Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

News

Biokraftstoffkongress: Heftige Kritik an Plänen der EU

Verschiedene Vertreter von Verbänden und Wirtschaft kritisierten gestern auf dem Internationalen Kongress „Kraftstoffe der Zukunft“ in Berlin die Entscheidungen von EU-Kommission und Parlament zur Abschaffung der konventionellen Biokraftstoffe.

Lesezeit: 5 Minuten

Und jährlich grüßt die EU-Administration: Wieder einmal hat auf dem Internationalen Fachkongress „Kraftstoffe der Zukunft“ in Berlin ein EU-Politiker erfolglos versucht, die Entscheidungen der EU gegen Biokraftstoffe der „Ersten Generation“ zu verteidigen. Stand im Jahr 2017 Bernd Küpker von der Generaldirektion Energie (DG Energy) der EU-Kommission im Kreuzfeuer, war es dieses Mal der niederländische Grünen-Politiker Bas Eickhout vom Europäischen Parlament. Eickhout versuchte den rund 500 Kongressteilnehmern gestern (22. Januar 2018) auf dem Kongress am Rande der Grünen Woche in Berlin deutlich zu machen, warum nach der Kommission auch das Parlament Biokraftstoffe aus Anbaumasse kritisch sieht. „Wir wollen wegen der Nahrungsmittelkonkurrenz in der indirekten Landnutzungsänderungen den Anbau von nahrungsmittelbasierten Kraftstoffen nicht weiter ausdehnen“, erklärte der Politiker. Das Parlament hatte erst in der vergangenen Woche zur Neufassung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II) beschlossen, dass der Anteil erneuerbarer Energien im Verkehrssektor in 2030 mindestens 12 Prozent betragen soll. Dabei sollen Biokraftstoffe aus Rest- und Abfallstoffen einen Anteil von 10 Prozent haben. Für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse wie Biodiesel oder Bioethanol bleibt somit ein maximaler Anteil von 2 Prozent.


Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Raps als Rohstoff soll auslaufen



Eickhout sieht daher z.B. Raps als Rohstoff für die Biokraftstoffproduktion mittelfristig auslaufen. „Der Prozess wird sich aber über Jahre erstrecken, sodass die Landwirte die Möglichkeit haben, sich darauf einzustellen“, sagte er in der teilweise hitzig geführten Diskussionsrunde.


„Die Beschlüsse würden schon in den nächsten Jahren einen Absatzrückgang bei den Biokraftstoffen bedeuten. Denn bei den verbleibenden zwei Prozent stehen Biokraftstoffe auch noch in Konkurrenz zu strombasierten Kraftstoffen und anderen Alternativen“, betone Arthur Auernhammer, Bundestagsabgeordneter der CSU und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes BioEnergie, einem der Veranstalter des Kongresses.


Viele Referenten des ersten Kongresstages betonten, dass es fahrlässig sei, heute auf etablierte Biokraftstoffe zu verzichten, ohne dass in absehbarer Zukunft marktreife Alternativen gäbe. Auch die Elektromobilität ist mit einem Anteil von unter 1 % am deutschen Kraftstoffmarkt noch eine Nische.


Daher sind die Herausforderungen enorm: Wie Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, verdeutlichte, wird der Individualverkehr in den nächsten Jahren um 11 % steigen, der Güterverkehr um 33 %. „Die Zunahme des Verkehrs ist so stark, dass das Einsparungen aufgrund effizienterer Motoren schnell wieder auffrisst. Dadurch bleiben die Treibhausgasemissionen im Verkehr in Deutschland seit Jahren konstant“, erklärte Bomba. Um die Klimaziele bis 2030 einhalten zu können (Einsparung von 40 bis 45 % der THG-Emissionen), müsse Deutschland deutlich mehr machen. Dazu gehörten laut Bomba neben Elektrofahrzeugen und Wasserstoff auch Biokraftstoffe.


Fortschrittliche Biokraftstoffe nicht in Sicht


Auch vor diesem Hintergrund bleibt die Entscheidung des EU-Parlaments umstritten. Die Frage, die im Raum steht: Wie soll Europa in den nächsten 30 Jahren auf fossile Treibstoffe verzichten, die selbst im Jahr 2030 noch einen Anteil von 88 % haben dürfen? „Um das Ziel im Jahr 2030 mit zehn Prozent fortschrittlichen Biokraftstoffen zu erreichen, müsste die Industrie jährlich 900 Mio. € investieren. Aber dafür ist das Vertrauen der Investoren nicht da“, sagte Elmar Baumann, Geschäftsführer des Verbandes der Biokraftstoffindustrie (VDB). Der Verband fordert daher eine Ausweitung des Anteils herkömmlicher Biokraftstoffe von 2 auf 4 %.


Ein weiterer Kritikpunkt sind Mehrfachanrechnungen. So soll eine Kilowattstunde Strom, die im Verkehr eingesetzt wird, fünffach angerechnet werden können. „Ein Unternehmen, dass Elektrofahrzeuge einsetzt, könnte für jeden Kilowattstunde ein Zertifikat über fünf Kilowattstunden an Mineralölkonzerne verkaufen. Diese bräuchten dann keine Biokraftstoffe, um auf dem Papier zu Treibhauseinsparungen zu kommen“, kritisiert Dietrich Klein, Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Bioethanolwirtschaft. Diese Möglichkeit zur Mehrfachanrechnung behindere den Klimaschutz.


Eiweißstrategie der EU in Gefahr


„Auch wir werden von allen Seiten behindert, der Markt für Biomethan als Kraftstoff bricht weiter ein“, ergänzt Sandra Rostek vom Fachverband Biogas. Was Stephan Arens, Geschäftsführer der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (UFOP) verwundert: Bei der Ausgestaltung der europäischen Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II) spielen die angeblichen, aber nicht nachgewiesenen indirekten Landnutzungsänderungen (Indirect Landuse-Change, kurz: ILUC) eine große Rolle. Danach müssten in anderen Ländern z.B. Urwälder gerodet werden, um Nahrungsmittel zu produzieren, weil EU-Landwirte Raps für die Biodieselproduktion  anbauen. „Aber es scheint keine Rolle zu spielen, dass in Südamerika der Sojaanbau ausgeweitet werden muss, wenn bei uns Rapsschrot als heimisches, GVO-freies Eiweißfutter wegfällt“, so Arens. „Wir wollen mit Biokraftstoffen die heimische Eiweißproduktion stützen. Der jetzt erzielte Beschluss könnte den ganzen Sektor aber zerstören“, ist auch Marijana Petir überzeugt. Die Politikerin der Kroatischen Bauernpartei ist ebenfalls Mitglied des Europäischen Parlaments. Ihre Fraktion der Europäischen Volkspartei hätte Biokraftstoffe weiter fördern wollen, konnte sich aber nicht gegen die Grünen und Sozialisten im Parlament durchsetzen. 


Noch ist nichts in trockenen Tüchern. Jetzt stehen im Trilogverfahren Diskussionen zwischen Rat, Parlament und Kommission auf EU-Ebene an, die sich über die nächsten zehn Monate erstrecken können, wie Eickhout mitteilt. Er wird dort als Berichterstatter des Parlaments die Position zu Biokraftstoffen vertreten. Diese Zeit will die Branche nutzen, um doch noch eine Abschaffung der herkömmlichen Biokraftstoffe zu verhindern. Unterdessen bleibt spannend, welcher EU-Vertreter im Jahr 2019 welche Botschaft in Berlin auf dem Kongress verkünden wird!


Der Kongress "Kraftstoffe der Zukunft" findet noch heute (23.01.2018) im CityCube in Berlin statt.

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.