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Prof. Lademann: „Der LEH missbraucht seine Macht“

Edeka, Rewe, Lidl und Aldi sind marktbeherrschend und nutzen ihre Macht aus. Davon ist Prof. Rainer Lademann überzeugt. Er warnt vor mehr Inflation und sieht auch die Landwirte unter Druck.

Lesezeit: 7 Minuten

Prof. Rainer Lademann und Mitja Kleczka sind Unternehmensberater und haben für ihre Studie "Marktbeherrschung im Lebensmitteleinzelhandel? Eine wettbewerbsökonomische Analyse der Handelsentwicklung und ihrer Folgen für Lieferanten und Verbraucher" insgesamt 160 Lieferanten des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) befragt. top agrar hat den erfahrenen Kartellrechtsexperten Lademann zu den Ergebnissen befragt.

Herr Prof. Lademann, Sie unterstellen dem deutschen Lebensmitteleinzelhandel (LEH) eine marktbeherrschende Stellung. Woran machen Sie das fest?

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Lademann: Die Analyse ist aufwändig, weil der Machtmissbrauch meist schleichend kommt. Wir beleuchten vor allem drei Dinge. Das erste sind die Strukturen. Welche Marktanteile haben die Unternehmen. Das zweite ist das Marktverhalten. Müssen Händler beispielsweise überhaupt Sorge haben, dass Lieferanten zu anderen Händlern abwandern. Und drittens schauen wir, was beim Wettbewerbsprozess rauskommt – also vor allem auf die Verbraucherpreise. In allen drei Punkten bestätigt sich unser Verdacht. Der LEH hat eine marktbeherrschende Stellung und nutzt diese auch aus.

Sie haben für die Untersuchung mit vielen Lieferanten des LEH gesprochen. Aus welchen Branchen stammen sie und was sind die Probleme in der Zusammenarbeit mit dem LEH?

Lademann: Wir haben fast alle Branchen beleuchtet und auch zahlreiche Molkereien, Fleischverarbeiter und Verarbeiter von Obst und Gemüse ­befragt. Das größte Problem ist wohl, dass die Lieferanten gar keinen Verhandlungsspielraum mehr haben. Denn bevor es überhaupt zu Verhandlungen kommt, schickt Ihnen der LEH einen Fragenbogen mit Vorbe­dingungen, die Voraussetzung für ­Verhandlungen sind. Dabei geht es ­beispielsweise um längere Zahlungsziele und Liefergarantien.

Hat Sie das überrascht? Und warum sind Vorbedingungen so ein Problem?

Lademann: Uns hat vor allem das Ausmaß überrascht. 60 bis 70 % aller befragten Hersteller müssen Vorbedingungen erfüllen. Das ist insbesondere im Frischebereich ein großes Problem, weil sie Ware nicht lange lagern können. Fleisch- und Molkereiwirtschaft müssen also vor der Preisverhandlung schon Liefergarantien geben, ohne zu wissen, ob sie die Mengen überhaupt verkaufen können. Sie machen sich ­damit extrem abhängig vom LEH.

Können die Hersteller nicht zum nächsten Abnehmer gehen, wenn ihnen der Preis nicht passt?

Lademann: Genau das funktioniert nicht, weil gleichzeitig die meisten Hersteller mehr als 60 % ihrer Umsätze mit nur drei Abnehmern machen. Das bedeutet, sie haben praktisch keine Ausweichmöglichkeit. Für rund 90 % der Hersteller ist der Verlust ­eines dieser großen Abnehmer schon existenzgefährdend. Und in den meisten Fällen sind die größten Abnehmer eben die Lebensmittelhändler.

Können die Händler ihre Macht auch im Verkauf ausspielen? Der ­deutsche Verbraucher gilt als preis­sensibel und läuft für eine günstigere Butter doch zur Konkurrenz!

Lademann: Auch das funktioniert leider nicht mehr so richtig. Auf lokaler Ebene ergänzen sich Discounter und Vollsortimenter mittlerweile sogar ganz gut. Ein Aldi hat beispielsweise einen großen Einzugsbereich. Dort ­decken die Kunden meist ihren Grundbedarf. Im Rewe nebenan finden die Verbraucher dann die größere Auswahl und die außergewöhnlichen Produkte. Sie tun sich also weniger weh.

Jahrelang hieß es, dass der Wettbewerb bei Lebensmitteln in Deutschland besonders hart sei. Stimmt das noch?

Lademann: Das stimmt schon lange nicht mehr. Im europäischen Vergleich liegen unsere Lebensmittelpreise seit 2014/15 über dem Durchschnitt. In den letzten Jahren stiegen die Verbraucherpreise bei uns sogar schneller als jedem anderen EU-Land. Nach un­seren Berechnungen ist ein Drittel der Inflation auf die Konzentration im LEH zurückzuführen. Je größer also die Top 4 werden, desto einfacher wird, es höhere Preise durchzusetzen.

Höhere Verbraucherpreise sind für Landwirte ja nicht automatisch von Nachteil. Bei einer höheren Wertschöpfung bleibt möglicherweise mehr für die Erzeuger übrig, oder?

Lademann: Das mag auf regionaler oder lokaler Ebene funktionieren, wenn ein selbstständiger Einzelhändler direkt mit dem Landwirt verhandelt. Man kennt das von Obst oder Eiern. In den meisten Fällen vermarkten Landwirte jedoch an Molkereien oder Schlachtunternehmen, die den Preisdruck vom LEH direkt an die Bauern weitergeben.

Bieten starke Marken ein Ausweg?

Lademann: Klar. Starke Marken ­können theoretisch helfen, aber es gibt nur sehr wenige Marken wie beispielsweise Coca-Cola, auf die der Handel eigentlich nicht verzichten kann. Wer keine Coca-Cola im Regal hat, verliert tatsächlich Umsatz, weil die Kunden zur Konkurrenz laufen. Wir schätzen den Anteil dieser starken Marken­produkte auf lediglich 3 bis 5 % des Gesamtmarktes. Die meisten Produkte sind leider sehr austauschbar.

Und durch Handelsmarken verstärkt sich dieser Trend?

Lademann: Genau! Handelsmarken laufen in Zeiten hoher Inflation ­deutlich besser, da sie rund 30 % billiger sind. Der LEH nutzt die Handelsmarken sogar als strategisches Mittel um die Konditionen der Markenhersteller zu brechen. So kommen selbst starke Marken unter Preisdruck.

Das ist ein gefühltes Monopol.

In den Vorstandsetagen von Edeka, Rewe, Lidl und Aldi hat man Ihre Studienergebnisse sicherlich nicht gerne gelesen. Wie fielen die Reaktionen der Händler aus?

Lademann: Sie versuchen es tot zu schweigen oder ins Gegenteil umzudeuten. Edeka-Chef Markus Mosa sagte kürzlich, dass man diese Marktmacht brauche, um sich gegen die übermächtigen Hersteller durchzusetzen und so günstige Preise ermöglicht. Sie nutzen im Ein- und Verkauf ihre Preissetzungsspielräume. Und wenn Hersteller bzw. Kunden nicht weglaufen, ist das zwar unternehmerisch verständlich, aber marktwirtschaftlich ­ungesund. Die Händler verhalten sich so, als ob es keine Konkurrenz gibt. Das ist ein gefühltes Monopol.

Der LEH behauptet, dass die ­Lebensmittelproduzenten zu gierig sind und die Krise genutzt haben, um ihre Margen auszuweiten. Wie passt das zu ihren Studienergebnissen?

Lademann: Es stimmt, dass auch ­Hersteller versuchen Preisspielraum zu nutzen. Das vergangene Jahr war wegen des Russland-Konflikts außergewöhnlich. Das laufende Jahr könnte wieder ganz anders laufen. Außerdem gibt es Beispiele, wo der LEH Preis­erhöhungen der Hersteller abgewehrt hat und gleichzeitig für genau diese Produkte die Verbraucherpreise ­besonders stark angehoben hat.

Lässt sich die Marktmacht der ­Handelsketten auch in den Konzern­gewinnen ablesen?

Lademann: Wir können nicht direkt in die Bücher der Handelsketten schauen, aber es gibt Schätzungen u. a. auf Basis von Jahresabschlüssen, die im Bundesanzeiger veröffentlicht werden. Demnach lag die Eigenkapital­rendite im LEH zuletzt bei 15 bis 17 % während sie in der Industrie eher bei 11 bis 12 % liegt. Gemessen an dem unternehmerischen Risiko, müsste es eigentlich umgekehrt sein.

Seit 2021 soll das Agrarorgani­sationen- und-Lieferketten-Gesetz (­AgrarOLkG) unfaire Handelsprak­tiken verhindern. Was bewirkt es ­bisher in der Praxis?

Lademann: Es funktioniert nur teilweise, weil sich die Marktteilnehmer anpassen. Man hört, dass die Verträge dahingehend „sauber“ sind. In der ­Praxis bleibt oft alles beim alten. So heißt beispielsweise eine Rücknahmeverpflichtung nun einfach Rücknah­meangebot. Und der Hersteller geht darauf ein, weil er im Geschäft bleiben will. Außerdem nennt bei Verstößen kaum jemand Ross und Reiter aus Angst, ausgelistet zu werden. Ein ­Problem ist zudem, dass es vielfach gar keine schriftlichen Verträge gibt. Im Streitfall hätte man somit gar nichts in der Hand.

Was sollte das Bundeskartellamt tun, um die negativen Folgen der Konzentration im LEH abzumildern?

Lademann: Das Kartellamt muss ­verhindern, dass sich die Spitzengruppe an weiteren Übernahmen beteiligen kann. Außerdem sollte man den LEH der Missbrauchsaufsicht unterstellen. Dadurch könnte das Kartellamt das Marktverhalten besser überwachen. Zudem könnte man mit dem Vermutungstatbestand die Beweislast umkehren. Die Händler müssten ihrerseits beweisen, dass der Wettbewerb weiterhin funktioniert.

Wäre auch eine Zerschlagung der Handelsketten denkbar?

Lademann: Das halte ich für ausgeschlossen. Welches Unternehmen würden sie zerschlagen, und gäbe es dann mehr Wettbewerb? Wenn Sie beispielsweise Aldi in Süd und Nord trennen, hätten Sie hinterher zwei Unternehmen, die sich nicht weh tun. Bei Edeka gilt das Gleiche, wenn sie die sieben Regionalgesellschaften trennen. Sie müssten in der Region Ketten zerschlagen. Das wird ist kompliziert.

Sehen Sie in Deutschland überhaupt eine Chance für mehr Wettbewerb?

Lademann: Mehr Wettbewerb kann ich mir nur vorstellen, wenn auslän­dische Unternehmen kleinere Ketten in Deutschland übernehmen und so den großen Konkurrenz machen. ­Vorbild könnte die Tegut-Übernahme in Hessen vor zehn Jahren durch die Schweizer Migros sein. Auch Migros ist ein Schwergewicht, aber eben nicht in Deutschland.

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