Der Gesetzgeber sollte den Anbau von Biomasse für die Biogasproduktion in Deutschland nicht länger fördern. Denn dieser führe dazu, dass in erheblichem Maße Pflanzen für die Ernährung Deutschlands in anderen Ländern angebaut werden müssten. Das würde die Biomasse weltweit verknappen und den Preis erhöhen. So lautet das Fazit des ersten Tages der Fachtagung „Energie, Ernährung und Gesellschaft – Die Rolle der Biomasse im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung“, zu der gestern an der Universität Göttingen Agrar-Ökonomen aus ganz Deutschland ihre Thesen vortrugen.
„Biomasse sollte der menschlichen Ernährung vorbehalten sein, es ist gefährlich und hat erhebliche Nebenwirkungen auf den Weltagrarmärkten, wenn wir auf Anbaubiomasse zur Energieerzeugung setzen“, warnt beispielsweise Prof. Harald Grethe von der Universität Hohenheim. Die Märkte seien begrenzt. Wenn sich die Preise auf den Weltagrarmärkten erhöhen, schlage das direkt auf die Entwicklungsländer durch.
Prof. Hans Ruppert vom Interdisziplinären Zentrum für nachhaltige Entwicklung (IZNE) der Universität Göttingen hält die Aussage der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe für falsch, wir könnten in Deutschland die Fläche für Energiepflanzen von derzeit 2 Mio. ha auf 4 Mio. ha verdoppeln. „Wir haben bald weltweit nur noch 0,2 ha pro Person für die Ernährung zur Verfügung. Nach dieser Rechnung dürften wir in Deutschland überhaupt keine Energiepflanzen anbauen“, meint er.
Die Auswirkungen der Bioenergie auf die Weltagrarmärkte hält Prof. Harald von Witzke von der Humboldt-Universität Berlin dagegen für überschätzt. „Die wichtigsten Treiber des Preisanstiegs der Agrarprodukte im Jahr 2007/2008 waren der Ölpreis und der Anstieg der Transportkosten“, lautet seine Analyse.
Dr. Marianne Karpenstein-Machan vom IZNE sprach sich dafür aus, für die Biogasproduktion verstärkt Dauerkulturen wie Silphie oder Sida anzubauen, vor allem auf Sandböden, erosionsgefährdeten Flächen oder Niedermoorstandorten. Dauerkulturen können den Humusabbau und Erosionen hemmen. Zudem dienen Blühpflanzen wie Silphie oder Sida als Bienenweide. Wie Versuche des IZNE zeigen, lag der Ertrag von Silphie im ersten Erntejahr bei 13,5 t TS /ha, im zweiten Jahr bei 13,6 t TS. „Damit sich Dauerkulturen stärker durchsetzen, brauchen wir eine Förderung“, fordert die Wissenschaftlerin. Damit könne auch der Maisanbau in problematischen Landkreisen in Deutschland reduziert werden. (Hinrich Neumann)