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Merkel-Interview: „Auch die Agrarwirtschaft muss exportieren dürfen!“

Bundeskanzlerin Angela Merkel steht zum Agrarexport, wenn dieser nach fairen Regeln abläuft. Von einer Fundamentalkritik an den Bauern hält die Kanzlerin nichts. Im top agrar-Interview fordert sie die Landwirtschaft aber auf, transparenter zu werden.

Lesezeit: 6 Minuten

Bundeskanzlerin Angela Merkel steht zum Agrarexport, wenn dieser nach fairen Regeln abläuft. Von einer Fundamentalkritik an den Bauern hält die Kanzlerin nichts. Im top agrar-Interview fordert sie die Landwirtschaft aber auf, transparenter zu werden.


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Frau Bundeskanzlerin, in der öffentlichen Diskussion wird die heutige Ausrichtung der Landwirtschaft auf Effizienz, Produktivität und Wirtschaftlichkeit zum Teil heftig kritisiert. Wie berechtigt ist diese Kritik?


Merkel: Wir verdanken es der harten Arbeit unserer Landwirtinnen und Landwirte, dass wir heute in Deutschland so gesunde und sichere Lebensmittel haben wie nie zuvor. Zugleich pflegen die Bauernfamilien unsere einzigartigen Kulturlandschaften. Pauschale Verurteilungen und Fundamentalkritik am Berufsstand bringen uns nicht weiter. Wir brauchen stattdessen einen breiten gesellschaftlichen Dialog darüber, wie wir uns die zukünftige Landwirtschaft vorstellen. Unser Ziel ist eine Landwirtschaft, die wirtschaftlich tragfähig ist, der Umwelt gerecht wird und sich am Tierwohl orientiert. Eine solche Landwirtschaft ist dann auch gesellschaftlich akzeptiert.


Umwelt-, Tierschutz- und Entwicklungshilfeorganisationen, aber auch Teile der Politik und der Kirchen, kritisieren die zunehmende Exportorientierung der deutschen und europäischen Landwirtschaft. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?


Merkel:Im Durchschnitt erwirtschaften die deutschen Landwirte etwa jeden vierten Euro im Export, die deutsche Ernährungswirtschaft sogar jeden dritten Euro. Deutschland ist damit weltweit die Nummer drei im Agrarexport. Das zeigt, dass deutsche Qualität auch bei Lebensmitteln gefragt ist. Um wettbewerbsfähige landwirtschaftliche Betriebe zu erhalten, braucht unsere Agrar- und Ernährungswirtschaft auch Wachstum im Export. Hier die Produktion zu verringern und dann die fehlenden Mengen in Staaten mit niedrigeren Standards erzeugen zu lassen, kann ja auch niemand wollen.


Allerdings muss es unser Ziel sein, die Handelsströme so auszurichten, dass sie wirklich zum Vorteil aller sind. Mit Blick auf Afrika müssen wir feststellen, dass die Frage eines fairen Handels nach wie vor nicht ausreichend gelöst ist. Im Herbst findet ein EU-Afrika-Gipfel statt, auf dem wir uns deshalb gerade auch mit den Handelsbeziehungen zu den Ländern Afrikas beschäftigen werden.


Viele Landwirte vermissen in der Debatte um die Zukunft der deutschen Landwirtschaft ein Wort der Wertschätzung und Rückendeckung durch die Bundeskanzlerin. Warum sind Sie so zurückhaltend?


Merkel: Erst vor Kurzem habe ich auf dem Deutschen Bauerntag den Bäuerinnen und Bauern ganz nachdrücklich meine Unterstützung ausgesprochen. Die Landwirtschaft leistet weit mehr als die Produktion unserer Lebensmittel. Die Land- und Forstwirtschaft ist unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesellschaft. Und trägt enorm zum Erhalt unserer Heimat und Kulturlandschaft sowie zu lebendigen ländlichen Räumen bei. Für diese Leistungen bin ich dankbar. Sie dürfen nicht schlecht geredet oder gering geschätzt werden.


Die Gesellschaft erwartet von den Landwirten, dass diese Boden, Wasser, Luft und Artenvielfalt noch besser schützen und mehr für das Tierwohl tun. Was erwarten Sie vom Berufsstand und von den Verbrauchern?


Merkel:Die Rahmenbedingungen, unter denen die Betriebe wirtschaften, haben sich schon immer verändert. In der Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ging es vor allem um Wiederaufbau, Technisierung und Produktionssteigerung. Heute müssen unsere Landwirte ihre Produktionsweise so anpassen, dass die Umweltbelastungen zum Beispiel bei Luftqualität und Grundwasser ein verträgliches Maß nicht übersteigen.


Gleichzeitig muss die Landwirtschaft auf den Agrarmärkten bestehen. Unsere Betriebe kämpfen mit rückläufigen Preisen und zugleich mit verständlicherweise hohen Erwartungen vonseiten der Verbraucher, denen immer wichtiger ist, wie das, was auf ihren Tellern landet, produziert wird.


Die Landwirtschaft wird daher transparenter werden und sich weiter verändern müssen, um die vielen Anforderungen zu erfüllen. Aber auch die Verbraucher müssen berücksichtigen, dass kostenintensive Veränderungen, etwa in der Nutztierhaltung, letztlich nur dann erfolgreich sein können, wenn unsere Landwirte hierfür einen fairen Preis erzielen.


Die Machtverhältnisse in der Wertschöpfungskette sind sehr ungleich verteilt. Wie wollen Sie für mehr Chancengleichheit am Markt sorgen? Ist das überhaupt eine Aufgabe der Politik?


Merkel: Bei extremen Marktverwerfungen kann die Politik durchaus handeln, und zwar sehr schnell. Das hat sie beispielsweise bei der jüngsten Marktkrise im Milch- und Schweinebereich bewiesen. Zur Stärkung der Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette hat die Europäische Kommission 2016 die Task Force Agrarmärkte eingerichtet. Ihr Abschlussbericht zeigt, dass vor allem unlautere Handelspraktiken zu bekämpfen sind. Und auch, dass mehr Transparenz auf allen Ebenen der Lebensmittelkette notwendig ist. Wir werden die Kommission dabei unterstützen.


Die Bauern beklagen die mangelnde Verlässlichkeit der Politik sowohl bei der Ausgestaltung des Ordnungsrechts als auch im Förderrecht. Wie berechtigt ist diese Kritik und wie kann die Politik in Zukunft stärker auf Langfristigkeit angelegt werden?


Merkel: Die Politik wird sich auch  weiterhin für berechenbare Rahmenbedingungen einsetzen. Das bedeutet nicht, dass einmal bestehende Regelungen unveränderlich bleiben, wohl aber, dass notwendige Veränderungen immer mit Augenmaß angegangen werden.


Die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) ist mit vielfältigen konkreten Anforderungen an die Bewirtschaftung verbunden. So wird es voraussichtlich notwendig sein, dass sich die Zahlungen stärker als bisher an Gemeinwohlinteressen orientieren. Zugleich trägt die GAP zur Planungssicherheit für die Bäuerinnen und Bauern bei. Denn die betrieblichen Direktzahlungen machen einen wesentlichen Teil des Einkommens unserer landwirtschaftlichen Betriebe aus. Die Bundesregierung wird sich für eine weitere Entbürokratisierung der Agrarpolitik einsetzen.


Droht nach dem Ausscheiden des Nettozahlers Großbritannien aus der EU eine massive Kürzung des Agrarhaushaltes?


Merkel: Die Debatte über die Zukunft der GAP nach 2020 steht ja erst am Anfang. Konkrete Vorschläge für die nächste Finanzperiode sind nach jetzigem Stand erst im Laufe des nächsten Jahres zu erwarten. Wir müssen für die Zeit nach 2020 kluge Entscheidungen treffen. Die Einzelheiten lassen sich erst festlegen, wenn die EU-Mitgliedsstaaten den künftigen Finanzrahmen verhandeln und die finanziellen Folgen des Brexits feststehen.


Unabhängig davon wird die GAP allerdings vereinfacht und voraussichtlich deutlich mehr an Gemeinwohlleistungen ausgerichtet sein müssen. Wir achten darauf, dass im Interesse unserer Landwirte die Agrarpolitik auch künftig berechenbar und verlässlich bleibt.


Welchen Zuschnitt soll das Landwirtschaftsministerium in Zukunft haben? Und wird die CDU das Ressort für sich beanspruchen?


Merkel: Das sind natürlich Fragen, die sich erst nach der Bundestagswahl beantworten lassen. In jedem Fall soll die Landwirtschaft weiter eine starke Stimme in der Bundesregierung behalten.

 

Die Fragen stellte top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals.

Lesen Sie in der darauffolgenden top agrar 9/2017 das Interview mit SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz!

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