutzen.

Haltungs-VO bereitet Sorge

Doch wie sehen Hubertus Jesse und Jochen Grae-Budde die Zukunft ihres Ferkelerzeuger-Mäster-Direktbezugs? Die derzeit miserable wirtschaftliche Lage und die neuen Vorgaben der Schweinehaltungs-VO stellen vor allem den Sauenhalter vor große Herausforderungen. Knapp ein Drittel seiner Abferkelbuchten hat er bereits zu Bewegungsbuchten umgebaut.

Doch auch im Deckzentrum und im Wartebereich, die noch an die neuen Haltungsvorgaben angepasst werden müssen, besteht derzeit großer Investitionsbedarf. „Aktuell ist meine Investitionsbereitschaft eher gering. Wir warten erst mal ab, welche Vorgaben künftig gelten“, betont Hubertus Jesse.

Für die Zukunft wünschen sich die beiden Landwirte einen schärferen Blick in Richtung Regionalität. „Die vertikale Integration mit 5xD wäre eine Aufwertung der Sauenhaltung, jedoch muss das Fleisch auch vernünftig ausgezeichnet und beworben werden. Ansonsten werden noch mehr Sauenhalter das Handtuch werfen“, meint Jochen Grae-Budde. Er strebt auch in Zukunft den festen Ferkelbezug von seinem Sauenhalter an.

Beide hoffen, dass ihnen die Politik den Handlungsspielraum und die finanziellen Möglichkeiten bietet, ihre Betriebe an die neuen Haltungsvorgaben und gesellschaftlichen Wünsche anzupassen. Dann hätte auch ihre bisher so erfolgreiche Ferkelerzeuger-Mäster-Direktbeziehung eine Zukunft. „Zumal die wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Geschäftsbeziehung, zu denen Vertrauen, Offenheit und ein bisschen Großzügigkeit gehören, bei uns gegeben sind. Wir wissen, was wir aneinander haben“, ist Ferkelerzeuger Hubertus Jesse überzeugt.

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