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Christian Schmidt: „Ich vermute jetzt kommen die harten Tage“

Es gibt noch viele offene Fragen im Bereich Landwirtschaft, die auf dem Weg nach Jamaika gelöst werden müssen. „Die harten Tage kommen erst noch“, vermutet Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt. Das Gesprächsklima sei aber verantwortungsbewusst und überraschend wenig ideologiegeprägt.

Lesezeit: 8 Minuten

Es gibt noch viele offene Fragen im Bereich Landwirtschaft, die auf dem Weg nach Jamaika gelöst werden müssen. „Die harten Tage kommen erst noch“, vermutet Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt,der für die CSU die Agrarpolitik verhandelt. Das Gesprächsklima sei aber verantwortungsbewusst und überraschend wenig ideologiegeprägt.Die Kernfrage lautet: Schaffen wir es, den Landwirten in Deutschland die notwendige Planungssicherheit für die Zukunft zu geben?“, beschreibt der Minister imInterview mit top agrar online die Herausforderungen.    


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Herr Minister Schmidt, wie war das Klima der Sondierungsgespräche?


Schmidt:  Die Gespräche waren verantwortungsbewusst und überraschend wenig ideologiegeprägt. Dennoch haben wir große Unterschiede.


Bei der Nutztierhaltung wollen Sie den Tierschutz voranbringen und den Tierhaltern einen verlässlichen, planungssicheren und wirtschaftlichen Weg ermöglichen, heißt es im Sondierungspapier. Ein Ansatzpunkt dafür ist ein Tierwohllabel. Sind Sie für ein staatliches oder weiterhin für ein freiwilliges Label?


Schmidt: Verbindlich oder freiwillig ist bei den Beratungen schon ein wenig in den Hintergrund gerückt, weil wir uns an den rechtlichen Gegebenheiten in der EU orientieren müssen. Und da sehe ich keine Möglichkeit für eine verbindliche Kennzeichnung auf nationaler Ebene. Deshalb bleibe ich beim freiwilligen staatlichen Tierwohllabel, aber eines, das eine hohe Marktdurchdringung erreicht. Mit meinem Tierwohllabel habe ich hierfür bereits die Vorarbeit geleistet.


Über welche Maßnahmen kann man Investitionsprogramme für Tierwohlställe anschieben und wie hoch müssten solche Programme deutschlandweit dotiert sein?


Schmidt: Dass  wir für mehr Tierwohl auch mehr Geld in die Hand nehmen müssen, ist allen klar. Und wenn die Gesellschaft von den Landwirten etwas fordert, darf sie diese nicht die Zeche bezahlen lassen.  Wie viel Geld möglich und notwendig ist, werden wir erst in den kommenden beiden Wochen besprechen. Grundsätzlich kann das notwendige Geld aus der EU-Agrarpolitik und aus nationalen Töpfen kommen. Die Möglichkeiten, zusätzliche Mittel aus der 2. Säule der EU-Agrarpolitik für den Umbau von Ställen zu generieren, sind beschränkt. Die derzeitige Finanzierungsperiode läuft nur noch bis 2020. Da können wir kaum noch etwas ändern. Außerdem halte ich wenig von Verschiebebahnhöfen. Den Landwirten ist nicht geholfen, wenn wir den Tierhaltern mehr EU-Geld geben, es an anderer Stelle wegnehmen und dort neue Probleme verursachen. Und was aus Brüssel nach 2020 kommt, ist derzeit noch völlig offen.


Deshalb müssen wir auch über nationales „Fresh Money“ sprechen. Dieses frische Geld könnte z.B. über die Gemeinschaftsausgabe „Verbesserung der Agrarstruktur“ Investitionsmaßnahmen unterstützen. Darüber hinaus hat die Union in ihrem Wahlprogramm ein Innovationsprogramm Landwirtschaft vorgeschlagen. Dieses könnte auch für den Umbau der Tierhaltung genutzt werden.  


Was heißt das für das landwirtschaftliche Baurecht?


Schmidt: Die landwirtschaftliche Privilegierung muss bleiben. Wir müssen aber die Konflikte zwischen Tierwohl und Immissionsschutz auflösen.  


In welcher Form?


Schmidt: Bei einer Zielkonkurrenz zwischen Immissions- und Tierschutz muss der Tierschutz in Zukunft Vorrang haben. Es darf nicht sein, dass ein Landwirt einen Stall mit Außenauslauf nicht bauen darf, weil er mit dem Immissionsschutz in Konflikt kommt, selbst dann, wenn er seine Tierzahl gar nicht aufstockt. Erfreulicherweise sind sich hier alle vier Verhandlungspartner einig.


An welchen Stellen muss die Nutztierhaltungs-Verordnung überarbeitet werden?


Schmidt: Unsere Marschroute ist klar: Wir wollen keine Anpassungen, die zu Strukturbrüchen führen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn wir die Anbindehaltung von Kühen verbieten. Das ist mit uns nicht zu machen. Die Kastenstandsproblematik bei Sauen müssen wir allerdings schnell lösen, damit die Sauenhalter auf sicherem rechtlichen Boden stehen. Beim Verbot des Tötens männlicher Eintagsküken reden wir nur noch über Übergangsfristen, bis die Geschlechtsbestimmung im Ei steht. Ob wir bei Puten wirklich eine rechtliche Regelung brauchen, müssen wir besprechen. Meines Erachtens sind wir mit der freiwilligen Selbstverpflichtung bisher sehr erfolgreich gewesen, was die Verbesserung des Tierwohls angeht.


Wichtig ist uns vor allem eines: Wenn wir etwas ändern, müssen wir es mit Übergangsfristen tun, damit sich die Bauern langfristig anpassen können. Und wir dürfen in Zukunft nicht mehr jede Woche eine neue ordnungspolitische Sau durchs Dorf treiben. Das macht die Bauern verrückt. 


Was bringt eine Nutztierhaltungsstrategie?


Schmidt: Sie gibt erstens Bund und Ländern Orientierung für die Anpassung der Förderinstrumente und zweitens den Landwirten Orientierung für ihre Investitionsentscheidungen. Nur so können wir die Tierhalter langfristig in Deutschland halten. Zum Glück haben wir auch hier in den vergangenen Monaten schon eine gute Grundlage geschaffen. Darauf können wir aufbauen.     


In den Sondierungsgesprächen ging es auch um die die Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP). Wie soll die aussehen?


Schmidt: Wir sind uns einig, dass wir vor allem die Entbürokratisierung endlich konsequent anpacken müssen, sonst ist die Akzeptanz der Landwirte für die EU-Agrarpolitik massiv gefährdet. Das heißt, wir brauchen ein neues Denken bei der Umsetzung der Förderung zwischen EU, Bund und Ländern. Wir müssen viel stärker mit Zielen arbeiten. Wie wir dann in Deutschland die Ziele umsetzen, muss uns überlassen bleiben. Dann sind wir selber Herr des Verfahrens.


Wie sollen die Gelder in Zukunft verteilt werden? Soll es eine ganz neue Architektur der Förderung geben oder wollen Sie die 1. und 2. Säule verändert weiterführen?


Schmidt: Wir brauchen keine neue Architektur der Säulen. Die 1. und 2. Säule der EU-Agrarpolitik haben sich bewährt. Erfreulicherweise haben wir keine Diskussion darüber, ob die 1. Säule erhalten bleiben soll. Das ist unstrittig. So weit war ich mit der Kollegin Hendricks von der SPD in den vergangenen vier Jahren übrigens nie gekommen.


Wie soll die 1. Säule ausgestaltet werden? Wollen Sie die Zahlungen pro Betrieb deckeln?


Schmidt: Wir müssen in der Tat darüber reden, wie wir die Direktzahlungen verteilen. Wir müssen die Gelder stärker auf die aktiven, in der Region verwurzelten Landwirte konzentrieren und diejenigen, die eine Zukunftsperspektive haben wollen. Das können zum Beispiel Junglandwirte oder auch Tierhalter sein. Dabei müssen wir über eine Deckelung oder Degression der Zahlungen diskutieren. Das kann natürlich nicht heißen, dass in Ostdeutschland kein Geld mehr ankommt. Aber wir stellen fest, dass wir in allen Bundesländern bedenkliche agrarstrukturelle Entwicklungen vor allem durch außerlandwirtschaftliche Investoren haben. Das wird durch die aktuelle Ausformung der Direktzahlungen begünstigt. Wenn wir das nicht wollen, müssen wir etwas ändern. Der Leitsatz muss meines Erachtens heißen: Wir machen wieder Agrarstrukturpolitik.  


Die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln soll „transparenter, unabhängig und schneller werden“, heißt es im Sondierungspapier. Das Spektrum der Mittel soll „um neue und zielgenauere Wirkstoffe“ erweitert werden und der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln insgesamt verringert werden. Ist das nicht die Quadratur des Kreises?


Schmidt: In der Tat ist das eine schwierige Aufgabe. Dass wir in dieser Besetzung zu solchen Aussagen gekommen sind zeigt, dass wir auf den Pfad der Wissenschaftlichkeit zurückkommen. Ich will nichts auf Null stellen. Das halte ich für sehr wichtig und ist eine gute Basis für die weiteren Beratungen.


Die Grünen haben immer wieder die wachsenden Agrarexporte Deutschlands und der EU moniert. Wie sehen für Sie Agrarexporte unter fairen Bedingungen aus?


Schmidt: Machen wir doch einen Faktencheck. Niemand will Märkte in Entwicklungsländern stören. In vielen afrikanischen Ländern ist der Import von Agrargütern nach Deutschland höher als umgekehrt der Export nach Afrika. Und: Zielregion für deutsche Agrarexporte ist nicht Afrika sondern vor allem Asien. Ich freue mich, dass wir nicht über den Agrarexport an sich diskutieren, sondern darüber, wie wir künftig exportieren. 


Welche roten Linien gibt es für die CSU bei den Verhandlungen? Oder anders gefragt: Was muss für die CSU in diesem Bereich mindestens erreicht werden?


Schmidt: Wir können die Landwirtschaft nicht über Ordnungsrecht steuern. Wir müssen einen Rahmen schaffen, der den Landwirten Anreize und Planungssicherheit bietet, die notwendigen Veränderungen vornehmen zu können. Für eine solche Politik steht die Union und nicht für eine Orgie des Ordnungsrechts.   


Welcher Verhandlungsbereich ist nach aktuellem Stand der dickste Brocken?


Schmidt: Die beiden Kernfragen lauten: Schaffen wir es, den Landwirten in Deutschland die notwendige Planungssicherheit für die Zukunft zu geben? Und hat die Landwirtschaft bei allen Ansprüchen und Herausforderungen auch eine ökonomische Zukunftsperspektive?


Wie geht es jetzt weiter?


Schmidt: In den kommenden zwei Wochen müssen wir versuchen, die offenen Fragen zu lösen. Die ersten beiden Wochen Sondierung waren vielleicht die schöneren. Ich vermute, jetzt kommen die harten Tage.

 

Die Fragen stellte top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals.

 

Hinweis:Am 3. November hat der schleswig-holsteinische Umwelt- und Landwirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Grüne) den Stand der Sondierungsgespräche im Interview mit top agrar online bewertet und deutlich gemacht, was den Grünen für die weiteren Verhandlungen wichtig ist:


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