Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus News

Bürger machen Front gegen Bioschweinestall

In Weil der Stadt will eine Bürgerinitiative den Bau eines Pig-Port-Stalles für 200 Bioschweine verhindern. Statt Sachargumenten dominieren Vorurteile und Emotionen die Debatte.

Lesezeit: 5 Minuten

In Weil der Stadt will eine Bürgerinitiative den Bau eines Pig-Port-Stalles für 200 Bioschweine verhindern. Statt Sachargumenten dominieren Vorurteile und Emotionen die Debatte. Eine Reportage von Silvia Lehnert für die SÜDPLUS-Ausgabe 2/2018:


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Ein Kistenstall für 200 Bioschweine auf Tiefstreu mit feuchtem Wühlareal und separatem, planbefestigtem Kotbereich. Das ist doch genau das, was die Verbraucher wollen, dachten sich Elena und Georg Riehle aus Weil der Stadt (Lk Böblingen) als sie ihren Neubau planten: „Wir hätten nie gedacht, dass wir damit im Ort eine solche Gegenwehr hervorrufen“, sagt das Ehepaar heute.


Hinter der fünfköpfigen Familie liegen aufreibende Monate, in denen die Bürgerinitiative „Bürgerliches Anliegen Spätengrund“ (BI) heftig gegen ihre Baupläne Stimmung machte. Riehles mussten sich viel Kritik anhören und ihr Vorhaben immer wieder verteidigen.


Und das, obwohl sämtliche Behörden aus baurechtlicher Sicht von Anfang an keinerlei Bedenken gegen den Neubau am Betriebsstandort, der in einem Landschaftsschutzgebiet liegt, hatten. Sowohl das zuständige Städtische Baurechtsamt als auch das Landratsamt und das Regierungspräsidium (RP) gaben grünes Licht.


Was geplant ist


Da es sich bei der Investition von rund 520.000 € um einen besonders artgerechten Pilotstall handelt, der als sogenanntes „Europäisches Innovationsprojekt“ (EIP) gefördert und zwei Jahre lang wissenschaftlich begleitet werden soll, standen auch Berater und Universitäten dahinter.


„Mit dem neuen Stall wollen wir die Zukunft des Betriebes im Vollerwerb absichern“, sagt Georg Riehle. Aktuell bewirtschaftet er gemeinsam mit seiner Frau 80 ha Fläche und hält 18 Mutterkühe, 675 Hühner sowie 9 Weideschweine. Die Produkte verkaufen sie über den Hofladen und lokale Supermärkte.


Wäre alles nach Plan gelaufen, hätten sie bereits am 9. Juni 2017 die Baugenehmigung für den neuen Stall in der Hand halten und in diesem Frühjahr die ersten Bioschweine in das Rebio-Programm von Edeka-Südwest liefern können. Doch diese Rechnung haben die Betriebsleiter ohne die BI gemacht.



Flyer im Ort verteilt


Denn sie sorgt seit Mai mit einer Vielzahl von Einwänden dafür, dass der erste Spatenstich auf sich warten lässt: Die entstehende Geruchs- und Lärmbelästigung sei unzumutbar und die Erschließung des Standortes unzureichend, heißt es im Widerspruchsschreiben ihrer Anwaltskanzlei. Mit 200 Mastschweinen sei keine ausreichende Rentabilität gegeben, eine Privilegierung des Vorhabens daher nicht rechtens. Hinzu kämen die steigende Verkehrsbelastung, die Zerstörung des Landschaftsbildes und der Verlust eines Naherholungsgebietes.


Vor allem mit einem Flyer, den sie im Ort verteilte, heizte die BI die Diskussion kräftig an. Darauf wird neben einem Bild der Hofstelle der Umbau eines „Bio-Idylls“ zur „Bio-Massenzucht“ angeprangert. Die rund 500 vom Gestank betroffenen Wohnhäuser müssten mit einem Wertverlust von mehreren Millionen rechnen, heißt es weiter.


Und schließlich sei der neue Stall erst der Anfang, noch ein Vielfaches an Gebäuden sei notwendig, damit der Betrieb wirtschaftlich sein könne. Ihre Forderung: Es müsse ein anderer Standort für den Stall gefunden werden.



Bauherren klärten auf


Elena und Georg Riehle ließen diese Ängste der Bürger und die Aufruhr im Ort alles andere als kalt: „Wir stellten uns öffentlich allen Fragen und waren bereit, den Bürgern entgegenzukommen.“ Denkbar wäre, z.B. zur Wohnbebauung hin einen begrünten Wall anzulegen. Durch eine eigens beim RP in Auftrag gegebene Geruchsimmissions-Abschätzung unter Worst-Case-Bedingungen, trugen sie sogar selbst dazu bei, dass sich die Genehmigung verzögerte. Das Ergebnis: In 5% der Jahresstunden sei im Wohngebiet ein Geruch wahrnehmbar. Dieser Wert liege weit unter dem zulässigen Grenzwert von 10% der Jahresstunden.


Auch die Befürchtung, dass der Verkehr stark zunehme, konnten die Landwirte ausräumen: „Es werden künftig nicht mehr Lkw durch das Landschaftsschutzgebiet fahren als bisher, weil wir z.B. künftig kein Getreide mehr verkaufen müssen“, sagt Georg Riehle. Vom Landratsamt hat er den Bescheid, dass die Wege ausreichen. Es müssten lediglich zwei zusätzliche Ausweichstellen geschaffen werden.


Unbeeindruckt von Fakten


Die Bürgerinitiative zeigt sich von diesen Fakten und der geltenden Rechtslage bisher unbeeindruckt. Sie beharrt auf ihrem Standpunkt. Das Ehepaar Riehle ist ernüchtert: „Sämtliche Sachargumente hat die Bürgerinitiative entweder nicht akzeptiert oder verdreht und öffentlich gegen uns verwendet. Wir fühlen uns zu Unrecht an den Pranger gestellt und verleumdet.“ Öffentlich dazu Stellung nehmen, will die BI nicht.


Wenig gebracht haben letztlich auch die Vermittlungsversuche von Bürgermeister Thilo Schreiber, der zu einer Bürgerinformationsveranstaltung einlud. Im Gemeinderat ließ er darüber abstimmen, obwohl das Baurechtsamt zuständig ist. Alle fünf Fraktionen waren dafür. „Die per Rechtsanwalt eingereichten Einwendungen der Bürgerinitiative haben nicht ausgereicht, das Baurechtsamt in der Abwägung daran zu hindern, der Riehle GbR als Bauherrin eine Baugenehmigung zu erteilen“, so Schreiber. Dies erfolgte Mitte Oktober 2017.


Wie geht es weiter?


Ein Ende der Geschichte ist aber trotzdem nicht in Sicht. Denn nun haben laut Bürgermeister vier Privatpersonen Widerspruch eingelegt. Über den muss nun das RP Stuttgart entscheiden. Sollte es dem Baurechtsamt von Weil der Stadt Recht geben, müsste die BI in nächster Instanz beim Verwaltungsgericht Klage einreichen. Ob sie sich aber, wie angekündigt, wirklich durch alle Instanzen klagen wird, ist zu bezweifeln. Denn ihr bisheriger Sprecher und Mitinitiator, will namentlich nicht mehr im Zusammenhang mit dem Fall genannt werden. top agrar-Südplus hat er mit rechtlichen Schritten gedroht, sollten wir uns nicht daran halten. Die Hintergründe dafür sind unklar: Bröckelt nun, wo es ernst wird, etwa der Zusammenhalt innerhalb der Bürgerinitiative?


Elena und Georg Riehle wollen sich jedenfalls nicht mehr aufhalten lassen. Schon bald sollen die Bagger anrollen. Sie sind sich einig: „Wenn in Deutschland ein Stall wie unserer nicht mehr gebaut werden darf, können wir die Tierhaltung hier ad acta legen.“

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.