Die Niederlande wollen bis zum Jahr 2030 aus der Förderung von Erdgas aussteigen. Ausschlaggebend für die Entscheidung war das Erdbeben am 8. Januar in Zeerijp, 40 Kilometer entfernt von der deutschen Grenze, berichtet die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) aus Berlin in ihrem aktuellen Newsletter „Renews“.
Das Beben der Stärke 3,4 auf der Richterskala war das stärkste seit fünf Jahren in der Region. Da aufgrund der Erdgasförderung der Druck in der Sandsteinschicht nachlässt, werden die Gesteinsschichten zusammengequetscht, was zu den Erdbeben führt, so die AEE. Seit 1986 gab es in der Region mehr als 1.000 Beben.
Bevölkerung protestierte gegen Erdgasförderung
Die Stimmen der einheimischen Bevölkerung, die Erdgasförderung in der Region Groningen zu beenden, fanden nach Jahren des Protests Gehör. Nicht zuletzt, da die Bergaufsicht Warnstufe Rot ausrief und „eine erhebliche Produktionsreduktion“ empfahl.
Bis spätestens 2022 soll die Förderung in der Region annähernd halbiert werden. Ein sofortiger Ausstieg sei nicht möglich, da die niederländische Regierung langfristige Lieferverträge mit Deutschland, Frankreich und Belgien abgeschlossen habe, so die AEE.
Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums bezog Deutschland im Jahr 2016 fast ein Drittel seines Erdgases aus der Region Groningen. Rund 5 Millionen deutsche Haushalte sind von dem niederländischen L-Gas (Low calorific gas) abhängig, das einen geringeren Methangehalt als H-Gas (High calorific gas) hat. In den Niederlanden selbst heizen 90 Prozent aller Haushalte mit dem Erdgas. Da zahlreiche Heizungen nur mit L-Gas funktionieren, stehen kostspielige Umrüstungen an.
Auch der Bau einer Stickstoffanlage für eine halbe Milliarde Euro stehe zur Debatte, die importiertes H-Gas für einen problemlosen Gebrauch in L-Gasheizungen umwandeln könne. Aufgrund der hohen Kosten und der Fertigstellung der Anlage bis 2022 stehe der Plan in der Kritik. Denn die Anlage wäre wegen der Energiewende möglicherweise nur wenige Jahre im Einsatz.
Wichtige Einnahmequelle fällt weg
Mit der Stilllegung könnte der niederländische Staat eine bedeutende Einnahmequelle verlieren. So nahm er seit den 1960er Jahren fast 300 Milliarden Euro ein. Mit dem Geld wurde überwiegend der Ausbau des Sozialstaats finanziert. Das Erdgasfeld in der Region Groningen wurde im Jahr 1959 entdeckt. Es gilt aufgrund seiner gefundenen Reserven von 2,8 Billionen Kubikmetern (900 Quadratkilometer groß und bis zu 300 Meter dick) als eines der größten der Welt. Im vergangenen Jahr wurden 23,6 Milliarden Kubikmeter gefördert. Die Niederlande sind innerhalb der Europäischen Union der größte Erdgasproduzent und -exporteur, heißt es in den „Renews“.
Umstrittene Fracking-Bohrungen
Vor fünf Jahren erwogen die Niederlande in der Grenzregion zu Deutschland Fracking-Bohrungen durchzuführen. Beim Fracking wird in drei Kilometern Tiefe ein Gemisch aus Chemikalien, Wasser und Sand mit Hochdruck in Schiefer-, Ton, Mergel- oder Kohleflözgestein gepresst. Bei diesem Vorgang wird Gestein aufgespalten, das darin enthaltene Erdgas kann gefördert werden. Die niederländische Regierung nahm Abstand von dem Plan, da es unter anderem Proteste der Landesregierungen Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens gab. Das Fracking-Verfahren steht aufgrund seiner Umweltfolgen in der Kritik. Anfang Mai wurde bekannt, dass Niedersachsen Fracking-Bohrungen auf eigenem Gebiet nicht mehr ausschließt.