BWL-Studium, Karriere bei Henkel, der Ruf ins Ausland: 2015 zieht Jule die Reißleine. Sie will regionale Produkte online vermarkten und gründet den Lieferdienst „FrischePost“.
Am Wochenende scheint die Sonne. Möchtest Du vielleicht grillen? Gemüse oder Fleisch? Lamm oder Rind? Baguette, Salat und Dipp dazu“
Jule erzählt. Sie strahlt. „Unsere Kunden sind total verschieden. Die einen wollen jede Woche telefonieren. Sie wünschen sich genaue Infos. Die anderen sind gestresst, stehen im Job voll unter Strom. Sie bekommen diese kurzen Ja-Nein-Fragen per SMS. Das reicht!“
Jule: das ist Juliane Eichblatt, 29, Mittlere von drei Bauerntöchtern aus Kulpin bei Ratzeburg, Schleswig-Holstein. Vor drei Jahren, als der Henkel-Konzern die Marketing-Fachfrau gerade nach China versetzen will, trifft sie ihre Entscheidung für die Selbstständigkeit.
Mit Studienfreundin Eva Neugebauer mietet sie Räume am Hamburger Großmarkt. Schnell geht das Gründerinnen-Duo an den Start: moderne Homepage, junge Sprache, ganz viel Klinkenputzen in Speicherstadt, Altona und Eppendorf. „Volles Risiko! Ich wollte es einfach ausprobieren: Eine Online-Vermarktung für Hofprodukte. Ohne Umwege, vom Acker direkt in die Stadt. Ich hatte das jahrelang im Sinn,“ erklärt sie. „Wär‘s schief gegangen, würde ich jetzt eben wieder eine Angestellte sein.“
Jung, spritzig & erfolgreich
Doch mit ihrer Idee treffen Jule und Eva den Nerv der Zeit. Aktuell feiert FrischePost seinen dritten Geburtstag. Zum Unternehmen gehören heute 23 Mitarbeiter, acht Elektroautos und über 5000 Kundenkontakte. Das Angebot umfasst gut 950 Produkte, bio und konventionell. Zitrusfrüchte, Kaffee, Tee und Gewürze sind als „überregional“ gekenneichnet. Alle anderen Waren, ca. 90%, stammen von Bauern, Gärtnern und Metzgern aus dem Großraum Hamburg. Morgens geerntet, abends beim Kunden – das Prinzip kommt in der Hansestadt an.
Jule freut’s! Sie brennt für ihre Idee, merkt aber auch an, dass das Unternehmertum die freie Zeit für Partner, Freunde und Hobbys empfindlich reduziert. Ihr Tempo nimmt sie dennoch nicht zurück. Sie liebäugelt damit, die Hofscheune ihrer Eltern in eine Eventlocation zu verwandeln. Außerdem könnte sich ihr Vertriebskonzept doch auch in München und Köln etablieren? „Wir testen das, wachsen aber lieber langsam“, sagt Jule fröhlich und gelassen.
Immer wieder zeigt sich, dass ihr der Blick aufs Ganze wichtig ist. „Früher haben wir Mädchen mit meiner Mutter das Essen und den Kaffee aufs Feld gebracht. Einfach, damit es allen gut ging. Im Marketing heißt das Feel-Good-Manage- ment.“ Die Kunden schätzen dieses Fingerspitzengefühl.
