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EU-Agrarpolitik 2020: Wohin geht die Reise?

Viele Landwirte hadern mit der Bürokratie der Direktzahlungen, können sich dennoch kaum vorstellen, künftig auf die Gelder zu verzichten. Das wollen aber die Umweltverbände. Wie soll es jetzt weitergehen? Wir haben die wichtigsten Reformvorschläge für Sie ausgewertet.

Lesezeit: 8 Minuten

Viele Landwirte hadern mit der Bürokratie der Direktzahlungen, können sich dennoch kaum vorstellen, künftig auf die Gelder zu verzichten. Das wollen aber die Umweltverbände. Wie soll es jetzt weitergehen? Wir haben die wichtigsten Reformvorschläge für Sie ausgewertet.


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+++ Dieser Artikel stammt aus der neuen top agrar 6/2017 +++


Wenn mein Pufferstreifen im Rahmen des Greenings ein paar Zentimeter zu breit ist, drohen mir Abzüge bei den Direktzahlungen. Das ist doch Wahnsinn“, macht ein Landwirt seinem Ärger über die aktuelle EU-Agrarpolitik Luft. „Gleichzeitig haben wir regional unterschiedlich große Probleme mit der Grundwasserqualität und der Artenvielfalt“, schallt es aus dem Lager der Umweltverbände zurück. „Greening und Cross Compliance haben die Lage nicht verbessert.“


Viel Kritik


Diese beiden Schlaglichter machen deutlich: Das gegenwärtige System der EU-Agrarpolitik wird von vielen Seiten kritisiert. Die Landwirte sorgen sich, dass die in ihren Augen völlig überzogenen Vorgaben und Auflagen die Ziele Einkommenssicherung und internationale Wettbewerbsfähigkeit zunehmend gefährden. Die Unzufriedenheit geht soweit, dass nach den Ergebnissen einer Umfrage der Universität Kiel rund ein Drittel der befragten Landwirte in Zukunft lieber auf Gelder aus Brüssel verzichten würde, als sich weiter von Brüssel gängeln zu lassen (s. top agrar 4/2017, Seite 38).


Auf der anderen Seite stehen v. a. die Umweltvertreter. Ihnen geht die Lenkungswirkung der Flächenprämien für mehr Umweltschutz nicht weit genug. Viele Agrarumwelt- und Tierschutzprogramme der 2. Säule sind ihnen nicht zielorientiert genug. Sie fordern eine stärkere Verknüpfung der Zahlungen mit konkreten Schutzzielen und eine Marktpolitik, die sich vor allem an der EU-Nachfrage orientiert. „Öffentliches Geld nur noch für öffentliche Leistungen“ lautet ihre zentrale Forderung.


Wie geht es nach 2020 weiter?


Passt die 2-Säulen-Architektur noch oder ist in Zukunft ein ganz neues Fördermodell vonnöten? Inzwischen liegen dazu jede Menge Antwortvorschläge auf dem Tisch. Sie kommen von EU-Institutionen, Mitgliedstaaten, Parteien, aber auch vom Berufsstand, von Umweltverbänden oder aus der Wissenschaft und fallen je nach Blickwinkel ganz unterschiedlich aus.


Wir haben die 25 wichtigsten Diskussionspapiere für Sie ausgewertet (www.topagrar.com/gap2020). Grob vereinfacht lassen sich die Vorschläge in vier Gruppen (Cluster) gliedern, die jeweils ein gemeinsames Hauptziel verfolgen (Übers. 1). Es geht den verschiedenen Verfassern bei der künftigen Ausgestaltung der EU-Agrarpolitik entweder vorrangig um die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit, eine Ökologisierung der Agrarpolitik, eine Verzahnung von Wettbewerbsfähigkeit und Ökologisierung oder um die Förderung kleinerer Betriebe.


Um diese übergeordneten Ziele zu erreichen, sind in den Augen der Verfasser jeweils ganz unterschiedliche Maßnahmen erforderlich, die im Detail auch innerhalb eines Clusters sehr differenziert ausfallen können.


Übersicht 1: Über die Zukunft der EU-Agrarpolitik gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen



1. Kontinuität gefragt

 

Den Befürwortern des Clusters „Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit“ geht es vor allem darum, dass die deutsche und europäische Landwirtschaft nicht den Anschluss an die globalen Agrarmärkte verliert. Sie halten den bisherigen Kurs der zunehmenden Marktliberalisierung der EU-Agrarpolitik für richtig und wollen daher möglichst wenig am gegenwärtigen System ändern.


Vertreter dieser Denkrichtung sind vor allem die Bauernverbände und andere wirtschaftsnahe Akteure und Parteien. Für diese hat sich die 2-Säulen-Architektur grundsätzlich bewährt. Sie halten es allerdings für notwendig, das Fördersystem deutlich zu vereinfachen und zu entbürokratisieren.


Die EU soll auch weiterhin auf offene Märkte mit einem niedrigschwelligen Sicherheitsnetz setzen, die den deutschen und europäischen Landwirten Exportmöglichkeiten eröffnet. Dafür fordern sie von der EU faire Wettbewerbsbedingungen.


Wenn die Sozial-, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutzstandards nicht vergleichbar sind, müsse die EU einen finanziellen Ausgleich schaffen, argumentieren sie. Deshalb seien weiterhin Direktzahlungen notwendig. Die Befürworter dieser Politik verweisen dabei auch darauf, dass die Direktzahlungen EU-weit über 30 % der durchschnittlichen landwirtschaftlichen Einkommen ausmachen.


Die Direktzahlungen sollen weiterhin durch eine finanziell gut ausgestattete 2. Säule flankiert werden, die ausreichende Anreize schafft, freiwillige Agrarumwelt-, Klima- oder Tierschutzprogramme in Anspruch zu nehmen, um darüber die Schutzziele für Boden, Wasser, Luft und Artenvielfalt zu erreichen.


Darüber hinaus wünschen sich die Befürworter einer Weiterführung der aktuellen EU-Agrarpolitik aber auch neue Angebote, die zum Beispiel zu einer besseren Absicherung von Preis und Ertragsrisiken (unter anderem Förderung von Versicherungslösungen) führen oder helfen, praxisreife Innovationen vor allem im Stallbau schneller umzusetzen.


2. Konsequent ökologisieren

 

Die Weiterführung der aktuellen EU-Agrarpolitik stellen die Verfechter einer „Ökologisierung der Agrarpolitik“ nachdrücklich in Frage. Deren Vertreter, zu der vor allem die Umweltverbände und die Grünen zählen, fordern im Kern eine Abkehr von der gegenwärtigen Marktorientierung und eine „Überwindung der Exportfixierung“, da diese der angestrebten Qualitätsstrategie der Landwirtschaft entgegenstehen.


Die Direktzahlungen sollen schrittweise auslaufen und künftig nur noch die gesellschaftlichen Leistungen der Landwirte honoriert werden. Dazu zählen zum Beispiel besondere Aktivitäten zur Sicherung der Boden-, Wasser- und Luftqualität sowie zur Erhaltung der Kulturlandschaft und der Artenvielfalt.


Auch Stallbauten würden nur noch gefördert, wenn sie der Verbesserung des Tierwohls dienen. Die Förderung soll dabei so ausgestaltet sein, dass sie nicht nur einen Ausgleich für die Mehrkosten schafft, sondern die zusätzlichen Leistungen der Landwirte einkommenswirksam vergütet. Natürlich sprechen sich auch die Befürworter einer stärker ökologisch ausgerichteten Agrarpolitik für einfachere Förderansätze aus. Umwelt- und Naturschutzverbände betonen aber, dass ein höherer Verwaltungsaufwand durch den verbesserten Umweltnutzen durchaus zu rechtfertigen sei. Deshalb wollen sie die Landwirte im Zweifel über kostenfreie Beratungsangebote und Verwaltungskostenbeihilfen entlasten.


Die gesamte EU-Agrarpolitik soll konsequent darauf ausgerichtet werden, das Umwelt-, Klima- und Tierschutzniveau anzuheben. Wenn die Förderanreize nicht ausreichen, die Schutzziele zu erreichen, müsse ergänzend das Ordnungsrecht auf EU-Ebene verschärft werden, lautet die Strategie.


Sofern notwendig, soll die EU aktiv in die Märkte eingreifen und mengenbegrenzende Maßnahmen erlassen können. Über EU-weite Regeln zur Kennzeichnung will man den Verbrauchern die Möglichkeit geben, besonders nachhaltig erzeugte Lebensmittel aus heimischer Produktion eindeutig zu identifizieren, um entsprechende Kaufentscheidungen treffen zu können.


Die EU wird aufgefordert, beim Export von Agrargütern jegliches Dumping zu unterbinden und die Verantwortung für Schutzmaßnahmen nicht auf die Importländer abzuwälzen. Ob Brüssel umgekehrt auch einen qualifizierten Außenschutz zur Abwehr von Importen, die nicht EU-Qualitätsstandards entsprechen, einführen soll, bleibt dagegen unklar.


3. Weiterentwicklung notwendig

 

Im dritten Cluster wurden die Vorschläge zusammengefasst, die auf eine Modernisierung der EU-Agrarpolitik setzen und dabei „Wettbewerbsfähigkeit und Ökologisierung“ verzahnen wollen.


Den Befürwortern dieses Ziels, zu denen zum Beispiel die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft gehört, geht es darum, die EU-Agrarpolitik stärker an den gesellschaftlichen Erwartungen auszurichten, ohne sich von der bisherigen Marktorientierung zu verabschieden. Ihnen ist klar, dass es zum Beispiel keinen Vertrauensschutz für dauerhafte Direktzahlungen gibt.


Deshalb wollen sie die zukünftige Förderung zunehmend an die Erbringung öffentlicher Güter koppeln. Sie schlagen vor, den Erfolg der Förderung auf betrieblicher Ebene über definierte Nachhaltigkeitsindikatoren zu messen.


Die Unterstützer einer solchen Ausrichtung der EU-Agrarpolitik sind strikt gegen staatliche Markteingriffe und Marktregulierungen. Der internationale Agrarhandel leiste einen unverzichtbaren Beitrag zur globalen Ernährungssicherung. Offene Handelswege glichen räumliche, zeitliche, quantitative und qualitative Ungleichgewichte zwischen Angebot und Nachfrage aus, argumentieren sie.


Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, plädieren sie für international verbindliche Standards zu Nachhaltigkeit, für gutes Regieren und für konsequente Korruptionsbekämpfung. Wie sie das angesichts eines wieder wachsenden Protektionismus und scheiternder multinationaler Handelsabkommen durchsetzen wollen, lassen sie offen.


4. Kleine Betriebe stärker fördern

 

Für die Befürworter des vierten Clusters ist die Strukturfrage entscheidend. Vertreter dieser Politik wollen v. a. die kleinen Betriebe stärker fördern, weil diese ihrer Ansicht nach „besondere gesellschaftliche Leistungen“ erbringen. Welche Leistungen das sind, wird oft eher vage thematisiert (z. B. die mögliche Bereitstellung klein strukturierter Landschaften). 


Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, einige Umwelt- und Naturschutzverbände sowie die Grünen kritisieren in diesem Zusammenhang immer wieder, dass die Direktzahlungen vorrangig den flächenstarken Betrieben zu Gute kommen. Es sei ungerecht, dass die hektarbezogenen Direktzahlungen für große Betriebe genauso hoch sind wie die der kleineren Betriebe, obwohl die flächenstarken Betriebe deutliche größenbedingte Kostenvorteile haben.


Noch in der laufenden Förderperiode bis 2020 wollen sie daher die kleineren Betriebe stärker fördern. Rechtlich wäre es möglich, bis zu 30 % der Direktzahlungen auf die ersten Hektare eines Betriebes umzulegen. Deutschland nutzt diese Möglichkeit bislang nur zum Teil und verlagert etwa 7 % der Direktzahlungen auf die ersten 46 Hektar eines Betriebes. Das entspricht einem Bonus von insgesamt knapp 2 000 € pro Betrieb und Jahr.


Auch die Unterstützer dieser Politik sprechen sich wie diejenigen, die eine stärkere Ökologisierung der Agrarpolitik wollen, für eine schrittweise Abschaffung der Direktzahlungen und eine konsequente Ausrichtung der Förderung an die Erbringung gesellschaftlicher Leistungen aus.


Allerdings müssten dabei die besonderen Leistungen der kleineren Betriebe besonders honoriert werden, fordern sie. Markteingriffe und Marktregulierungen halten sie bei Bedarf für vertretbar und geboten.


Was wollen Sie?


Welche Schlussfolgerungen Agrarkommissar Hogan aus den vier sehr unterschiedlichen Grundpositionen für die zukünftige Ausrichtung der EU-Agrarpolitik zieht, ist noch völlig offen (siehe Kasten). Helfen Sie dem Agrarkommissar bei seiner Entscheidung und sagen Sie uns, welche Vorschläge Ihnen als Landwirt zusagen? Welche EU-Agrarpolitik halten Sie für notwendig? Wir freuen uns auf Ihre Meinung! Die Ergebnisse lesen Sie in top agrar.


Hier geht’s zur Umfrage: www.betriebslehre.agric-econ.uni-kiel.de/de

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