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Albert Dess: „Die Landwirtschaft ist ein Leistungsfaktor“

Sommerinterviews 2018 Agrar und Ernährung. Heute: Albert Dess (71), ist seit 2004 als CSU-Abgeordneter im EU-Parlament und agrarpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion im Landwirtschaftsausschuss tätig. Der bodenständige Bayer liebt es Klartext zu reden, womit er sich nicht nur Freunde, aber Respekt verschafft hat.

Lesezeit: 7 Minuten

Sommerinterviews 2018 Agrar und Ernährung


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Heute: Albert Dess (71), ist seit 2004 als CSU-Abgeordneter im EU-Parlament und als agrarpolitischer Sprecher der größten im Parlament vertretenen Fraktion, der Europäischen Volksparteien (EVP), im Landwirtschaftsausschuss tätig. Der Landwirtschaftsmeister und langjährige Geschäftsführer einer bäuerlichen Genossenschaft aus der Oberpfalz und Vorstandsvorsitzender der Bayernland e.G. gilt als exzellent verdrahteter Politiker im Kollegenkreis sowie der Land- und Agrarwirtschaft. Der bodenständige Bayer liebt es Klartext zu reden, womit er sich in Partei und Parlament nicht nur Freunde gemacht, aber Respekt verschafft hat.

 

top agrar:Stellen die von EU-Kommissar Phil Hogan gemachten Vorschläge für die GAP-Reform 2020 einen Masterplan für die Zukunftsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft dar?


Dess: Die Architektur des Vorschlages ist sicherlich nicht dazu geeignet, die Zukunftsfähigkeit der europäischen Landwirtschaft zu sichern. Diese Architektur ist mehr dazu geeignet, die Mitwirkung des EU-Parlaments in der Agrarpolitik einzuschränken. Wenn hier die Mitgliedstaaten Vorschläge liefern sollen, wie sie sich die Umweltmaßnahmen vorstellen, dann entscheidet die EU-Kommission, ob dieser Vorschlag gut oder schlecht ist und nicht das Europäische Parlament. Ich werde daher den Vorschlag mit dieser Architektur so nicht unterstützen.


Der von EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger vorgelegte EU-Haushaltsentwurf für die Finanzperiode 2021 bis 2027 sieht ein Minus von 15 Prozent im Agrarhaushalt vor. Was würde dies für die Agrarwirtschaft und die Ländlichen Räume in der EU bedeuten?


Dess:Ich denke, das müssen wir in Europa differenziert betrachten, weil die Agrarpolitik in Europa schon sehr unterschiedlich umgesetzt wird in den einzelnen Mitgliedstaaten. So gibt es einerseits Mitgliedsländer, die sehr viel Geld für die Landwirte in der zweiten Säule ausgeben und andererseits Mitgliedsländer, die geben so gut wie gar kein Geld in der zweiten Säule aus. Wenn ich da beispielsweise an Dänemark oder die Niederlande denke, dort wird sehr wenig Geld in der zweiten Säule verausgabt. In Bayern hingegen geben wir sehr viel Geld direkt für die produzierende Landwirtschaft aus. Wir müssen vor allem auch in Zukunft darauf achten, dass diese Gelder, die sowohl dem Umweltschutz als auch der Landwirtschaft dienen, erhalten bleiben.


Geht mit der Kürzung, vor allem der zweiten Säule, die von der Öffentlichkeit und vielen Verbrauchern geforderte Ökologisierung der Landwirtschaft verloren?


Dess:Wer ist denn die Öffentlichkeit? Ich kann mich da nur sehr wundern, wenn es heißt die Öffentlichkeit. Wenn es `die Öffentlichkeit` gäbe, dann müsste diese Partei ja 100 Prozent haben, aber ich kenne keine Partei, die 100 Prozent hat.


Ist denn der von der EU-Kommission vorgeschlagene Verschiebebahnhof von der 1. in die 2. Säule und umgekehrt zielführend für die Entwicklung der Ländlichen Räume?


Dess:Da muss ich zugeben, dass wir bereits im Föderalstaat Deutschland höchst unterschiedliche Gegebenheiten vorfinden. Schleswig-Holstein tut sich zum Beispiel sehr schwer damit, gegen zu finanzieren. Für Bayern dürfte dies kein großes Problem darstellen mit mehr Kofinanzierung Kürzungen auszugleichen. Aber wir sind ja verantwortlich für die Landwirte in ganz Europa. Die Frage ist dabei doch auch, für was werden die Gelder in der zweiten Säule verwendet? Die werden ja derzeit nicht immer zugunsten der Landwirtschaft verwendet. Wenn Mittel aus der zweiten Säule für Radwege oder Dorferneuerung genutzt werden, dann hat das wenig mit der bäuerlichen Landwirtschaft zu tun.


Können Sie Beispiele nennen?


Dess:Wir waren uns im Agrarausschuss parteiübergreifend in der letzten Wahlperiode im Europäischen Parlament schon einig, dass das Geld der zweiten Säule vor allen Dingen der produzierenden Landwirtschaft zugutekommen soll. In Bayern haben wir zum Beispiel das sehr erfolgreiche Blühflächenprogramm, das wird so stark von den Landwirten in Anspruch genommen, dass die Fläche pro Betrieb auf fünf Hektar begrenzt worden ist. Ohne eine Begrenzung hätten einige Betriebe dann vielleicht 80 Hektar eingebracht als Blühflächen, weil dies so attraktiv ist. Man muss also auch darüber reden, ob für manche Flächen nicht zu viel Geld ausgegeben wird.

 

Die Landwirtschaft hat zunehmend mit Akzeptanzproblemen in der Gesellschaft zu kämpfen. Ist die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) aus dem Jahre 1962 in der heutigen Form noch zeitgemäß?


Dess:Wenn wir das Basisjahr 1962 annehmen und die Getreidepreise aus den 60er Jahren heute zugrunde legen würden, dann bekämen die Landwerte mehr Gelder, als wir für die gesamte Agrarpolitik in Europa ausgeben. Die Verbraucher müssten höhere Getreidepreise dann letztlich zahlen. Das heißt, die Landwirtschaft hat den größten Beitrag geleistet, dass der Anteil der Kosten für die Ernährung zum Beispiel in Deutschland pro Haushalt in den 60er Jahren von über 40 Prozent heutzutage auf fast zehn Prozent runtergegangen ist. Die Landwirtschaft ist in unserer Gesellschaft ein Leistungsfaktor und ein Wohlstandsfaktor. Die Wohlstandssteigerung in unserem Land ist maßgebend mit auf die Produktivitätssteigerung in der Landwirtschaft zurückzuführen.


Wird der Agrarhaushalt zum Steinbruch für neue Prioritäten der EU?


Dess:Ich finde es ist mehr als angemessen, dass der Agrarhaushalt der EU schon auf einem vernünftigen Niveau erhalten bleibt. Ich bin dennoch Realist, wenn Milliarden im EU-Haushalt fehlen, dann kann die Landwirtschaft nicht ungeschoren davonkommen. Aber für mich darf die Landwirtschaft im Agrarbereich nicht mehr gekürzt werden, wie im Durchschnitt aller Kürzungen im Gesamthaushalt. Der Agrarhaushalt darf nicht zum Steinbruch hier für die Finanzierung neuer europäischer Politikbereiche werden.


Vor allem für den Brexit, der bisher eher noch als eine Luftbuchungsnummer erscheint?


Dess:Was den Brexit betrifft müssen wir erstmal abwarten, ob der Brexit wirklich kommt. Wenn man die jüngsten Entwicklungen in Großbritannien betrachtet, ist dies nicht so ganz einfach dort. Ich war immer sehr kritisch, ob der Brexit kommt. Aber wenn er kommt, dann müssen die Mitgliedstaaten, wenn sie von Europa neue Aufgaben fordern, auch neue Finanzmittel zur Verfügung stellen. Es kann nicht sein dass man sagt, Brüssel muss mehr Außenschutz der Grenzen übernehmen und in anderen Punkten mehr gemeinsame Initiativen entwickeln, aber bezahlen wollen wir dafür nicht.

 

Brexit ist eine große Brüsseler Baustelle. Aber die Landwirte bewegen im Rahmen der GAP-Reform 2020 besonders auch die Fragen nach Kappung und Konditionalität.


Dess:Ich gebe Ihnen Recht, dass es bei der Kappung einen gewissen Handlungsbedarf gibt, aber die Umsetzung äußerst schwierig ist. Wie behandele ich einen Betrieb, wo vier Familien gemeinsam einen Hof bewirtschaften? Oder ich kenne auch ein Extrembeispiel in Thüringen, wo 261 Grundbesitzer gemeinsam einen Betrieb bewirtschaften. Sind das 261 Einzelbetriebe oder ist das ein Agrar-Großbetrieb, der mehr Kürzungen erfahren müsste? Also ich bin da persönlich selber hin und her gerissen, was das Thema Kappung anbetrifft. Wo ich zweifelsfrei Handlungsbedarf sehe ist: es kann nicht sein, dass ein einige Tausend Hektar großer Betrieb weiterhin die Ausgleichszahlungen nach heutiger Lesart auch in Zukunft bekommt.


Das EU-Parlament hat mit der Änderung der EU-Agrarstatistiken unlängst den Anlauf genommen, in das Dickicht der Beteiligungsgesellschaften, Agrar-Holdings und Besitzverhältnisse in der EU Licht zu bringen. Bringt mehr Transparenz mehr Klarheit?


Dess:Ich unterstütze in diesem Sinne mehr Transparenz. Nur wenn wir wissen, wer steckt hinter den Besitzverhältnissen können wir politisch richtige Entscheidungen fällen. Wir müssen einen Betrieb beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern, als ehemalige Genossenschaft mit heute 50 Beschäftigten, wo auch Lehrlinge ausgebildet werden und der den größten Arbeitgeber in der Region darstellt, anders behandeln als einen Betrieb, der mit einigen Tausend Arbeitsstunden einige Tausend Hektar Mähdreschfrucht betreibt.


Beim Thema Degression sagt Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner eher nein und wenn, dann nur freiwillig. Ist das die Richtung des EU-Parlaments?


Dess:Wer die Stimmung hier im Parlament kennt weiß, dass es für Freiwilligkeit keine Mehrheit geben wird. Die Freiwilligkeit kann vielleicht so weitgehen, dass die Mitgliedstaaten entscheiden in welcher Weise diese organisiert werden könnte. Aber die Stimmung hier im Parlament sagt mir, die Obergrenze wird kommen.

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