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Bauer Willi trifft Prof. Roeb: Aktuelle Struktur der Landwirtschaft nutzt niemandem

In der Sendung Günther Jauch ist Bauer Willi zum ersten Mal mit Prof. Dr. Dr. Roeb zusammengetroffen. Er lehrt an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Handelsbetriebslehre und Marketing und arbeitet beratend für Lebensmittelhandel und -industrie. Jetzt ist er zu ihm auf den Hof gekommen.

Lesezeit: 6 Minuten

In der Sendung Günther Jauch ist Bauer Willi zum ersten Mal mit Prof. Dr. Dr. Roeb zusammengetroffen. Er lehrt an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Handelsbetriebslehre und Marketing und arbeitet beratend für Lebensmittelhandel und -industrie. Jetzt ist er zu ihm auf den Hof gekommen. Das folgende Gespräch ist zuerst auf www.bauerwilli.com erschienen:


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Bauer Willi:Herr Roeb, Sie haben in der Sendung die Behauptung aufgestellt, dass die Bauern schizophren seien. Woran machen Sie das fest?


Prof. Roeb: Die Landwirte möchten für sich die alten Strukturen aus den 70ern und 80ern behalten und sich nur begrenzt anpassen. Gleichzeitig möchten Sie aber vom wirtschaftlichen Fortschritt und den Steigerungen des Lebensstandards profitieren, die nur möglich sind, weil die meisten anderen Menschen sich in ihrem Berufsleben starken Veränderungen unterworfen haben. Sie sind ja selber ein Beispiel dafür. Ihr Betrieb hat sich in den letzten 40 Jahren nicht vergrößert, aber die Maschinen sind aber alle auf dem neuesten Stand. Sie müssen also viel weniger arbeiten – was Sie gut finden -, bekommen dafür aber viel weniger Geld – was Sie schlecht finden. Das ist schizophren, weil beide Entwicklungen die Seiten derselben Medaille sind. Dass Sie dennoch von der Gesellschaft fordern, Sie in diesem Anspruch finanziell zu unterstützen, liegt daran, dass Sie sich implizit für etwas Besonderes halten.


Bauer Willi: Wie meinen Sie das?


Prof. Roeb: Ein Aldi-Markt ist heute dreimal so groß wie vor 50 Jahren und Aldi selbst zehnmal so groß. Warum sollen ausgerechnet die landwirtschaftlichen Betriebe so groß bleiben wie vor 50 Jahren? In den USA und selbst in Ost-Deutschland sind die Betriebe erheblich größer!


Bauer Willi:Brauchen wir die Landwirtschaft in Deutschland dann überhaupt?


Prof. Roeb: Gute Frage. In der Tat, sehen Sie die Textilindustrie oder den Bergbau: die haben sich nicht nur gewandelt. Sie sind in weitem Umfang komplett aus Deutschland verschwunden. Kleidung bekommen wir heute aus Bangladesh und Kohle aus Australien. Wir können unser Getreide doch auch in USA, Kanada, Russland oder der Ukraine kaufen. Es gibt andere Produkte, wo die Abhängigkeit viel größer ist, z.B. bei Benzin, ohne dass wir jetzt wieder anfangen würden Kohle zu verflüssigen.


Bauer Willi: Wollen Sie denn wirklich Agrarfabriken oder vielleicht gar keine Landwirtschaft in Deutschland?


Prof. Roeb: Das mag jetzt etwas hart klingen, aber warum eigentlich nicht? Die Struktur der aktuellen Landwirtschaft (Betriebsgrößen, Arbeitsabläufe etc.) nutzt jedenfalls fast niemandem: Der Konsument bezahlt mehr als er muss, die Landwirte verdienen trotzdem nicht genug und müssen oft aufhören, und dem Umwelt- und Naturschutz ist auch nicht geholfen, weil die relativ kleinen deutschen Betriebe mit allen Mitteln die Produktion zu steigern versuchen und dadurch z. B. mit Dünger und Pestiziden das Grundwasser verseuchen.


Bauer Willi:Wie könnte es anders gehen?


Prof. Roeb: Ich bin nun kein ausgesprochener Freund von Frau Künast aber Sie wollte ja, dass die Landwirte nicht mehr nur für die Produktion der Produkte bezahlt würden, sondern für die Leistung für die Gesellschaft. Das wollten die Bauern aber nicht, weil sie sagten, dass sie für ihre Produkte bezahlt werden wollen. Sie hatten vermutlich Angst, dass, wenn sie z. B. für Landschaftspflege bezahlt würden wie z. B. für das Mähen von Almwiesen, irgendwann jemand die Frage stellt, ob denn Almwiesen noch gemäht werden müssen und die Transferleistung dann wegfällt. Die Landwirte sind da sehr unflexibel.


Bauer Willi: Wo Sie gerade Frau Künast erwähnen: Ich habe den Eindruck, dass die einzige Partei, für die das Thema Landwirtschaft eine Rolle spielt, heute die Grünen sind:


Prof. Roeb: Das stimmt in gewisser Weise, aber sicher nicht so, wie Sie sich das wünschen. Gerade die Grünen haben ja in vielerlei Hinsicht sozialromantische Vorstellungen, die sich mit der Realität nicht immer vereinbaren lassen.


Bauer Willi: Zu den Erlösen für uns Landwirte. Warum hat Aldi vor ein paar Wochen den Milchpreis gesenkt, obwohl die Milchmenge sich nicht verändert hat?


Prof. Roeb: Die Umsätze bei Aldi sind pro Artikel rückläufig, das Unternehmen sucht nach Möglichkeiten, dies zu kompensieren. So werden z. B. seit einiger Zeit verstärkt Markenartikel eingeführt. Dazu gehört aber auch, dass Aldi sich als Preisführer im Markt versteht. Um dies zu unterstreichen wollte Aldi bei Milch wohl der erste sein, der ein Preissignal gibt, bevor es der Wettbewerber macht.


Bauer Willi: Wenn der Landwirt bei Kartoffeln einen Kontrakt macht, bekommt er heute so um die 10 Cent pro Kilogramm Kartoffeln. Dafür verpackt er die noch in Beutel. Wenn das Kilo dann im Laden 80 Cent kostet, wo bleibt die Differenz von 70 Cent? Hat der Handel da nicht eine Riesenmarge?


Prof. Roeb: Ich kenne jetzt die Marktverhältnisse bei Kartoffeln nicht im Detail, aber der Handel macht ja eine Mischkalkulation. Es kann also durchaus sein, dass er zwar mit Kartoffeln oder Erdbeeren – zumindest in der Hochsaison – eine gute Marge macht, dafür bei anderen Produkten wie z.B. Milch aber kein Gewinn bleibt. Und er muss ja in der Kalkulation noch das drin haben, was durch Verderb weggeworfen wird, bei Gemüse und Obst zum Beispiel.


Bauer Willi:Wir haben es ja im Lebensmitteleinzelhandel mit einem Oligopol zu tun. Sehen Sie eine Möglichkeit, was die Landwirte tun können, um sich diesem Druck zu entziehen.


Prof. Roeb: Die sehe ich nicht, sonst hätten sie das schon längst getan. Letztlich müssten sie sich stärker zusammenschließen, was aber nicht zuletzt kartellrechtlich Schwierigkeiten bereiten dürfte.


Bauer Willi: Ich sage ja, dass die Verbraucher schizophren sind. Sie sagen zwar immer, dass sie Bio kaufen, tun es im Laden aber nicht. Ich behaupte auch, dass Bio zum Schnäppchenpreis nicht machbar ist. Oder doch?


Prof. Roeb: Immerhin wächst der Bio-Markt, wenn auch auf geringem Niveau. Man muss hier auch sehen, dass sich immer wieder bei Tests ergibt, dass Bio-Produkte nicht meßbar besser abschneiden als konventionelle Ware, beim Bio-Kauf also auch viel Glaube mitschwingt. Bio zum Schnäppchenpreis geht: nur werden die Produkte dann industriell hergestellt oder kommen aus Ägypten und Rumänien.


Bauer Willi: Bio, vegetarisch, vegan. Sind das nur Eintagsfliegen oder ist das ein Trend?


Prof. Roeb: Die Trends werden sich fortsetzen, fragen Sie mich aber nicht, wie schnell. Außerdem: es bleiben Nischen.


Bauer Willi: Lebensmittel werden jetzt auch online angeboten, es gibt andere Formen der Vermarktung. Ihre persönliche Einschätzung dazu.


Prof. Roeb: Die Online-Vermarktung liegt bei unter 0,5 Prozent und das wird sich auch kaum ändern. Andere Vermarktungsformen wie z.B. Hofläden, arbeiten hart an der Grenze zur Kundentäuschung, weil viele Produkte ja nicht vom eigenen Hof kommen. Die sollen schön aufpassen, dass ihnen das nicht irgendwann mal um die Ohren gehauen wird.


Bauer Willi: Herr Roeb, vielen Dank für den sehr offenen und direkten Dialog. Jetzt bin ich gespannt auf die Kommentare.


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