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PR -Berater erstellen Vermarkungskonzept für neuen Stroh-Schweinestall

„Ich frage mich ernsthaft: Steht der Verbraucher noch hinter uns? Will er diese Form der Tierhaltung noch? Müssen wir die Wünsche der Bevölkerung nach mehr Tierwohl künftig viel stärker berücksichtigen? Und müssen wir unsere Nutztiere wieder mehr wertschätzen?

Lesezeit: 10 Minuten

„Ich frage mich ernsthaft: Steht der Verbraucher noch hinter uns? Will er diese Form der Tierhaltung noch? Müssen wir die Wünsche der Bevölkerung nach mehr Tierwohl künftig viel stärker berücksichtigen? Und müssen wir unsere Nutztiere wieder mehr wertschätzen?“ Das fragte sich Schweinehalterin Diana Marklewitz (41) aus Lüchow im Wendland (Niedersachsen) im Herbst 2016, als sie sich für die top agrar-Aktion „Starke Bauern. Starkes Image“ bewarb.



Sie wollte einen neuen Tierwohlstall bauen, allerdings fehlte noch ein professionelles Konzept, mit dem sie den Verkauf der Tiere ankurbeln konnte. Von da an unterstützten sie top agrar und die Marketingagentur „Die Jäger“ im Rahmen des einmaligen Projekts.


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Marklewitz erklärte den Beratern, einen Maststall bauen zu wollen, der in der Bevölkerung gut ankommt, mit dem das Familieneinkommen gesichert ist und der arbeitswirtschaftlich nicht überfordert. Ihr Konzept sah so aus:

  • Jedem Mastschwein sollen 1,5 m2 Fläche zur Verfügung stehen, doppelt soviel wie gesetzlich vorgeschrieben.
  • In allen Buchten soll veränderbares Beschäftigungsmaterial liegen.
  • Jede Mastbucht ist in drei Funktionsbereiche unterteilt: Liegen/Ruhen, Fressen/Aktivität, Koten.
  • Alle Mastschweine sollen Zugang zu einem Außenauslauf bekommen.
Für so einen teuren Stall ist allerdings ein Vermarktungskonzept notwendig, das den Mehraufwand honoriert, wusste sie. „Doch wie kann dieses aussehen? Wen fragen wir, wer kauft unsere Schweine? Und wer zahlt mehr Geld dafür?“, fragte Diana Marklewitz die Berater.


Zunächst hatte sie es auf eigene Faust probiert und bei einem großen deutschen Lebensmittelhändler angeklopft. Das Interesse war jedoch gleich Null. Die Menge von rund 360 t Schweinefleisch pro Jahr sei einfach zu klein, hieß es. Bei anderen Abnehmern war es nicht besser. Marklewitz war enttäuscht und niedergeschlagen. Ihre Tierwohl-Schweine wollte niemand haben.


Anfang Dezember 2016 startete dann der Bau eines Schweinemaststalls nach Tierwohl-Richtlinien.


Schritt 1: Die SWOT-Analyse


Um den IST-Zustand zu bestimmen und die zukünftige Strategie für den Betrieb von Diana Marklewitz festzulegen, führten top agrar und die Jäger eine SWOT-Analyse durch. Hierbei werden derzeitige Stärken (strengths) und Schwächen (weaknesses) sowie zukünftige Chancen (opportunities) und Risiken (threats) des Hofs genau betrachtet. Aus den Erkenntnissen ließen sich konkrete Ziele für den Familienbetrieb ableiten, die es zukünftig mithilfe eines maßgeschneiderten Kommunikationskonzeptes zu erreichen gilt.


Bei unserem Besuch lernten wir Diana Marklewitz als „Machertyp“ kennen. Sie ist eine authentische, dynamische Betriebsleiterin, die ihre Zukunftsvisionen engagiert und zielstrebig vorantreibt. Sie ist gut im Dorf integriert, nimmt die Bedenken der Bevölkerung gegenüber der Schweinehaltung ernst und reflektiert dabei selbstkritisch. Durch die Auslagerung des neuen Stalls kommt es im Dorf zu keinerlei Geruchsbelästigungen.


Die „Macher“-Art von Diana Marklewitz kann sich allerdings nach Ansicht der Berater negativ auswirken, wenn sie ihre Vorhaben mit zu großer Selbstsicherheit angeht. In Bezug auf die Vermarktung des artgerechten Schweinefleischs der Landwirtin gab es zwei Herausforderungen zu bewältigen: Einerseits ist die Schweinehaltung nach Tierwohl-Prinzip in der Gesellschaft kaum bekannt, was das Vorhaben der Landwirtin bremsen könnte. Andererseits liegt der Betrieb eine Stunde Autofahrt entfernt von Hamburg und Lübeck, wodurch sich eine Direktvermarktung der Produkte schwierig gestaltet.


Als Risiko definierten die Fachleute, dass es evt. nicht gelingen könnte, Abnehmer für die Produkte zu finden. Die Tierwohl-Haltung wird in der Gesellschaft zudem kaum honoriert oder akzeptiert, da viele Mitbürger das Vorhaben von Diana Marklewitz als nicht tierfreundlich genug empfinden. Ein Tenor hierzu lautet: „Ihr Stall ist nur ein Alibistall für mehr Tierwohl, weil die Schweine weiterhin auf Spalten liegen müssen.“


Aus der Analyse des Betriebs konnten top agrar und die Jäger anschließend vier konkrete Ziele ableiten, auf die das Kommunikationskonzept zukünftig einzahlen soll. Zunächst sollte sich Diana Marklewitz auf die Akquise von Abnehmern fokussieren, die die gleiche Überzeugung leben. Um ein nachhaltiges Bewusstsein für die Tierwohl-Haltung zu schaffen, müssen dessen Besonderheiten stärker an Endverbraucher kommuniziert werden. So kann Diana Marklewitz zeigen, dass Landwirte heute bereit sind, umzudenken. Die Gesellschaft muss sehen, dass auch aus konventionellen Mastställen mit Spaltenboden und Zwangslüftung eine tierfreundliche Alternative geschaffen werden kann. Übergeordnetes Ziel für die Landwirtin ist es, Gewissheit für die Zukunft zu haben und dabei anderen Landwirten als Vorbild zu dienen.


Schritt 2: Kommunikation starten (Februar 2017)


Während des Stallbaus galt es, die Vorzüge des Fleischs zu kommunizieren, um Abnehmer für die Tierwohlware zu finden. Das Stichwort war: richtiges Netzwerken. Berater Martin Dess warnte davor, in übertriebenen Aktionismus zu verfallen. Die potenziellen Kunden werden fragen, was ihre Produkte auszeichnet und warum der höhere Preis gerechtfertigt ist. Auf diese Fragen sollte sich Diana Marklewitz im Vorfeld bestmöglich und vor allem in Ruhe vorbereiten. Im gleichen Zug wurde eine Auswahl getroffen, welche Abnehmer überhaupt in Frage kommen.


Eine attraktive Absatzmöglichkeit stellen zum Beispiel Kantinen dar, denn hier winkt ein lukratives Geschäft: Die Betreiber bezahlen mehr für die Ware als Supermarktbetreiber, weil Kantinen zunehmend qualitätsorientiert einkaufen. Der Aufwand für die Landwirte ist aber wesentlich geringer, als bei der Vermarktung an Gastronomen.


Sobald die passenden Geschäftspartner ausgewählt sind, müssen Kontakte hergestellt werden. Hier rät Martin Dess zu persönlichen Terminen, Anrufen oder Messebesuchen – am besten mit einem Handbuch, das die wichtigsten Informationen zum Konzept enthält und den Ansprechpartner emotional abholt.


Aber: Ein Patentrezept gibt es nicht. Wie Kommunikationsprofi Dess erklärt, sind auch kreative Spontanideen zielführend. Wichtig ist vor allem, dass man sieht, dass die Familie Marklewitz ihr Konzept mit Leidenschaft und Begeisterung vertritt. Wenn die ersten Kontakte geknüpft sind, heißt es hartnäckig bleiben und Zusagen einhalten.

 

Schritt 3: Die berühmten W-Fragen (März 2017)


Wer die berühmten fünf „W“ beachtet, kommt weiter. So wie Diana Marklewitz, die nach dieser Methodik in Zukunft die Werbetrommel rührt und für ihr Tierwohlfleisch potenzielle Abnehmer sucht. Ganz wichtig: Eine gelungene, motivierende Präsentation der Geschäftsidee ist durch nichts zu ersetzen.


a) Was zeigen? Basis schaffen für die Präsentation.


Wer etwas präsentieren will, muss zuallererst wissen, was sein Produkt auszeichnet. Was ist das Alleinstellungsmerkmal? Was unterscheidet die eigenen Ideen von denen der Mitbewerber und wen will ich überhaupt ansprechen? Viele Fragen, die ein Recht auf Antworten haben.


Erst danach wird damit begonnen, das Konzept Schritt für Schritt herunterzuschreiben. Dabei liegt die Würze in der Kürze. Wer auf den Punkt kommen will, verzichtet auf Romane und hält sich an Fakten.


b) Wen interessiert’s? Mit den richtigen Worten erreicht man die richtigen Leute.


An wen richtet sich überhaupt die Präsentation? Wen interessiert´s? Wer ist der richtige Ansprechpartner? Wer trifft die wichtigen Entscheidungen? Erst wenn die relevanten Geschäftspartner feststehen, werden diese eingeladen. Eine kurze E-Mail und/oder ein Telefonanruf sind hilfreich. Eventuell ist auch eine persönliche Einladung sinnvoll.


Martin Dess hat hierzu seine eigene, vielfach erfolgreich erprobte Vorgehensweise:

  • Teilen Sie in der Einladung mit, wer an der Präsentation teilnimmt.
  • Wecken Sie mit direkter Sprache das Interesse der Eingeladenen.
  • Schreiben Sie alle Tagesordnungspunkte detailliert auf.
  • Sagen Sie, wie lange die Präsentation und die Diskussionsrunde dauern werden.
  • Lassen Sie die Teilnehmer wissen, ob für Essen und Trinken gesorgt ist.
  • Geben Sie den genauen Ort des Treffens an
c) Wo und wann performen? An welchem Ort und zu welcher Zeit geschieht’s.


Wer seine Geschäftsidee erfolgreich präsentieren will, muss den richtigen Ort dafür finden. Die Location sollte so gewählt sein, dass alle Teilnehmer in etwa die gleiche Anfahrtsstrecke haben. Wichtig ist außerdem, dass Übernachtungsmöglichkeiten vorhanden sind und die kulinarische Versorgung der Gäste gesichert ist. Dann erst wird der Termin für die Präsentation festgelegt. Dabei gilt es zu beachten, dass der Raum verfügbar ist und möglichst viele geladene Gäste kommen können. Denken Sie an Feiertage und die Urlaubszeit!


d) Wie weitermachen? Unbedingt alles schriftlich festhalten.


Ist performt worden, erstellt der Landwirt im Anschluss an die Diskussionsrunde eine Liste mit allen wichtigen Aussagen der Teilnehmer. Auch negative Meinungen und Urteile sind wertvoll. Denn so ergibt sich eine gründliche Sicht von außen auf die Idee und die nächsten Schritte können angegangen werden.


Schritt 4: Übung im Präsentieren (Juni 2017)


Diana Marklewitz lernt ihr neues Stallkonzept souverän vorstellen. Hierfür ist die Landwirtin nach Köln gereist und hat einen Tag lang ein Präsentations-Training mit Coach Birgit Arnsmann gemacht. Die Bewährungsprobe sollte direkt im Anschluss anstehen – ein Gespräch mit dem Kantinenbetreiber eines Industrieriesens in ihrer Region. Hier müssen die Argumente für das neue Stallkonzept gut durchgedacht sein.


Schritt 5: Abnehmer gefunden (Mai bis August 2017)


Die Landwirtin knüpfte erste Kontakte zu potenziellen Abnehmern in der Region. Das Interesse seitens der Metzger und einiger örtlicher Supermärkte war auch vorhanden. Im Laufe der Gespräche wurde dann aber auch klar, dass eine Zusammenarbeit doch nicht so einfach ist wie erhofft. Ein Problem ist z.B., Angebot und Nachfrage aufeinander abzustimmen. „Viele Metzger können die Mengen, die ich produziere, nicht komplett abnehmen. Für mich stellt sich dann die Frage, wohin mit den übrigen Tieren?“, schildert Diana Marklewitz ihre ersten Gesprächserfahrungen. 


Bei den Supermärkten tauchte zudem immer wieder das Problem auf, dass die Händler selten bereit sind, Regalflächen für das Fleisch vom Hof Marklewitz zur Verfügung zu stellen. In der Regel bekommen die Händler von ihren Konzernzentralen vorgeschrieben, was sie in die Regale zu stellen haben. Auch beim Preis liegen die Vorstellungen oft auseinander. Die meisten Abnehmer wollen nur wenige Euro pro Schwein on top zahlen. Und ein Tierwohl-Siegel oder andere Zertifikate werden verlangt.


Im Rahmen des top agrar-Projektes kam Mitte Mai dann der Kontakt zu einem deutschen DAX-Konzern bzw. dessen Restaurant-Service zustande. Jeden Tag werden in dessen Betriebsrestaurants bis zu 8500 Essen serviert. Der Gastronomiechef war glücklich, Diana Marklewitz gefunden zu haben. Es folgte eine Hofbesichtigung.


„Das Stallkonzept und der Ansatz, anders zu produzieren als die Masse, haben uns überzeugt. Wir werden jetzt gemeinsam überlegen, wie eine Zusammenarbeit konkret aussehen könnte“, machte der Manager der Landwirtin Hoffnung. Es galt nun zu klären, welche Fleischmengen der Betrieb wöchentlich produziert und wie man diese Mengen im Menüplan des Konzerns integrieren kann. Geklärt werden musste auch, welche Teilstücke vom Schwein die verschiedenen Kantinen benötigen und wie das übrige Fleisch vermarktet wird.


Schritt 6: Produkte brauchen ein Gesicht


Viele Schweinehalter ärgert es, dass ihre Arbeit nicht mehr wertgeschätzt wird und das Fleisch immer öfter als Sonderangebot im Supermarkt verramscht wird. Das soll bei der Zusammenarbeit zwischen dem Hof Marklewitz und der Firma anders werden. „Wir wollen dem Fleisch ein Gesicht geben, unsere Kantinenbesucher sollen wissen, woher die Ware kommt. Dafür sind unsere Kunden auch bereit, mehr Geld zu bezahlen“, legte sich der Gastronomie-Chef  fest.


Für wichtig hält er Informationstafeln und Flyer, auf denen seine Kunden erkennen können, wer der Erzeuger der Ware ist, woher das Fleisch stammt und unter welchen Bedingungen es produziert wurde. Auch ein Imagevideo mit Aufnahmen vom Schweinehalter und dem Stall hilft, um zu zeigen, woher das Steak oder Schnitzel kommt.


Diana Marklewitz erarbeitete daraufhin zusammen mit den PR-Profis „Die Jäger von Röckersbühl“ entsprechendes Infomaterial. „Wichtig ist, dass die Prospekte professionell aufgemacht sind und alle wichtigen Informationen enthalten sind“, erklärte die Landwirtin.


Schritt 7: Stalleinweihung mit Hoffest (August/September 2017)


Nach Besichtigungen von Strohställen in Bayern stellte die Familie Marklewitz ihren modernen Wohlfühl-Stall Ende August fertig und die ersten Ferkel konnten eingestallt werden. Der Stall vereint konventionelle Nutztierhaltung und das höchstmögliche Level des Tierwohls. Zum begleitenden Hoffest kamen insgesamt 900 bis 1000 Besucher. Bei bestem Wetter gab es erst einen Gottesdienst mit 250 Teilnehmern, dann die Einweihung des neuen Stalls und anschließend Kaffee und Kuchen sowie Besichtigungen.



Zu Silvester 2017 konnte die Familie den erfolgreichen Abschluss der Vertragsverhandlungen verkünden. top agrar wird den Hof nun noch einmal besuchen und in einer der kommenden Ausgaben über die Weiterentwicklung berichten.


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