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Flucht in die Landwirtschaft

Viele Landwirte suchen händeringend Mitarbeiter. Viele Flüchtlinge wollen unbedingt arbeiten. Wie läuft die Zusammenarbeit? Wir haben uns umgehört. Der Arbeitskräftemangel in den grünen Berufen ist groß. Einheimische Mitarbeiter sind kaum zu finden.

Lesezeit: 14 Minuten

Viele Landwirte suchen händeringend Mitarbeiter. Viele Flüchtlinge wollen unbedingt arbeiten. Wie läuft die Zusammenarbeit? Hanne Honerlagen und Maria Meinert haben sich umgehört.


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Der Arbeitskräftemangel in den grünen Berufen ist groß. Einheimische Mitarbeiter sind kaum zu finden. Zahlreiche Flüchtlinge könnten den Engpass schließen, wenn die strengen rechtlichen Vorgaben erfüllt sind und die Einstellung stimmt – auf beiden Seiten, bei Landwirt und Flüchtling.


Wir haben zwei Betriebsleiter besucht. Trotz bürokratischer Hürden und unterschiedlicher Muttersprachen beschäftigen Carl Niehues aus Sendenhorst-Albersloh (Nordrhein-Westfalen) und Frederik Lutze aus Hohenweststedt (Schleswig-Holstein) Flüchtlinge. Mit Erfolg. Sie können sich auch zukünftig auf ihre Mitarbeiter aus Nigeria und dem Irak verlassen. Voraussetzung ist allerdings, dass beide Seiten mit Offenheit, Toleranz, und Optimismus aufeinander zugehen. Auch eine gewisse Neugier und der Mut über den eigenen, kulturellen Tellerrand zu schauen, darf nicht fehlen.


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Angelernt auf lange Sicht



Carl Niehues ist erleichtert. Victor ist jetzt Auszubildender auf seinem Betrieb. Nach sieben Monaten Flucht und einem halben Jahr Ungewissheit. Und er bleibt, auch nach der Ausbildung.


Dass Victor Okeibunor bleiben darf war ein Drahtseilakt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatte den Asylantrag des 29-jährigen Nigerianers abgelehnt und wollte ihn zurück in seine Heimat schicken. Dabei hatte er gerade auf dem Ackerbau- und Schweinebetrieb von Carl Niehues (31) in Sendenhorst-Albersloh Fuß gefasst.


Doch noch bevor das BAMF zur Anhörung einläd, starten Niehues und Victor durch. Mit Geduld und viel Unterstützung aus der Gemeinde schaffen sie es durch den deutschen Bürokratiedschungel.


Victor ist jetzt Auszubildender bei Carl Niehues. Für die Zeit der Ausbildung und zwei weitere Jahre danach ist er sicher. Vorausgesetzt er bleibt bei Niehues auf dem Betrieb. Und das ist der Plan. „Ich brauche Victor als festen Mitarbeiter“, sagt der Betriebsleiter.


Gute Arbeitskräfte sind Mangelware. Mit der Flüchtlingswelle sind rund 1,5 Mio. Asylsuchende in Deutschland angekommen. Mehr als die Hälfte werden dauerhaft bleiben. Viele Flüchtlinge sind hochgebildet und wollen in Deutschland Fuß fassen. Eine einzigartige Chance für die Landwirtschaft? Für Carl Niehues auf jeden Fall.


Problemlos ins Praktikum


Bis Januar 2016 schmeißen Carl Niehues und sein Vater den Betrieb mit 1500 Schweinen und 95 ha Ackerbau allein. Schon lange war klar, auf die Dauer geht das nicht.


Ende Dezember 2015 halten zwei Asylsuchende mit Fahrrad vor Niehues Haustür und fragen nach Arbeit. Hals über Kopf kann er sie nicht einstellen, aber ein paar Wochen später fährt er ins nahegelegene Flüchtlingswohnheim Rinkerode. Dort lernt Niehues Victor kennen. Victor ist damals 27 Jahre alt, gelernter Klimatechniker und Elektriker und will unbedingt arbeiten. Schon am nächsten Tag holt Niehues ihn zur Probearbeit ab.


Mit Erfolg: „Victor passt rein“, findet Niehues und stellt ihn zunächst für drei Monate als Praktikanten ein. Dafür muss er die Erlaubnis der örtlichen Ausländerbehörde einholen. Das steht so in Victors Identitätsdokument, das er von der Ausländerbehörde bekommen hat. Denn ob ein Asylsuchender in Deutschland arbeiten darf, hängt von seinem Aufenthaltsstatus ab. Der wiederum ergibt sich aus dem formalen Asylantrag, den der Flüchtling bei seiner Einreise gestellt hat und in einer Anhörung begründet. Die Bearbeitung des Asylgesuchs und die Verleihung des Aufenthaltsstatus übernimmt das BAMF.


Victor hat zu dem Zeitpunkt als Niehues ihn Anfang 2016 kennenlernt den Aufenthaltsstatus „gestattet“. Er hatte bereits seinen Asylantrag gestellt, seine Anhörung stand aber noch aus. Das BAMF hatte also noch nicht entschieden, ob Victor Asyl gewährt wird oder nicht. Für die Arbeitserlaubnis war das vorerst kein Problem. Da Victor schon mehr als drei Monate zuvor seinen Asylantrag gestellt hatte und in seinem Pass kein ausdrückliches Arbeitsverbot aufgeführt war, stimmte die Ausländerbehörde dem Praktikum auf Niehues Betrieb postwendend zu.


Die Anmeldung bei der Versicherung und dem Steuerberater erfolgte wie bei einem deutschen Arbeitnehmer. „Problemlos“, erinnert sich Niehues.



Allrounder mit Geschick


Niehues bildet seinen Praktikanten zum Allrounder aus. Viel länger als bei inländischen Mitarbeitern hat das nicht gedauert. Im Gegenteil: Schnell fällt Niehues das technische Geschick von Victor auf. Schon nach zwei Wochen befüllt dieser die Annahme der Biogasanlage allein.


Niehues Vater übernahm Victors Ausbildung in der Außenwirtschaft. Auf dem Feld grubberte, pflügte und kreiselte er bald alleine. Auf die Straße darf er nicht. „Trecker fahren macht Spaß, dabei kann man Musik hören“, freut sich Victor. Er passt so gut ins Team, dass sich Vater und Sohn entschieden, ihn nach dem Praktikum auf 450 €-Basis anzustellen.


Ruhe vor dem Sturm


Weil sich das Arbeitsverhältnis damit änderte, mussten sie erneut die Ausländerbehörde um Erlaubnis fragen. Schließlich hatte Victor nach wie vor nur eine „Gestattung“ mit eingeschränkter Arbeitserlaubnis. Die Behörde kann das Arbeitsverhältnis einschränken, oder die Arbeitsbedingungen auf dem Betrieb prüfen, bevor sie ihre Erlaubnis gibt. Bei Niehues hatte aber niemand Bedenken: „Die Arbeitserlaubnis hatten wir nach drei Tagen.


Auch die Ummeldung beim Steuerberater war kein Problem“, erinnert er sich. Im Nachhinein hätte Victor auch in ein sogenanntes Einstiegsqualifizierungsjahr starten können. Das ist ein sechs- bis zwölfmonatiges Praktikum, das von der Agentur für Arbeit bezuschusst wird. Niehues hat diese Förderung nicht in Anspruch genommen.


„Ich weiß nicht, wie sicher das für Victor mit seinem Aufenthaltsstatus gewesen wäre“, erklärt er. Dafür beantragt er die Einstiegsförderung für Flüchtlinge bei der Behörde. Mit gut 300 € pro Monat wurde Niehues drei Monate lang unterstützt.


Da selbstverständlich auch bei Flüchtlingen der Mindestlohn gilt, arbeitet Victor halbtags. Vormittags besucht er einen Deutschkurs. „Das passt mit den Stunden richtig gut“, freut sich Niehues.


Halbjährige Zitterpartie


Das BAMF entscheidet im Schnitt nach drei Monaten, ob ein Asylsuchender in Deutschland bleiben darf oder nicht. Obwohl Victor seinen Asylantrag schon im Herbst 2015 gestellt hatte, stand im Frühling 2016 noch nicht einmal der Termin für die Anhörung fest.


Weil Victor aus Nigeria kommt und seine Flucht nicht rein politisch motiviert war, rechneten die Ehrenamtler aus Rinkerode Victor keine großen Bleibechancen aus. Eine Zitterpartie für Niehues und Victor. Sollte das BAMF Victors Asyl tatsächlich ablehnen, würde Victor seine Gestattung verlieren und müsste ausreisen. Wann genau, entscheidet dann die örtliche Ausländerbehörde. Je nach Fall muss die Ausreise nach der Asylablehnung innerhalb eines Monats vonstattengehen.


Niehues wünscht sich eine bessere Lösung von der Politik. „Wir brauchen solche motivierten Leute wie Victor in der Landwirtschaft und wir brauchen Planungssicherheit,“ findet er und nahm das Ganze selbst in die Hand.


Ausbildung als Wildcard


Bevor das BAMF Victors Asylantrag ablehnen konnte, bot Niehues Victor im Sommer 2016 einen Ausbildungsplatz an. Für die Zukunft hatten Niehues und Victor das sowieso angedacht. „Ohne Abschluss geht’s in Deutschland nicht“, findet Niehues. Das zweite Plus der Ausbildung: Beginnt ein Asylsuchender eine Lehre, ist er für die gesamte Dauer der Ausbildung „geduldet“, egal ob sein Asylantrag in der Zeit abgelehnt wird oder nicht. Übernimmt der Lehrbetrieb den Flüchtling nach der Ausbildung, ist er auch in den ersten zwei Jahren nach der Ausbildung in Deutschland geduldet. Danach ist eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis möglich.


„Eine Ausbildung ist wie eine Wildcard“, so Niehues. Und dementsprechend schwer zu bekommen.

Damit Victor seine Ausbildung beginnen durfte, musste wieder die Ausländerbehörde zustimmen. Niehues und Victor mussten dafür unzählige Dokumente vorlegen, u.a. Victors Geburtsurkunde und seine Wahlberechtigung aus Nigeria – aber immer erst auf Nachfrage. „Wie ein Bauantrag: Wenn man nicht dranbleibt, passiert nichts“, erinnert sich Niehues.


Zum Glück hatten sie tatkräftige Unterstützung von Frau Markashyna von der Arbeitsagentur Münster-Ahlen, die bei der Kommunikation mit der Behörde half. Dennoch, von Februar bis Juli 2016 ist für Victor alles ungewiss. Zwei Wochen vor Ausbildungsbeginn dann die große Erleichterung: Gerade noch rechtzeitig konnte er Anfang August 2016 seine Ausbildung auf dem Hof Niehues beginnen.


Auch wenn Victor deutsch sehr gut versteht, die Grammatik fiel ihm so schwer, dass Niehues ihn ein Jahr nach Ausbildungsbeginn in die Werkerausbildung zurückstufte. „Die Betreuung in der Werkerklasse ist optimal, es sind nur vier Schüler“, erklärt Niehues den Schritt. Die Umstufung ist nur in wenigen Bundesländern möglich, Nordrhein-Westfalen gehört dazu. Seitdem macht Victor deutliche Fortschritte. „Er hatte in den letzten beiden Tests eine zwei, da sind wir sehr stolz drauf“, freut sich Niehues.


Zu Hause in Rinkerode


Bei Familie Niehues fühlt Victor sich wohl. Er ist bei jedem Fest, wie an Geburtstagen, zur Kindstaufe oder Ostern, mit dabei. Seine eigene Familie hat Victor seit seiner Flucht 2015 nicht mehr gesehen. Mit zwei von seinen Geschwistern hält er aber über Facebook Kontakt. „Meine Familie wird nicht bedroht“, weiß er seitdem. Das beruhigt.


Auch der Ausbildungsvertrag gibt ihm eine Sicherheit, die er lange nicht hatte. „Ich möchte jetzt endlich richtig in Deutschland ankommen“, sagt er. Niehues freut sich, dass der Nigerianer auch nach seiner Ausbildung bleiben wird. Anders als viele andere Auszubildende hat Victor keinen Betrieb zu Hause, auf den er später zurückkehren möchte. „Anlernen auf lange Sicht“, lautet Niehues Motto.


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Der Weg zur Arbeitserlaubnis



Die Arbeitserlaubnis muss der Flüchtling bei der Ausländerbehörde beantragen. Dazu füllen Sie als potenzieller Arbeitgeber eine Stellenbeschreibung aus, u.a. mit dem zeitlichen Umfang der Stelle und der Vergütung. Die entsprechende Vorlage bekommen Sie bei der Ausländerbehörde oder beim Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit. Die Stellenbeschreibung reichen Sie bei der Ausländerbehörde ein.


Die Ausländerbehörde schaltet die Agentur für Arbeit ein. Diese prüft die Beschäftigungsbedingungen, zum Beispiel ob das Gehalt ortsüblich ist. Das Ergebnis der Prüfung bekommt die Ausländerbehörde. Diese stellt dann Ihrem Flüchtling die schriftliche Arbeitserlaubnis aus. Die Ausländerbehörde sowie der Arbeitgeberservice helfen Ihnen vor Ort bei den Schritten zu einer Arbeitserlaubnis. Die Praxiserfahrungen zeigen, dass Ehrenamtler aus der Gemeinde oft erfolgreich bei der Vermittlung zwischen Betriebsleiter und Ausländerbehörde bzw. Arbeitgeberservice helfen.


Das Verfahren dauert im Schnitt vier Wochen, kann aber zeitlich stark variieren. Ändert sich das Beschäftigungsverhältnis, z.B. vom 450 €-Job zur Festanstellung, müssen Sie und Ihr Flüchtling eine neue Arbeitserlaubnis beantragen. Wichtig: Stellen Sie Ihren Flüchtling erst ein, wenn die Arbeitserlaubnis vorliegt.


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Klare Absprachen helfen



Treffen unterschiedliche Kulturen und Religionen aufeinander, kann es Irritationen und Missverständnisse geben. Sie beugen Problemen vor, wenn Sie diese im Vorfeld offen und klar ansprechen:

  • Religion: Fragen Sie Ihren Flüchtling, welche Religion er hat und wie er seinen Glauben lebt. Probleme kann es z.B. bei muslimischen Flüchtlingen geben, weiß Schweinemäster Jürgen Rohwer aus Brammer: „Wir hatten einen muslimischen Flüchtling angestellt. Seine Betzeiten und Essensvorgaben konnten wir leider nicht mit unserem Arbeitskonzept vereinen. Außerdem wollte er nicht mit Schweinen arbeiten.“ Nach 12 Wochen musste Rohwer deswegen das Arbeitsverhältnis beenden.
  • Umgang mit Frauen: Frauen haben in vielen Herkunftsländern der Flüchtlinge keine gleichberechtigte Stellung. „Unser Flüchtling hat meine Anweisungen ignoriert“, erinnert sich eine Agrarstudentin aus dem Kreis Cloppenburg. Sie arbeitet auf dem Hof ihrer Eltern. Der Gedanke, dass die Frau dem Mann unterstellt ist, saß zu tief. Die Familie musste das Arbeitsverhältnis beenden.
Vermitteln Sie Ihrem Flüchtling klar und deutlich , dass Sie auf Ihrem Betrieb einen respektvollen Umgang mit den weiblichen Familienmitgliedern und Mitarbeiterinnen verlangen und dass sie auch Anweisungen von weiblichen Vorgesetzten annehmen müssen.

  • Verlässlichkeit: Vermitteln Sie Ihrem zukünftigen Mitarbeiter, dass Sie absolute Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit erwarten. Oft kommt es zu Missverständnissen ohne böse Absicht, weiß Theo Wöstmann von der DEULA in Warendorf. Ein Flüchtling, den er vermittelt hatte, erschien eines Morgens nicht zur Arbeit – weil es regnete. „In manchen Ländern arbeitet man nicht bei Regen“, weiß Wöstmann jetzt. Ein Gespräch zwischen Flüchtling und Betriebsleiter hat geholfen, Probleme gab es seitdem nicht mehr.
Vergessen Sie nicht, dass für die Flüchtlinge vieles absolut neu ist und sie die Regeln erst lernen müssen. Versuchen Sie insbesondere zu Beginn geduldig und tolerant zu sein. Prüfen Sie, inwieweit beide Seiten Kompromisse eingehen können.


Vermitteln Sie Ihrem neuen Mitarbeiter unsere Kultur und nehmen Sie ihn mit zu Feiern und Veranstaltungen im Dorf. Das schafft neue Kontakte. Aber machen Sie Ihm keinen Druck. Stellen Sie sich vor, wie Sie sich fühlen würden, wenn Sie in ein fremdes Land kämen und möglichst schnell Fuß fassen müssten.


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Betriebswachstum – nicht ohne mein Team



Der Betrieb von Familie Lutze ist im Umbruch. Umso wichtiger sind verlässliche Mitarbeiter, die mitziehen. Mit Anas und Sheab Khalaf haben sie gleich zwei aus dem Irak unter Vertrag.


Obwohl der 16-jährige Anas und sein 19-jähriger Cousin Sheab in ihrer Heimat nichts mit der Landwirtschaft zu tun hatten, starten die beiden Iraker jetzt mit den 300 Kühen von Familie Lutze in Hohenweststedt voll durch. Im Sommer 2017 stand der 16- jährige Anas bei Lutzes vor der Tür und fragte nach Arbeit. Davon gibt es auf Lutzes Betrieb genug. Seitdem sie im Sommer 2016 einen zweiten Betrieb im Nachbardorf gepachtet haben, ist Familie Lutze am Bauen und Renovieren. „Motivierte Leute können wir gebrauchen“, findet Frederik Lutze (25) und vereinbart mit Anas eine Probezeit.


Das funktionierte ohne jeglichen Behördengang, denn der Asylantrag von Anas und seiner Familie wurde bereits bestätigt. Sie sind Jesiden, die im Irak vom Islamischen Staat und von den Arabern verfolgt werden. In Deutschland stehen sie unter Schutz, haben ein Bleiberecht und dürfen uneingeschränkt arbeiten.


Frederik Lutze stellt Anas auf 450 €-Basis an. Da er erst 16 Jahre alt ist und noch zur Schule geht, darf Anas schließlich nur begrenzt arbeiten. Anas lernt in kurzer Zeit alle Tätigkeiten auf dem Betrieb kennen. Auf der Baustelle ist viel zu tun und auch im Stall findet sich Anas schnell zurecht.


Melken mit YouTube


Schon bald melkt Anas auch alleine. Obwohl er zu Hause keine Kühe betreut hat, weiß er schon viel über den Melkablauf. „Ich hab’s mir vorher bei YouTube angesehen“, erklärt er. Lutze ist so zufrieden mit Anas, dass er gleich im nächsten Monat auch noch Anas Cousin Sheab einstellt. Da Sheab nicht mehr zur Schule geht, kann Lutze ihn als Vollzeitarbeitskraft beschäftigen. Die Anmeldung seiner beiden Mitarbeiter gelang Lutze problemlos. Er musste die gleichen Papiere vorlegen, wie bei seinen deutschen Mitarbeitern auch: die Steuer-ID und die Mitgliedsbescheinigung der Krankenversicherung. Anas und Sheab hatten diese Papiere damals nach der Prüfung ihres Asylantrages zusammen mit ihrem Identitätsdokument von der Behörde bekommen.


Lutze hat lange nach guten Mitarbeitern gesucht. Berührungsängste mit anderen Kulturen hat er nicht. Er hat schon mit polnischen, rumänischen und holländischen Mitarbeitern gearbeitet. Sprachbarriere Fehlanzeige: „Außer Englisch kriegen wir alles hin“, lacht er. Anas spricht mittlerweile aber sowieso schon fließend Deutsch, für Sheab ist es schwieriger. Deswegen hat Lutze die Stalltafel entstaubt. Auf der zeichnet er Gegenstände auf und nennt sie auf Deutsch. Sheab übersetzt im Gegenzug auf Arabisch. „Kostenlose Sprachschule“, freut sich Lutze über die eigene Horizonterweiterung.


Kulturelle Konflikte zwischen ihm und den beiden Irakern gab es noch nicht. Ihre Religion schränkt Anas und Sheab nicht in ihrem Alltag ein. „Die Stellung der Frau ist hier aber anders“, hat Anas festgestellt. In seiner Heimat durften seine Schwestern nicht zur Schule gehen.


Die Einstellung macht’s


Für Lutze ist die Grundeinstellung das wichtigste. „Sheab und Anas sind motiviert, pflichtbewusst und 100% verlässlich. Bei unserer Betriebsstruktur brauchen wir genau solche Mitarbeiter“, sagt Lutze. Anas und Sheab wollen auch in Zukunft auf dem Betrieb bleiben. Das weiß Lutze zu schätzen.


Anas wird nach dem Hauptschulabschluss gleich die Realschule anschließen und dann wahrscheinlich eine landwirtschaftliche Ausbildung starten. Sheab wird weiterhin als Vollzeitkraft auf dem Betrieb bleiben und bald in das Herdenmanagement einsteigen.


Sheab unterstützt mit seinem Geld seine Eltern im Irak. Wegen der ungekläten Nachzugregelung können sie momentan nicht nach Deutschland kommen. „Es wäre schön, wenn der Nachzug erlaubt wäre, wenn z.B. schon Wohnung und Arbeitsplatz gegeben sind – Sheabs Eltern würde ich auch einstellen“, schlägt Lutze vor. Die Angst vieler Bürger vor einem zu großen Einzug anderer Kulturen teilt er nicht. Im Gegenteil: „Es ist doch schön seinen Horizont zu erweitern und meiner Meinung nach Grundvoraussetzung für einen Betriebsleiter, Neuem offen und neugierig gegenüber zu stehen“, sagt er.

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