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Almflächen in Österreich: Neues Urteil, neue Hoffnung

Seit Jahren schafft es Österreich nicht, für Messgenauigkeit der Flächen und für Rechtssicherheit auf den Almen zu sorgen. Ein EuGH-Urteil gibt den Bauern dennoch Hoffnung. Torsten Altmann von top agrar Österreich berichtet...

Lesezeit: 6 Minuten

Seit Jahren schafft es Österreich nicht, für Messgenauigkeit der Flächen und für Rechtssicherheit auf den Almen zu sorgen. Ein EuGH-Urteil gibt den Bauern dennoch Hoffnung. Torsten Altmann von top agrar Österreich berichtet:

 

Tausende Rückforderungsbescheide der AMA hat es seit Ende der 2000er Jahre wegen Messungenauigkeiten auf den Almen schon gehagelt. Die Folgen: Teils existenzbedrohende Nichtauszahlungen von Fördergeldern und tausende Einspruchsverfahren gegen die Betriebsprämien-Bescheide.

 

Über 20 000 € Nachforderung

 

Zwar hat die zentrale Digitalisierung und Berechnung der jeweils jährlich gültigen Referenzgrößen durchaus gleiche Spielregeln für alle gebracht. Doch nicht wenigen Almbauern konnte trotz Fischler-Kommission und „8i“-Paragraf im Marktordnungsgesetz nicht geholfen werden.

 

Den Betroffenen bleibt nichts anderes über, als die Almbescheide mittels Beschwerden erneut zu beeinspruchen. Einer diese Kämpfer ist Johann Fuchs aus Unken. Seit Generationen treibt die Familie Fuchs ihre Rinder im Frühsommer Dank uralter Weiderechte auf das Gebiet der Bayerischen Saalforste auf, im August siedeln die Tiere dann auf die eigene Alm über.

 

Alleine zwischen 2005 und 2014 trudelten auf dem Ederhof von Fuchs Nachforderungen der AMA von rund 20 000 € ein. Und das, obwohl laut Fuchs „nach erfolgter Systemumstellung gar nicht die Fläche bemessen wurde. Daher haben wir auch keinen Cent Förderung zu Unrecht erhalten“, so der empörte Milchbauer und Almauftreiber.

 

Seit Jahren versucht Fuchs sich gegen die Rückforderungen zu wehren. Mit wechselndem Erfolg. In den Jahren 2011 bis 2014 hatte Fuchs formal sogar die volle Einheitliche Betriebsprämie erhalten – und zwar nach bewilligter Kompression (38,3 statt vorher 65,85 ha).

 

Der Fehler der beteiligten Behörden passierte nach dem Dafürhalten von Fuchs aber schon zu Beginn, nämlich 2004 bei der Berechnung hinsichtlich der Jahre 2000 bis 2002. Die Referenzfläche wurde damals von der AMA aufgrund der Durchschnitte dieser Jahre ermittelt. Aus der Division des Referenzbetrages durch die Referenzfläche ergab sich der damalige Wert des Zahlungswertes pro Zahlungsanspruch.

 

„Auch wenn die Flächenausmaße der Futterflächen auf der Alm geringer wären als diese bei der Vor-Ort-Kontrolle festgestellt worden waren, dürfte dies im Ergebnis keine Rolle spielen“, so der Fuchs´sche Rechtsstandpunkt. „Denn dadurch würde sich die Anzahl der Zahlungsansprüche vermindern, aber der Wert der Zahlungsansprüche jeweils entsprechend erhöhen, sodass wieder der Gesamtbetrag der Referenzsumme entstünde.“

 

Hätte die AMA damals eine geringere Anzahl von Zahlungsansprüchen festgestellt, wäre damit ein höherer Wert der einzelnen Zahlungsansprüche einhergegangen. Damit wäre der Gesamtbetrag gleich geblieben. Für den Bauern hätte sich bis heute kein anderes Ergebnis ergeben. Die damalige Falschfestsetzung durch die AMA könne auch nicht dem Bauer angelastet werden. So lautet auch der Kern der aktuellen Eingabe von Fuchs beim Bundesverwaltungsgericht.

 

EU-Urteil mit Sprengkraft

 

Jetzt kommt Fuchs und anderen Leidensgenossen ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu Hilfe. In diesem nahmen die EU-Richter die Förderverwaltung in den Niederlanden aufs Korn und urteilten für den holländischen Bauern Noordegraaf (Rechtssache C105/13 vom 5. Juni 2014). Dieser Fall ist durchaus mit der österreichischen Praxis vergleichbar: Denn die Rechtsfolgen werden bei Änderungen der Zahlungsansprüche infolge einer geänderten Bestimmungsmethodik beihilfefähiger Flächen abgehandelt.

 

„Aus diesem EuGH-Urteil kann man eindeutig herauslesen, dass Österreich sehr wohl die gekoppelten Prämien auf die korrekten Hektar hätte aufteilen können“, so Heimo Urbas zu top agrar. Dem unermüdlichen Kämpfer und Gründer der Plattform Almfutterflächen hatte der Verwaltungsgerichtshof in seiner Almcausa jüngst die Anwendbarkeit diese EuGH-Urteils beschieden.

 

Nach dem Urteil (Ro2014/17/0084-7) vom August 2017 geben die österreichischen Höchstrichter die Marschrichtung vor: Wenn der Referenzbetrag im Rahmen der ursprünglichen Bestimmung der Zahlungsansprüche auf eine zu große Hektarzahl umgelegt wurde, ist eine Neuberechnung vorzunehmen. Dies insbesondere bei Vorliegen bestimmter unionsrechtlicher Voraussetzungen, die im Artikel 73a Absatz 2a der Kommissions-Verordnung 796/2006 festgeschrieben sind. Zudem verweist der VwGH aufs EuGH-Urteil.

 

Schon im Urteil des holländischen Bauern heißt es konkret, dass eine Neuberechnung gemacht werden muss, wenn der Referenzbetrag auf eine zu große Hektarzahl umgelegt wurde und das für den Bauern nicht erkennbar war. Jene Bestimmungen, wonach Zahlungsansprüche unveränderbar wären, sind in einem solchen Fall nicht anzuwenden.

 

Voller Zuversicht

 

Wie das Bundesverwaltungsgericht nun in der Causa Fuchs entscheiden wird, ist noch offen. Fuchs und sein Anwalt Sommer sind jedenfalls voller Zuversicht, dass der historische Fehler der falschen Umlegung des Referenzbetrages auf Zahlungansprüche/ Hektar endlich korrigiert werden könnte.

 

Denn bis 2014 gaben einzelne EuGH-Urteile und Entscheidungen vor, dass Bauern, die auch ohne Betrugsabsicht Fehler bei den Anträgen gemacht hatten, sanktioniert werden müssen. Sprich: Fördergelder abgezogen werden. „Nun gibt es aber eine neue Situation“, so Urbas. „Hätten manche Bauern seither vom Noordegraaf-Urteil Kenntnis gehabt, hätte ihnen das bei laufenden Beschwerdeverfahren schon helfen können.“

 

Zudem sieht Urbas durchaus die amtswegige Möglichkeit, dass auf Basis dieser Noordegraaf- Entscheidung die Republik von sich aus die alten Falschberechnungen aufrollen und korrigieren könnte. Urbas: „Möglicherweise wäre die Republik sogar verpflichtet, den von ihr angerichteten Schaden so endlich zu korrigieren. Auf alle Fälle müsste sie es via AMA auf Antrag des Bauern tun.“ Genau das macht Urbas gerade in seinem Fall und steht derzeit wieder vorm Bundesverwaltungsgericht.

 

1 800 weitere Fälle

 

Von einer generellen Neuberechnung hält die AMA wohl schon aus Aufwandsgründen eher wenig. Eine solche wäre in der jüngsten Almencausa (siehe topagrar 3/2018, S. 34) angezeigt bzw. vom ehemaligen Landwirtschafts- und nunmehrigen Nachhaltigkeitsministerium BMNT möglicherweise sogar erwünscht. Wer die AMA kennt, weiß, dass diese Behörde sowas nur nach schriftlicher Weisung des Aufsichtsministeriums macht.

 

In der aktuellen Almencausa haben fast 75 % der 1 800 Betroffenen die Rückforderungsbescheide beeinsprucht. Hier könnte die AMA ohnedies gezwungen sein, Neuberechnungen durchzuführen: Entweder innerhalb von vier Monaten im Zuge einer so genannten Beschwerdevorentscheidung. Oder eben auf Geheiß der Bundesverwaltungsrichter, wenn die eingelangten Beschwerden dorthin weiterwandern.

 

Aber auch ohne explizite Ministeriumsweisung kann die AMA jederzeit in Beeinspruchung befindliche Bescheide aufheben, abändern oder neu erlassen. Basis dafür bietet der Paragraf 19 des Marktordnungsgesetzes. „Auf den Almen würden neue Bescheide den Bauern endlich helfen und für Rechtssicherheit sorgen“, meint Urbas. „Denn bisher war die AMA mit neugefassten Bescheiden immer dann sehr schnell, wenn es zu Lasten der Bauern geht.“

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„Fehler der Behörde“

 

Vor Gericht wird Landwirt Johann Fuchs von dem Klagenfurter Rechtsanwalt Michael Sommer vertreten. Dieser führt mehrere Beschwerdeverfahren gegen Bescheide zu den Einheitlichen Betriebsprämien 2006, 2009 und 2010. Sommer: „Hätte die Behörde korrekt gearbeitet, wäre bei richtiger Zugrundelegung der Flächen nur der Wert des Zahlungsanspruches nach oben gegangen.“ Dies deshalb, da sich die Summe der Prämien, die damals aufgeteilt wurden, nicht ändern könne. Die so gemachten Fehler der Behörde habe der Bauer auch nicht erkennen können. Diese plausible Erklärungskette, hat Bauer Fuchs immer wieder vertreten. Die Behörden und Gerichte haben diese aber bisher nicht aufgegriffen.

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