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Damit der Kartoffelkrebs nicht zuschlägt…

Wie ein Damoklesschwert schwebt die Quarantänekrankheit Kartoffelkrebs über intensiven Anbauregionen. In Niedersachsen ließen sich nun Dauersporen des Erregers nachweisen. Viele niedersächsische Kartoffelanbauer sind verunsichert – erstmals nach drei Jahren tauchten kürzlich wieder Sporen von Kartoffelkrebs auf.

Lesezeit: 8 Minuten

Wie ein Damoklesschwert schwebt die Quarantänekrankheit Kartoffelkrebs über intensiven Anbauregionen. In Niedersachsen ließen sich nun Dauersporen des Erregers nachweisen.


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Viele niedersächsische Kartoffelanbauer sind verunsichert – erstmals nach drei Jahren tauchten kürzlich wieder Sporen von Kartoffelkrebs auf. Diese ließen sich an Anhang-erde von Pflanzkartoffelpartien in zwei Betrieben nachweisen. Die zuständige Behörde stellte die befallenen Chargen (mehrere Hundert Tonnen) unter Quarantäne.


Folgen hat dies vor allem für die Stärkekartoffelregion im westlichen Niedersachsen: So hat der Pflanzgutvermarkter Solana angekündigt, zunächst keine Pflanzkartoffeln aus diesem Gebiet mehr zu beziehen. „Die Gefahr, dass Sporen in andere Regionen verschleppt werden, ist zu groß“, so Geschäftsführer Torsten Spill. „Deshalb werden wir vorerst keine Verträge mit Pflanzguterzeugern aus dieser Region mehr abschließen. Das ist auch für uns ein schwerer Schritt. Denn wir benötigen dringend Pflanzgut der gegen Nematodenbefall hoch resistenten Zweinutzungssorte Amanda.“


Ein Waschen der Knollen – wie vom Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium empfohlen – ist nach Aussagen des Solana-Geschäftsführers nicht möglich, weil dafür die Maschinen fehlen. Zudem seien die Zusatzkosten kaum zu erwirtschaften.


Hartnäckig und gefährlich


Über die Gründe der Funde spekulieren Landwirte, Fachberater und Wissenschaftler zurzeit. In Diskussion steht, dass die Düngung mit Klärschlamm zur Ausbreitung beitragen kann. Zudem überleben die dickwandigen Sporangien offensichtlich eine Vergärung in Biogasanlagen.


In erster Linie verbreitet sich der Kartoffelkrebs-Pilz Synchytrium endobioticum jedoch mit dem Pflanzgut auf der Fläche. Aber auch durch Erosion (Wind, Wasser) sowie an Maschinen und Geräten anhaftenden Boden ist es möglich, dass Sporen auf andere Schläge gelangen. Problematisch können zudem Abfälle aus kartoffelverarbeitenden Betrieben oder organische Dünger sein, wenn die Tiere mit infizierten Kartoffeln gefüttert wurden. Zusätzlich erhöhen enge Kartoffelfruchtfolgen und -durchwuchs das Risiko.


Typische Symptome sind blumenkohlartige Wucherungen an den Kartoffelknollen und Stolonen. Diese sind im Sommer weiß bis bräunlich, bei Lichteintritt ergrünen sie. Bis zur Kartoffelernte können die Wucherungen in Fäulnis übergehen.


Doch schauen Sie genau hin – die Krebswucherungen sind leicht mit dem sogenannten Scheinkrebs zu verwechseln, der nicht parasitär ist, sondern physiologisch bedingt entsteht. Um Verwechselungen zu vermeiden, ist es notwendig, befallenes Gewebe mikroskopisch zu untersuchen. Sind dann die braunen Dauersporen des Pilzes erkennbar, handelt es sich eindeutig um einen Kartoffelkrebs-Befall.


Schwieriger ist es dagegen, die unterschiedlichen Pathotypen zu identifizieren. Bekannt sind in Deutschland die Pathotypen 1, 2, 6, 8 und 18. Die Unterscheidung erfolgt beim Julius Kühn-Institut (JKI) durch Auspflanzung eines sogenannten Differenzialsortiments (Sorten mit unterschiedlichen Resistenzgenen sowie anfällige Sorten) in die Befallsfläche. Alternativ ist ein Biotest im Labor möglich. Weil beide Methoden aufwendig sind, will das JKI diese künftig durch molekulare Diagnoseverfahren ersetzen.


Strenge Quarantäne


Bei Befall gelten – wie in den meisten Ländern weltweit – sehr strenge Quarantäneregelungen. Innerhalb der EU greift die Richtlinie 2000/29/EG. Diese stuft Kartoffelkrebs als einen meldepflichtigen Schaderreger ein, der weder in der EU noch innerhalb der Mitgliedstaaten verbracht werden darf. Zusätzlich ist der Erreger über die Verordnung zur Bekämpfung des Kartoffelkrebses und der Kartoffelzystennematoden geregelt. Folgendes ist einzuhalten:

  • Entsorgung: Wird ein Befall festgestellt, ermittelt die zuständige Behörde den Pathotyp. Die Knollen und das Kraut sind so zu behandeln, dass der Erreger vernichtet wird (z.B. Entsorgen auf einer Deponie).



  • Sicherheitszone: Das Errichten einer Sicherheitszone ist ebenfalls vorgeschrieben. Dazu zählen der befallene Schlag und ein zusätzlicher Sicherheitsbereich von 300 m um die betroffene Fläche herum. Die zuständige Behörde hebt diese Zone erst wieder auf, wenn sich der Erreger nicht mehr nachweisen lässt. Die Freigabe ehemaliger Krebsherde kann länger als 20 Jahre dauern.



  • Schutzmaßnahmen: Auf der befallenen Fläche darf man keine Kartoffeln anbauen oder lagern. Zudem ist der Anbau von Pflanzen allgemein untersagt, die zum Verpflanzen auf andere Flächen bestimmt sind.
Im zusätzlichen Sicherheitsbereich um die befallene Fläche ist der Anbau von Speise- und Wirtschaftskartoffeln möglich, wenn die Sorten gegen den vorkommenden Pathotyp resistent sind.


Wer prüft auf Resistenz?


Die Bewertung der Krebsresistenz aller Kartoffelsorten führt das JKI im Rahmen einer amtlichen Prüfung mit den vier wichtigsten Pathotypen 1, 2, 6 und 18 durch. Welche Sorten krebsresistent sind, steht im jährlich erscheinenden Bundesanzeiger sowie in der Beschreibenden Sortenliste. Diese finden Sie online unter www.topagrar.com/heft+Zurzeit besitzen rund 40% der zugelassenen Kartoffelsorten eine Resistenz gegenüber Pathotyp 1, der in Deutschland mittlerweile aber keine Rolle mehr spielt. Nur 5% der Sorten verfügen über zusätzliche Resistenzen gegen die neueren Pathotypen 2, 6 und 18.


Für Betriebe, die mit dem Problem Kartoffelkrebs konfrontiert sind, ist die Sortenwahl trotzdem das wichtigste Instrument gegen den Erreger.


Sechs-Punkte-Plan gegen Krebs


Für Kartoffelbetriebe kann die Diagnose „Kartoffelkrebs“ existenzbedrohend sein. Daher gilt es, das Befallsrisiko möglichst gering zu halten. Folgende sechs Maßnahmen sollte man unbedingt beherzigen:

  • Achten Sie auf gesundes Pflanzgut! Die wirksamste Vorsorgemaßnahme gegen die Einschleppung von Quarantäne-Schaderregern ist, befallsfreies Pflanzgut zu verwenden. Den höchsten Sicherheitsgrad bietet amtlich anerkanntes Pflanzgut, weil es auf kontrollierten Anbauflächen wächst. Eine Eigenvermehrung ist zwar gesetzlich möglich, sollte sich künftig aber an diesen Qualitätsstandards orientieren.
  • Sortenwahl in der Sicherheitszone: Wichtig ist es auch, im zusätzlichen Sicherheitsbereich Sorten mit multipler Krebsresistenz anzubauen (auch gegen die Pathotypen 2, 6 und 18).
  • Lockern Sie die Fruchtfolge auf: In Intensivgebieten liegt der Kartoffelanteil in der Fruchtfolge oft bei mehr als 33% Kartoffeln. In puncto Kartoffelkrebsgefahr ist das eindeutig zu hoch. Es wäre wünschenswert, in Pachtverträgen eine Obergrenze für den Kartoffelanteil aufzunehmen.
  • Bekämpfen von Durchwuchs: Milde Winter haben regional zu gravierenden Problemen mit Durchwuchskartoffeln geführt. Beseitigen Sie den Aufwuchs mit allen zur Verfügung stehenden Maßnahmen. Diese reichen von einer flachen, nicht wendenden Bodenbearbeitung nach der Kartoffelernte (bessere Frosteinwirkung) bis hin zum gezielten Herbizideinsatz in Nachfolgekulturen wie Getreide und Mais.
  • Reinigen Sie Schlepper und Maschinen: Insbesondere beim überbetrieblichen Einsatz von Schleppern und Maschinen ist es wichtig, diese sorgfältig zu säubern. Erd- und Pflanzenreste müssen weg, um die inner- und überbetriebliche Verschleppungen von Dauersporen zu unterbinden. Nur so lässt sich verhindern, einen möglicherweise nicht erkannten Befall von Fläche zu Fläche zu übertragen.
  • Halten Sie die Abfallwirtschaft im Blick: In Anbauregionen, in denen kartoffelverarbeitende Betriebe ansässig sind, gilt die Forderung: Keine Abfälle oder Reststoffe unbekannter Herkunft auf Ackerflächen ausbringen!
Bundesweites Monitoring?


Trotz aller Vorsorge ist es möglich, dass der Erreger wegen seiner vielen Verbreitungswege doch eine Fläche befällt. Um dies möglichst zu verhindern bzw. einen Befall früh zu erkennen, wird in Fachkreisen über ein bundesweites Monitoring von Flächen diskutiert, die für den Anbau von Pflanzkartoffeln vorgesehen sind.


Bisher gibt es noch keine Kontrollen der Pflanzkartoffel-Anbauflächen auf Dauersporen des Kartoffelkrebses. Derzeit werden die Bestände lediglich auf das Auftreten von Symptomen (Krebswucherungen) untersucht. Die Tests in diesem Frühjahr waren Ausnahmen.


Landwirte, die Pflanzkartoffeln aus eigenen Beständen verwenden, werden zurzeit nicht geprüft. Von diesen Flächen könnte sich der Krebs-Pilz unkontrolliert verbreiten.


Derzeit initiiert und beteiligt sich das JKI an vielen Forschungsprojekten. Die Kernziele sind, harmonisierte Biotests und Diagnosemethoden zu entwickeln, um einerseits die Krebsrassen schneller und einfacher zu identifizieren und andererseits die Resistenz der Sorten zügiger zu bewerten. Mehr dazu hier...


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Aggressiver Kartoffelkrebs


Schadbild: Knollen, Stolonen, Blätter und der Stängelgrund zeigen blumenkohlartige Wucherungen. Diese können stecknadel- bis faustgroß werden. Vor allem in nassen Böden gehen sie zur Ernte oft in Fäulnis über. Die Wucherungen entstehen zuerst an den Augen.


Biologie: Beim Zerfall der Krebswucherungen werden Dauersporen freigegeben. Bei 10 bis 20°C und ausreichender Feuchte keimen sie im Frühjahr und entlassen bewegliche Zoosporen. Diese sind nur 1 bis 2 Stunden lebensfähig und verbreiten sich über kurze Distanzen im Bodenwasser. Vorwiegend dringen sie über die Augen in das Kartoffelgewebe ein. Dort regen sie die Zellen zu ständiger Teilung an. Das verursacht die typischen Wucherungen, in denen sich die Sommersporen des Pilzes bilden. Dieser Zyklus kann sich mehrmals wiederholen.


Bekämpfung: Chemisch lässt sich der Pilz nicht beseitigen. Als Quarantäneschädling ist die Bekämpfung über Verordnungen geregelt.


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Vorkommen von Kartoffelkrebs


Entscheidenden Einfluss auf das Krebsauftreten hat das Klima. Die Gefahr eines Befalls ist am höchsten in Gebieten mit jährlichen Niederschlagssummen von über 800 mm, kombiniert mit gemäßigten Sommertemperaturen (Juli: Mittel bis 18°C). Welche Regionen gefährdet sind, zeigt die Übersicht. In den letzten 50 Jahren wurden beim JKI 1420 Befallsherde mit einer Fläche von insgesamt 640 ha registriert.


Besonders in Gebieten mit intensivem Kartoffelanbau, wie z.B. dem Emsland, entwickelt sich die Befallslage zunehmend problematischer. Betroffen sind aber auch Bayern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen.



Die Karte zeigt, in welchen Klimaregionen sich der Erreger wohlfühlt

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