Wer beim Katholikentag in Münster die landwirtschaftlichen Veranstaltungen besucht hat, konnte es spüren: Die Einstellung der Verbraucher zur Landwirtschaft verändert sich. Es reicht ihnen nicht mehr, hochwertige, leckere und sichere Lebensmittel zu bekommen.
Ein Kommentar von top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals:
Wer beim Katholikentag in Münster die landwirtschaftlichen Veranstaltungen besucht hat, konnte es spüren: Die Einstellung der Verbraucher zur Landwirtschaft verändert sich. Es reicht ihnen nicht mehr, hochwertige, leckere und sichere Lebensmittel zu bekommen. Immer mehr wollen eine Landwirtschaft, die Boden, Wasser und Luft schont, aktiv etwas gegen das Insektensterben und für mehr Tierwohl tut.
Das belegen auch die Ergebnisse einer Studie der Universität Göttingen. Danach sind 80 % der Teilnehmer einer repräsentativen Befragung der Meinung, dass Nutztiere geschlachtet werden dürfen, wenn diese zuvor ein gutes Leben hatten (siehe S. 20 in der neuen top agrar 6/2018). Das heißt aber auch, dass 20 % der Befragten eine Nutzung von Tieren „eigentlich“ ablehnen.
Bei einem Vegetarier- und Veganer-Anteil von vier bis fünf Prozent hält sich derzeit nur etwa jeder Vierte an seine eigenen Moralvorstellungen und verzichtet auf Fleisch.
Der Lebensmittelhandel beobachtet diese Entwicklung mit Argusaugen. Rund 1 700 Posts und Meldungen bekommt allein Aldi Süd jeden Tag von besorgten Verbrauchern. Viele fragen nach Herkunft der Produkte und wie diese erzeugt worden sind.
Das Aldi-Management nimmt diese Botschaften sehr ernst. Wenn bestimmte Produkte nicht mehr gewünscht werden, verbannt der Discounter diese Waren radikal aus seinen Regalen. Die Käfigeier sind dafür das Paradebeispiel. Die Haltungskennzeichnung von Frischfleisch bei Lidl könnte eine ähnliche Wirkung entfachen. Die Politik wird auf die veränderte Einstellung der Bürger reagieren und in Zukunft viel konsequenter ordnungsrechtlich eingreifen. Das schnelle kompromisslose Verbot der Neonicotinoide zeigt, wie es demnächst laufen wird.
Was heißt das für die Landwirte? Eine Defensivtaktik mit Tempoverschleppung ist keine Option. Besser ist es, die künftigen Rahmenbedingungen aktiv und offensiv mitzugestalten. So wie der Deutsche Bauernverband es beim Thema Tierwohl tut. Er fordert – wie andere auch – eine verbindliche Haltungskennzeichnung. Dagegen sträubt sich Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner – noch. Sie setzt alternativ auf ein freiwilliges Tierwohllabel (Seite 30, Ausgabe 6).
Selbst wenn man sich einigt, wäre aber noch nichts gewonnen. Die Landwirte brauchen auch die Zusage der Abnehmer, dass diese wirklich auf Produkte mit höheren Standards setzen. Sonst kauft die große Mehrzahl der Kunden weiter über den Preis.
Julia Klöckner muss einen „Pakt für die Landwirtschaft“ organisieren, der wie folgt aussieht: Die Bauern liefern Lebensmittel mit mehr Tierwohl und mehr Umweltschutz nach definierten höheren Standards. Im Gegenzug listen der Lebensmittelhandel und die Großverbraucher (z. B. Kantinen und Restaurantketten) die Billigprodukte aus, die diese Standards nicht haben. Ausländische Produkte würden damit nicht diskriminiert, der Wettbewerb nicht verzerrt. Das wäre ein Signal an die Bauern, dass Handel und Verbraucher es mit mehr Tierwohl und Umweltschutz wirklich ernst meinen.
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Ein Kommentar von top agrar-Chefredakteur Dr. Ludger Schulze Pals:
Wer beim Katholikentag in Münster die landwirtschaftlichen Veranstaltungen besucht hat, konnte es spüren: Die Einstellung der Verbraucher zur Landwirtschaft verändert sich. Es reicht ihnen nicht mehr, hochwertige, leckere und sichere Lebensmittel zu bekommen. Immer mehr wollen eine Landwirtschaft, die Boden, Wasser und Luft schont, aktiv etwas gegen das Insektensterben und für mehr Tierwohl tut.
Das belegen auch die Ergebnisse einer Studie der Universität Göttingen. Danach sind 80 % der Teilnehmer einer repräsentativen Befragung der Meinung, dass Nutztiere geschlachtet werden dürfen, wenn diese zuvor ein gutes Leben hatten (siehe S. 20 in der neuen top agrar 6/2018). Das heißt aber auch, dass 20 % der Befragten eine Nutzung von Tieren „eigentlich“ ablehnen.
Bei einem Vegetarier- und Veganer-Anteil von vier bis fünf Prozent hält sich derzeit nur etwa jeder Vierte an seine eigenen Moralvorstellungen und verzichtet auf Fleisch.
Der Lebensmittelhandel beobachtet diese Entwicklung mit Argusaugen. Rund 1 700 Posts und Meldungen bekommt allein Aldi Süd jeden Tag von besorgten Verbrauchern. Viele fragen nach Herkunft der Produkte und wie diese erzeugt worden sind.
Das Aldi-Management nimmt diese Botschaften sehr ernst. Wenn bestimmte Produkte nicht mehr gewünscht werden, verbannt der Discounter diese Waren radikal aus seinen Regalen. Die Käfigeier sind dafür das Paradebeispiel. Die Haltungskennzeichnung von Frischfleisch bei Lidl könnte eine ähnliche Wirkung entfachen. Die Politik wird auf die veränderte Einstellung der Bürger reagieren und in Zukunft viel konsequenter ordnungsrechtlich eingreifen. Das schnelle kompromisslose Verbot der Neonicotinoide zeigt, wie es demnächst laufen wird.
Was heißt das für die Landwirte? Eine Defensivtaktik mit Tempoverschleppung ist keine Option. Besser ist es, die künftigen Rahmenbedingungen aktiv und offensiv mitzugestalten. So wie der Deutsche Bauernverband es beim Thema Tierwohl tut. Er fordert – wie andere auch – eine verbindliche Haltungskennzeichnung. Dagegen sträubt sich Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner – noch. Sie setzt alternativ auf ein freiwilliges Tierwohllabel (Seite 30, Ausgabe 6).
Selbst wenn man sich einigt, wäre aber noch nichts gewonnen. Die Landwirte brauchen auch die Zusage der Abnehmer, dass diese wirklich auf Produkte mit höheren Standards setzen. Sonst kauft die große Mehrzahl der Kunden weiter über den Preis.
Julia Klöckner muss einen „Pakt für die Landwirtschaft“ organisieren, der wie folgt aussieht: Die Bauern liefern Lebensmittel mit mehr Tierwohl und mehr Umweltschutz nach definierten höheren Standards. Im Gegenzug listen der Lebensmittelhandel und die Großverbraucher (z. B. Kantinen und Restaurantketten) die Billigprodukte aus, die diese Standards nicht haben. Ausländische Produkte würden damit nicht diskriminiert, der Wettbewerb nicht verzerrt. Das wäre ein Signal an die Bauern, dass Handel und Verbraucher es mit mehr Tierwohl und Umweltschutz wirklich ernst meinen.