Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

Reaktionen auf EuGH-Urteil

Genome Editing als Gentechnik eingestuft - Stimmen aus Deutschland

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass mit Mutagenesetechnologie manipulierte Pflanzensorten rechtlich als gentechnisch verändert gelten. Damit ist der Einsatz in der EU untersagt.

Lesezeit: 9 Minuten

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit einem Grundsatzurteil am Mittwoch entschieden, dass mit der sogenannten Mutagenesetechnologie wie z.B. CRISPR/Cas manipulierte Pflanzensorten rechtlich als gentechnisch verändert gelten. Damit ist der Einsatz in der EU untersagt.


Das Wichtigste zum Thema Ackerbau dienstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Geklagt hatte ein französischer Bauernverband. Ein französisches Gericht bat daraufhin das EuGH um Hilfe und wollte wissen, wie die europäischen Regeln zur Gentechnik auf bestimmte neue Verfahren anzuwenden sind.


Rukwied: „Europa verpasst den Anschluss“

 

Mit Bedauern reagiert DBV-Präsident Joachim Rukwied: „Europa läuft Gefahr, den Anschluss an andere Weltregionen zu verpassen. Dieses Urteil verbaut uns die notwendigen Möglichkeiten, mit Hilfe der Pflanzenzüchtung die Herausforderungen des Klimawandels zu meistern. Die derzeitige Dürre zeigt uns exemplarisch, dass wir zukünftig beispielsweise trockenheitstolerantere Sorten brauchen.“ Rukwied rief die Politik auf, das EU-Gentechnikrecht jetzt auf seine Zukunftsfähigkeit zu überprüfen.

 

Genome Editingstelle nach derzeitigem Stand der Wissenschaft eine deutliche Verbesserung in Präzision, Effizienz und Kontrollierbarkeit gegenüber bisherigen klassischen Züchtungsverfahren und auch der Gentechnik dar. Die neuen Verfahren könnten dazu beitragen, dass Krankheitsresistenz und Toleranz gegenüber widrigen Umweltbedingungen gefördert wird.


Klöckner: Blick für Innovationen offen halten

 

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sprach sich nach der Verkündung dafür aus, das Urteil sorgfältig auszuwerten. Oberste Maxime müsse dabei der gesundheitliche Verbraucherschutz sein.


„Gleichzeitig will ich den Blick für Entwicklungen und Innovationen offen halten. Denn wir sind nicht allein auf dieser Welt: Vielerorts werden neue Züchtungstechnologien bereits angewandt oder sind unerlässlich, um für eine ausreichende Versorgung beispielsweise mit Getreide zu sorgen. Ich sehe deutliche Herausforderungen: Wir wollen einerseits weniger Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Andererseits gleiche Ernteerträge. Dazu bräuchten wir weitere Möglichkeiten – zum Beispiel schädlingsresistente oder dürreresistente Sorten. Diese Diskussion möchte ich in Europa gemeinsamen mit der Europäischen Kommission und den Mitgliedsstaaten vorantreiben.“


Das Gericht urteilte zudem, dass die Mitgliedstaaten Nutzpflanzen und andere Organismen regulieren dürfen, die mit Hilfe klassischer Mutagenese entwickelt wurden und die keine GVO sind. Dies gilt allerdings nur, wenn die Regeln des EU-Binnenmarktes beachtet werden. „Ich strebe hier, soweit Regelungen erforderlich sein sollten, wegen des EU-Binnenmarkts und des Handels mit Ländern außerhalb der EU eine europäische Lösung an“, so Bundesministerin Klöckner.


OVID: „Keine gute Nachricht für den Agrarstandort Europa“

 

Eine Gefahr für den Standort Europa sieht indes der Verband der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland (OVID). „Damit verlieren wissenschaftliche Bewertungen als Grundlage für rechtliche und politische Entscheidungsprozesse weiter an Bedeutung. Das ist keine gute Nachricht für Pflanzenzüchter, Landwirte und Unternehmen der Wertschöpfungskette. Europa koppelt sich dadurch vom technologischem Züchtungsfortschritt ab, der bereits global beachtliche Erfolge erzielt“, so Jaana Kleinschmit von Lengefeld, Präsidentin von OVID.

 

Ihrer Ansicht nach gerät der freie Agrarhandel, der ohnehin bereits unter zunehmenden tarifären Eingriffen leide, noch mehr unter Druck. Das Urteil erschwere außerdem den Handel mit wichtigen Importrohstoffen für die Agrar- und Ernährungswirtschaft in Europa, da die neuen Verfahren bereits in den USA und weiteren Märkten außerhalb der EU zum Einsatz kommen und dort jeweils einzelfallbezogene Entscheidungen im Hinblick auf artfremden Gentransfer relevant sind. In der Regel wäre solche Importware von konventionell erzeugten Produkten nicht zu unterscheiden und Rückschlüsse auf die angewandte Züchtungsmethode im Nachhinein nicht möglich, so Kleinschmit von Lengefeld.

 

Entgegen dem EuGH-Urteil hätten bereits 2012 das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sowie das Joint Research Centre, ein wissenschaftliches Beratergremium der EU-Kommission, bestätigt, dass die neuen Züchtungsmethoden in den meisten Fällen nicht der Gentechnik zuzuordnen sind.


FDP: Deutschland und Europa entgehen Chancen


„Das Urteil ist bedauerlich, denn damit entgehen Deutschland und Europa insbesondere in der Landwirtschaft Chancen", meint Mario Brandenburg von der FDP-Fraktion. Mit dem neuen Verfahren könnten beispielsweise Pflanzen gezüchtet werden, die widerstandsfähiger gegenüber Klimaveränderungen oder Krankheiten sind. "Davon profitieren alle, auch die Verbraucher. Dabei sind mögliche Risiken nicht größer als bei herkömmlichen Züchtungsmethoden. Zukunftstechnologien wie das CRISPR-Verfahren müssen ideologiefrei bewertet werden, sonst hängen sich Deutschland und Europa vom Fortschritt ab. Wir sollten sie zuvorderst als Chancen begreifen, die wir fördern müssen.“


CDU/CSU: Wie gehen wir künftig mit neuen Züchtungsmethoden um?

 

„Wir dürfen uns dem Innovationspotenzial im Pflanzenbau in Europa nicht verschließen“, meint auch der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann. Er ist  - wie viele Befürworter – der Ansicht, dass die neuen Züchtungstechnologien zur Bewältigung von vielen globalen Herausforderungen maßgeblich beitragen können - beispielsweise um Pflanzen widerstandsfähiger gegen extreme Wetterereignisse wie die anhaltende Trockenheit zu machen oder Ernteerträge zu steigern. „Wir müssen uns auf europäischer Ebene darauf verständigen, wie wir zukünftig mit den neuen Züchtungstechnologien umgehen wollen.“

Und der zuständige Berichterstatter Kees de Vries ergänzt: „Für Deutschland und Europa als Wissensstandort bedeutet die Nutzung der neuen Züchtungstechnologien vielversprechende Chancen, insbesondere im Bereich der landwirtschaftlichen Nutzpflanzen. Deshalb ist es notwendig, auf diesem wichtigen Zukunftsmarkt nicht den Anschluss zu verlieren.“



Ebner erfreut


Zufrieden mit dem Urteil ist dagegen Harald Ebner von den Grünen. Das Vorsorgeprinzip und die Wahlfreiheit für die Verbraucher seien nun gewährleistet. „Das europäische Erfolgsmodell ist Gentechnikfreiheit und nicht Gentechnik.“

 

Dass es sich bei technischen Eingriffen ins Erbgut wie beispielsweise mit der Genschere CRISPR um Gentechnik handelt, liegt seiner Meinung nach auf der Hand. „Wenn es jemals eine Gentechnik gab, dann diese. Die CRISPR-Erfinderin Emanuelle Charpentier hat selbst eine „strenge Regulierung“ dieser „mächtigen Technologie“ gefordert“, sagte Ebner weiter-

 

Neue Studien hätten bisher „übersehene“ ungewollte CRISPR-Nebenwirkungen entdeckt. Die oft bemühte Legende von den „im Endprodukt nicht nachweisbaren Veränderungen“ sei inzwischen widerlegt.


BUND: EU muss nun Nachweisverfahren schaffen


Und der BUND stellt klar: "Das Urteil rückt die Bestrebungen jener Wissenschaftler und Behörden gerade, die die neue Gentechnik ungeprüft und ungekennzeichnet auf den Markt bringen wollten. Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag versprochen, dass sie bezüglich der Gentechnik Wahlfreiheit garantiert, jetzt hat sie mit dem EuGH-Urteil Rückenwind, dies umgehend umzusetzen", sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.


Die EU-Kommission müsse nun die Gentechnikunternehmen verpflichten, Nachweisverfahren zur Verfügung zu stellen, so dass die Wahlfreiheit von Verbrauchern, Züchtern, Bauern und Lebensmittelherstellern garantiert werden kann, meint Weiger.


BÖLW: "gentechnik ist Gentechnik!"


Für Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bio-Spitzenverbands Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), hat das Gericht bekräftigt, was eigentlich schon immer klar gewesen sei. "Dass nämlich auch die tiefen technischen Eingriffe in das Erbgut von Lebewesen mit einer Gentechnik-Schere als Gentechnik eingestuft und reguliert werden müssen. Was aus dem Urteil folgen muss, ist klar: Die Bundesregierung muss gewährleisten, dass die gesetzlich vorgeschriebene Regulierung und Kennzeichnung für die neuen Gentechniken voll-umfänglich umgesetzt werden."


Bundesministerin Julia Klöckner müsse nun in Berlin und Brüssel darauf dringen, dass die Unternehmen für Verfahren wie CRISPR und Co. Referenzmaterial und Nachweisverfahren liefern müssen. Schließlich dürften die neuen Gentechnik-Organismen Europas Landwirten oder Verbrauchen nicht einfach untergejubelt werden, wenn zum Beispiel Saatgut aus Ländern außerhalb Europas importiert wird.


VLOG und AbL: Wegweisendes Urteil


Von einem wegweisenden und klugen Urteil sprach der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik e.V. (VLOG). "Verbraucher können sich auch in Zukunft sicher sein, dass Lebensmittel, die das ‚Ohne GenTechnik‘-Siegel tragen keine gentechnisch veränderten Pflanzen enthalten und bei der Herstellung von Milch, Eier und Fleisch mit "Ohne GenTechnik"-Siegel auf Gentechnik-Pflanzen im Tierfutter verzichtet wurde – egal ob es sich dabei um die neue oder alte Gentechnik handelt", sagte VLOG-Geschäftsführer, Alexander Hissting.


Das sieht auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) so. „Wir haben uns – egal ob konventionell oder biologisch wirtschaftend - einen großen Wettbewerbsvorteil und das Vertrauen der Bürger erobert, dadurch, dass wir auf die gentechnikfreie Erzeugung ­setzen und uns dafür in unseren Regionen stark machen. Dies wollen wir nicht durch neue Gentechnik-Verfahren aufs Spiel setzen“, sagte der Bundesvorsitzende Martin Schulz.

 

Würden die neuen Techniken nicht als Gentechnik reguliert, würde dies dem Vorsorgeprinzip zuwiderlaufen, argumentierte der EuGH. Für Schulz stärkt er damit das Vorsorgeprinzip und stellt es klar vor die Profitinteressen der Gentechnik-Konzerne. „Die neuen Gentechnik-Verfahren versprechen enorme Profite, die sich v.a. die Konzerne schon jetzt durch Patentanmeldungen sichern. Schutz für Gesundheit, Umwelt und die gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung müssen aber Vorrang haben.“


Kirsten Tackmann, Agrarsprecherin der Linken, erneuerte unterdessen ihre Forderung nach  transparenteren, unabhängigen und alle potenziellen Gefahren erfassenden Zulassungsverfahren. "Gefährliche Pflanzen dürfen nicht zugelassen, gesundheitliche oder ökologische Risiken müssen ausgeschlossen werden. Biopatente sind zu verbieten.“


Umweltinstitut München: Wissenschaftliche Fakten haben gesiegt


Der europäische Gerichtshof hat laut Sophia Guttenberger, Referentin für Gentechnik beim Umweltinstitut München, sein Urteil auf Basis wissenschaftlicher Fakten gefällt. "Die Behauptung von Agrarkonzernen und industriefreundlichen Behörden, die neuen Verfahren seien gar nicht als Gentechnik anzusehen, wurde damit vom EuGH zurückgewiesen", so die Umweltschützerin.



Sie verweist auf die unabhängige Wissenschaft, die seit Langem warne, dass der Einsatz der neuen Gentechnikmethoden ungeahnte Risiken für Gesundheit und Umwelt birge. „Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass das Gericht mit seinem Urteil das in der EU herrschende Vorsorgeprinzip gestärkt hat.“



In dem Urteil sei aber auch eine wichtige politische Botschaft enthalten: „Das System der industriellen Landwirtschaft mit riesigen Monokulturen und pestizidresistenten Designerpflanzen hat in Europa erst einmal einen Dämpfer erhalten. Das stärkt die bäuerliche Landwirtschaft, die auf natürliche Züchtung und angepasste Sorten setzt“, freut sich Guttenberger.







 

Mehr zu dem Thema

top + Top informiert in die Maisaussaat starten

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.