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Cross Compliance und Greening waren strategische Fehler

Die Ausrichtung der EU-Agrarpolitik auf hohe Direktzahlungen und deren Legitimation durch Cross- Compliance und Greening waren ein strategischer Fehler. Diese Ansicht vertrat der bisherige Vorsitzende der Agrarsozialen Gesellschaft (ASG), Dr. Martin Wille, bei der Herbsttagung der Gesellschaft in Göttingen.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Ausrichtung der EU-Agrarpolitik auf hohe Direktzahlungen und deren Legitimation durch Cross- Compliance und Greening waren ein strategischer Fehler. Diese Ansicht vertrat der bisherige Vorsitzende der Agrarsozialen Gesellschaft (ASG), Dr. Martin Wille, bei der traditionellen Herbsttagung der Gesellschaft in Göttingen.


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„Die Umweltbindung der Direktzahlung führt zu einer systembedingten Überbürokratisierung und ist zugleich ökologisch wenig effizient, erläuterte der frühere Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium den knapp 200 Teilnehmern der Tagung. Diese Politik führe in die Sackgasse.

 

Die bisherige Zwei-Säulen-Struktur hält Wille für überholt. Notwendig sei ein ökologischer Umbau der Landwirtschaft, wie das auch der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik gefordert habe. Dafür seien die Mittel der EU-Agrarpolitik zu verwenden. Die Verantwortung für den Mitteleinsatz und die Mittelverwendung will der SPD-Politiker dabei den Mitgliedstaaten übertragen. Mehr Subsidiarität mit einer verbesserten Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit der Mitgliedstaaten könne zur neuen Leitidee der GAP werden und damit für mehr Bürgernähe und weniger Bürokratie ist Wille überzeugt. „Wenn eine solche grundlegende Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik nicht gelingt, hat diese keine Zukunft.“

 

Direktzahlungen unverzichtbar ...

 

Soweit wollten die anderen Referenten aus Politik, Verbänden und Wissenschaft nicht gehen. Dass die EU-Agrarpolitik aber reformiert werden müsse, darin waren sich aber alle einig. Sie kamen allerdings zum Teil zu sehr unterschiedlichen Schlussfolgerungen und Vorschlägen für die künftige Gestaltung der europäischen Agrarpolitik. So bezeichnete Dr. Hermann Onko Aeikens, Staatssekretär im Landwirtschaftsministerium die Fortführung der GAP als unerlässlich. Allerdings gebe es „erheblichen Optimierungsbedarf“ in beiden Säulen. „Die Direktzahlungen der 1. Säule tragen derzeit zu über 50 % zum Gewinn der Landwirtschaftlichen Betriebe da. Deshalb sind bis auf weiteres unverzichtbar“, zeigte Aeikens den Bedarf auf.

 

Diese Einschätzung teilte auch für der Deutsche Bauernverband (DBV). „Die Direktzahlungen werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen ist der Stellvertretende Generalsekretärs Udo Hemmerling sicher“. Hemmerling betonte zugleich die Notwendigkeit von verstärkten Investitionen in den ländlichen Räume. Nur so könne beispielsweise eine Teilhabe der Land- und Forstwirtschaft und des gesamten ländlichen Raums an der Digitalisierung gewährleistet werden.

 

Dem wiedersprach der Stellvertretende Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), Ulrich Jasper. Er sieht bei der Verteilung der Direktzahlungen eine erhebliche Gerechtigkeitslücke. Deshalb hätten die AbL und die Verbändeplattform aus mehr als 30 Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutzverbänden und Gewerkschaften immer den Vorschlag unterstützt, die Zahlungen ab einer bestimmten Summe zu kappen. „Dies halten wir nach wir vor für richtig.“ Jasper empfahl darüber hinaus, die schon bestehenden Möglichkeiten für den Umbau der Direktzahlungen schon jetzt zu nutzen. „Deutschland kann bis zu 15 % der Direktzahlungen in die 2. Säule umschichten“, erinnerte er. Tatsächlich seien es aber nur 4,5 %. Andere Mitgliedstaaten täten mehr.

 

Nach Einschätzung des Leiters der Berliner Niederlassung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Heino von Meyer, kommt die Direktzahlungen des EU-Agrarhaushalts nicht nur wegen der unbefriedigenden Umweltbilanz und der ungleichen Verteilung, sondern auch durch bevorstehenden Brexit unter Druck. „Nach einem Austritt des Nettozahlers Großbritannien fehlen 10 Mrd. Euro pro Jahr. Es ist wenig wahrscheinlich das die verbleibenden Nettozahler allen voran Deutschland diesen Betrag kompensieren können und wollen“, so von Meyer. Das sieht Hemmerling ähnlich. Mit Blick auf die anstehenden Brexit-Verhandlungen forderte er darüber hinaus, auch nach einem Brexit den Marktzugang nach Großbritannien offen zu halten. Großbritannien sei für die deutsche Ernährungswirtschaft mit einem Exportvolumen von fast 5 Mrd Euro ein wichtiger Absatzmarkt.

 

Reformdruck auf die EU-Agrarpolitik entsteht nach Ansicht von Dr. Willi Schulz-Greve nicht nur aufgrund durch den Brexit. Auch der Klimawandel und die EU-Handelspolitik wirkten zum Beispiel auf die Ausgestaltung ein. Die Herausforderung sei es, die Politik so auszugestalten, dass sie den höchst unterschiedlichen Zielen bestmöglich gerecht werde.

 

... aber ökologisch unwirksam

 

Aktuelles Hauptproblem sei die mangelnde ökologische Wirksamkeit der Direktzahlungen, kritisierte der frühere Generaldirektor Umwelt in der EU-Kommission, Karl-Friedrich Falkenberg. Das gefährde massiv die Akzeptanz der EU-Agrarpolitik in der Öffentlichkeit. „Wir sollten die Mittel möglichst schnell in die 2. Säule umschichten“, forderte der Sonderberater von Kommissionspräsident Jean Claude Juncker, der kürzlich Vorschläge für eine nachhaltige EU-Agrarpolitik vorgelegt hatte.

 

Ein vernichtendes Zeugnis in Sachen Umwelt stellte auch der Leiter des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Universität Kiel, Prof. Dr. Friedhelm Taube, der EU-Agrarpolitik aus. „Sie hat zwar die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Landwirte verbessert, aber sämtliche Umweltziele verfehlt.“ Das gelte für den Wasserschutz (Umsetzung der Nitrat- und Wasserrahmenrichtlinie), für die Reduzierung der Ammoniakfrachten in der Luft (NEC-Richtlinie), wie auch für die Verringerung von Treibhausgasen. In nahezu allen Bereichen sei der relative Beitrag der Landwirtschaft zu den Umweltproblemen in den vergangenen Jahren gestiegen.

 

Diese Einschätzung teilte auch Dr. Elsa Nickel, Abteilungsleiterin im Bundesumweltministerium. Die Umweltwirkungen des Greenings seien marginal. Gleichzeitig kritisierte Nickel aber auch die Umsetzung der 2. Säule der EUR-Agrarpolitik. „Die derzeitige Umsetzung ist viel zu bürokratisch“, so ihr Fazit. Außerdem zögen Naturschutzmaßnahmen regelmäßig zugunsten von landwirtschaftlich orientierten Fördermaßnahmen den Kürzeren. Vor diesem Hintergrund sprach sich die Ministerialbeamtin für einen eigenständigen europäischen Fonds für Naturschutz aus. Als dessen Ziele nannte sie die zielgerichtete Umsetzung der Natura 2000-Richtlinie oder die Finanzierung von Gewässerschutzmaßnahmen.

 

Bundesländer wollen entbürokratisieren

 

Auch die Bundesländer haben ein großes Interesse an einer Vereinfachung der EU-Agrarpolitik. „Die GAP muss nach 2020 deutlich vereinfacht und verständlicher werden“, forderte der Abteilungsleiter im bayerischen Landwirtschaftsministerium, Konrad Schmid. Als wichtige Reformelemente für die Erste Säule nannte Schmid eine stärkere Umlegung der Direktzahlungen auf die ersten Hektare sowie einen Zuschlag für Dauergrünland, die Begrenzung von Cross Compliance auf wirkliche Risikobereiche sowie die Ausrichtung von Greening auf Leistungen, die für die Gesellschaft sichtbar seien.

 

Ein verwaltungsmäßiger Neuanfang in der 2. Säule ist für Daniel Gellner, Abteilungsleiter im sächsischen Landwirtschaftsministerium sogar zwingend. Dabei müsse es darum gehen, die ländlichen Entwicklungsprogramme zu entschlacken. Statt immer mehr Kontrollen, Kontrollbehörden und Kontrollmethoden seien wenige, klare Regelungen und mehr Eigenverantwortung auf regionaler Ebene notwendig. „Wir können den Bürokratie- und Kontrollaufwand ohne qualitative Einbußen um mehr als die Hälfte zurückschrauben,“ ist der Ministerialbeamte überzeugt. Anstelle kleinlicher zentraler Vorgaben müssten die Chancen für innovative Entwicklungen vor Ort gestärkt werden.

 

Die von seinem Haus vorgelegte Initiative „ELER-RESET“ könne ein Weg sein, in der nächsten Förderperiode eine tatsächliche, drastische Verwaltungsvereinfachung zu erreichen. In Brüssel sei der Vorschlag sehr positiv aufgenommen worden. Das bestätigt Dr. Martin Scheele von der EU-Kommission. „Wir wollen ernsthaft an einer Vereinfachung der Förderung. Da sind Vorschläge wie aus Sachsen sehr hilfreich.“

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