Die EU-Bedürftigenhilfe wird immer mehr zu einem Zankapfel zwischen Befürwortern und Gegnern. Auf dem Agrarrat in Luxemburg setzte sich EU-Agrarkommissar Dr. Dacian Ciolos nachdrücklich dafür ein, die Möglichkeit zur Beschaffung von Lebensmitteln am Markt mit Mitteln des Agrarhaushalts zu eröffnen.
Wie der Europäische Gerichtshof (EuGH) unlängst in einem von Deutschland angestrengten Verfahren klargestellt hat, darf auf Zukäufe gemäß den aktuellen Bestimmungen nur in Ausnahmefällen zurückgegriffen werden. Vorrangig dient die Regelung dem Abbau von Interventionsbeständen.
Während Deutschland, Großbritannien und die Niederlande eine Ausweitung der Regelung erneut ablehnten und auf das EuGH-Urteil verwiesen, sehen die Nutznießer, insbesondere Italien, Frankreich und zahlreiche neue Mitgliedstaaten ihre Felle davon schwimmen: Sie haben die Millionenbeträge aus Brüssel fest in ihre Hilfsprogramme eingeplant. Diese Länder können für 2012 nur mit rund einem Fünftel des Betrages rechnen, den sie im Vorjahr erhielten. Grund sind die beinahe ausgeschöpften öffentlichen Vorräte an Milchpulver und Getreide, die einen Wert von rund 113 Mio Euro darstellen.
„Hätte ich nicht die Entscheidung getroffen, die verbleibenden Bestände frühzeitig für die Bedürftigenhilfe 2012 zu reservieren, dann wäre gar nichts übriggeblieben“, warnte Cioloş. Genau das befürchtet er jetzt für das Folgejahr. Wenn die Mitgliedstaaten wollten, dass 2013 kein einziger Euro für die Maßnahme zur Verfügung stehe, dann sollten sie das auch sagen, so der Kommissar. Die Verantwortung liege beim Rat.
Unterdessen besteht die von Berlin angeführte Sperrminorität, mit der ein Ausbau der Bedürftigenhilfe im Rat blockiert wird, weiter fort. Zünglein an der Waage ist offenbar Tschechien, das sich im Laufe der Aussprache aber nicht zu Wort meldete. Sollte Prag auf die Seite der Befürworter wechseln, stünde Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner, die keine sozialpolitischen Programme anderer Mitgliedstaten finanzieren will, auf verlorenem Posten. Polen kündigte bereits an, das Thema im Laufe seiner EU-Ratspräsidentschaft weiter zu verfolgen. (AgE)