Das umfassende Verbot von Neonikotinoiden in der Beizung stößt in der Saatgutwirtschaft auf Unverständnis. Der Vorsitzende des Bundesverbandes der VO-Firmen (BVO), Jörg Hartmann, äußerte kürzlich seine Enttäuschung bezüglich der rigorosen Entscheidung gegen den Wirkstoff in der Raps- und Zuckerrübenbeizung. Er vermisst in diesem Zusammenhang gänzlich die politische Würdigung der langjährigen Anstrengungen der Branche bei der Risikominimierung in der Beizmittelanwendung.
Laut Hartmanns Worten haben die Akteure in der Saatgutkette seit dem im Jahr 2008 durch Beizstäube verursachten Bienensterben im Rheingraben erhebliche Anstrengungen unternommen, solche Vorfälle zu vermeiden. Die Branche habe in Eigeninitiative in staubarme Beiztechnik, Zertifizierung und Dokumentation investiert und gemeinsam mit der Landwirtschaft wesentliche Fortschritte beim Insektenschutz auf dem Feld erzielt.
Diese freiwilligen Maßnahmen, die nicht zuletzt mit höheren Saatgutpreisen einhergegangen seien, hätten aber offenbar bei der politischen Entscheidungsfindung keine Rolle gespielt, monierte der BVO-Vorsitzende. Hartmann fragte sich daher am Rande des vom BVO in Magdeburg veranstalteten Saatguthandelstages, ob die von der Saatgutwirtschaft in gutem Glauben aufgewendeten Mittel in den vergangenen zehn Jahren nicht besser anderweitig investiert worden wären, da ein Verbot der neonikotinoiden Beizung anscheinend so oder so gekommen wäre.
Vor diesem Hintergrund forderte der Verbandsvorsitzende die Politik auf, künftig für klare Rahmenbedingungen zu sorgen, was die Anwendbarkeit von Pflanzenschutzmitteln im Saatgutwesen angeht. Die Zulassung von Wirkstoffen müsse sich wieder stärker an fachlichen Kriterien orientieren und langfristige Sicherheit bieten; gleichzeitig müsse die Forschung an alternativen Beizmethoden unterstützt werden.
Saatgutmarkt intransparent
Mit Blick auf die schwierige Saatgutversorgung im Frühjahr plädierte Verbandsgeschäftsführer Martin Courbier für ein effizienteres Saatgutmanagement. Courbier wies darauf hin, dass schwierige Ernte- und Aussaatbedingungen im Herbst 2018 in diesem Frühjahr zu einer größeren Nachfrage nach Sommersaatgut bei gleichzeitig regionaler Knappheit geführt hätten.
Ihm zufolge gibt es zwar grundsätzlich funktionierende Mechanismen, mit solchen Situationen umzugehen. Beispielsweise sei von den zuständigen Aufsichtsbehörden die vorgeschriebene Mindestkeimfähigkeit für bestimmte Getreidearten abgesenkt worden. Die dafür notwendigen langwierigen verwaltungstechnischen Prozesse von bis zu zehn Wochen und ein intransparenter Saatgutmarkt erschwerten die Versorgung in Mangeljahren jedoch zusätzlich.
Um ähnlichen Problemen wie in diesem Frühjahr vorzubeugen, schlägt der BVO-Geschäftsführer die Schaffung einer „Live-Datenbank“ vor, die von den Saatgutanerkennungsstellen der Länder oder der Wirtschaft gespeist wird und die aktuelle Informationen auflistet, so zum Beispiel die anerkannten und aberkannten Mengen an Saatgut. Ein transparenterer Saatgutmarkt und die dadurch ermöglichten schnelleren Entscheidungsprozesse könnten helfen, mit Engpässen am Saatgutmarkt effizienter umzugehen, erläuterte Courbier.