Ertragreicher Ackerbau bei gleichzeitigem Schutz von Boden, Wasser, Luft und Biodiversität. Ist das nur ein Wunschtraum oder sind wir bereits auf einem guten Weg? Das war die zentrale Frage der neuen Gesprächsreihe „Landwirtschaft im Dialog“, die top agrar gestern in Berlin startete.
Die Antwort lautet: Die Probleme sind erkannt, über die richtigen Instrumente und das notwendige Timing wird noch gestritten. Gute und tragfähige Lösungen sind vor allem dann zu erwarten, wenn Landwirtschaft, Naturschutz, Wissenschaft und Politik gemeinsam darum ringen, jede Seite auf Maximalforderungen verzichtet und nur die Qualität der Argumente zählt. „Dafür will ‚Landwirtschaft im Dialog‘ einen Rahmen bieten“, sagte Gastgeber und Moderator top agrar Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals.
Dass ein Umdenken im Ackerbau erforderlich ist, macht Bundesumweltministerin Svenja Schulze gleich zu Beginn in ihrem Impulsreferat deutlich. Die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft sinkt nachweislich weiter“, so die Ministerin. Zudem zeigten Studien, dass die in der Landwirtschaft entstehenden Ammoniakemissionen viel zu hoch sind. Auch auf die Nitratproblematik machte sie aufmerksam.
Förderung auf zukunftsfähige Beine stellen
Notwendig sei eine Umgestaltung der EU-Förderung. Ihre Kernbotschaften: Mehr Geld für Betriebe, die mehr Umweltleistungen erbringen als andere. „Deshalb dürfen Finanzmittel für die zweite Säule der EU-Agrarpolitik nicht gekürzt werden. Wir brauchen mehr Geld für diese Maßnahmen“, forderte Schulze.
Vor allem die Förderung der Biodiversität hält Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbundes, für stark unterfinanziert. „Naturschutz und Landwirtschaft konkurrieren um gleiche Fläche. Die Landwirte müssen für ihre Naturschutzleistungen angemessen honoriert werden“, sagte Tschimpke. Deshalb forderten der Nabu und anderen Umweltverbände einen eigenständigen EU-Naturschutzfond mit 15 Mrd. € Finanzausstattung, Leider gebe es dafür EU-weit keine Mehrheit.
Davon hält Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands wenig. Für mehr Artenvielfalt sei es besser, das bestehende Greening und die Agrarumweltmaßnahmen weiterzuentwickeln. „Diese Instrumente haben noch viel mehr Potenzial“, so Krüsken. Handlungsbedarf sieht auch Prof. Teja Tscharnke von der Universität Göttingen. „Für mehr Arten brauchen wir mehr Strukturelemente und keine ausgeräumten Landschaften“, erklärt der Wissenschaftler. Notwendig – da waren sich die Experten einig – ist es, den Erfolg dieser Maßnahmen auf die Artenvielfalt zu messen. „Das tun wir auf unseren Forward Farms“, erläuterte Helmut Schramm, Geschäftsführer Bayer CropScience Deutschland. Wir entwickeln und erproben dort neue Ansätze zur Erhöhung der Artenvielfalt und präsentieren diese den Landwirten. Dabei zeigt sich, dass intensiver Ackerbau und eine Erhöhung der Biodiversität gemeinsam möglich sind“, ist Schramm überzeugt.
Welchen Beitrag liefert die Züchtung?
Um den Ackerbau nachhaltiger zu gestalten, spielt auch die Züchtung weniger krankheits- oder trockenheitsanfälliger Sorten eine Rolle. Die Einstufung neuer Züchtungsverfahren wie Crispr/Cas als Gentechnik verhindere schnelle Zuchtfortschritte, bemängeln Krüsken und Schramm gleichermaßen. Anders sieht das die Bundesumweltministerin: Nach Prüfung des EuGH sei klar, dass es sich um Gentechnik handelt und die strenge Risikovorsorge gilt. Olaf Tschimpke verwies darauf, dass die Züchter auch über klassische Zuchtverfahren noch große Potenziale haben, zum Beispiel die Krankheitsanfälligkeit oder Dürretoleranz vorhandener Nutzpflanzen zu verbessern.
Ist Ökolandbau die Lösung?
Welche Lösungspotenziale eine stärkere Umstellung auf Ökolandbau für mehr Nachhaltigkeit im Ackerbau bietet, beurteilen die Experten unterschiedlich. „Der Markt ist nicht unbegrenzt aufnahmefähig“, sieht Krüsken Marktrisiken bei größeren Umstiegswellen. Zudem habe der Wissenschaftliche Beirat festgestellt, dass der Ökolandbau nicht per se das Klima verbessere. Das bestätigt Prof. Dr. Matin Qaim von der Universität Göttingen. „Ökologischer und konventioneller Landbau sind von den Klima- und Umwelteffekten fast ähnlich zu beurteilen, wenn man die niedrigeren Erträge pro ha des ökologischen Anbaus mit einbezieht“, so Qaim. Daher ließe sich nicht grundsätzlich sagen, dass der Ökolandbau global die nachhaltigere Alternative sei.
Nur bezogen auf Pflanzenschutz und Düngung hält Ökolandwirt Stefan Palme vom Gut Wilmersdorf im Norden Brandenburgs den ökologischen Anbau dennoch für nachhaltiger, da es sich dabei um geschlossene Kreisläufe handele. Weil laut FAO zurzeit weltweit für 12 Mrd. Menschen Kalorien produziert werden, gebe es laut Palme auch kein Versorgungsproblem – problematisch sei aber die Verteilung der Nahrungsmittel und vor allem die Lebensmittelverschwendung.
„Die komplexen Herausforderungen im Ackerbau lassen sich nur meistern, wenn alle Beteiligten gemeinsam an Lösungen erarbeiten. Wir brauchen mehr Dialog und weniger Konfrontation. Dafür muss es zwischen den Beteiligten eine tragfähige Vertrauensbasis geben. Diese aufzubauen, daran müssen alle arbeiten, Politik, Landwirtschaft, Naturschutz und Wissenschaft.“ Mit diesen Worten schloss Schulze Pals den ersten „Dialog Landwirtschaft“.
Das Video zur Veranstaltung finden Sie hier: