Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Bürokratieabbau Maisaussaat Erster Schnitt 2024 Rapspreis

News

Streit über Tierwohlabgabe

Über die Finanzierung von mehr Tierwohl wird weiter heftig diskutiert. Die niedersächsische Geflügelwirtschaft kann einer Fleischsteuer etwas abgewinnen. Der Handel warnt davor, dem Verbraucher allein die Mehrkosten aufzubürden.

Lesezeit: 5 Minuten

Über die Finanzierung von mehr Tierwohl wird weiter heftig diskutiert. Die niedersächsischeGeflügelwirtschaftkann einer Tierwohlabgabe etwas abgewinnen, während das Bundeslandwirtschaftsministerium davor warnt und der Handel dem Verbraucher die Mehrkosten nicht allein aufbürden will.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Die Frage der Finanzierung von Tierwohlmaßnahmen in der Nutztierhaltung ist weiterhin das große ungelöste Thema der Agrar- und Ernährungsbranche. „Wir haben geliefert! Wir haben investiert und jeder Tierhalter muss im täglichen Betrieb aktuell deutlich höheren Zeitaufwand und höhere Sachkosten in Kauf nehmen“ stellte Friedrich-Otto Ripke, Vorsitzender des Landesverbandes der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft (NGW) am Dienstag dieser Woche in Visbek-Erlte vor rund 170 Vertretern aus Politik, Landwirtschaft sowie aus dem gesamten vor- und nachgelagerten Bereich, unmissverständlich klar.


In gleichem Maße gestiegene Erzeugerpreise für unsere ca. 1.500 Mitgliedsbetriebe gebe es bis heute dagegen nicht. „Das ist existenzgefährdend für niedersächsische Nutztierhalter und hat aktuell ein überdurchschnittliches Höfesterben zur Folge. Dabei sind insbesondere kleinere Betriebe zuerst betroffen.“ Es nütze weder uns noch der Politik etwas, wenn man im Tierschutz Spitze, aber im marktwirtschaftlichen Wettbewerb nicht mehr konkurrenzfähig sei. „Wenn die Politik mehr Tierschutz in Deutschland will, muss sie auch den weiteren Rahmen dafür gestalten“, mahnte Ripke.


Das tue das Bundeslandwirtschaftsministerium, konterte Dr. Herrmann Onko Aeikens, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium. „Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hat in der vergangenen Woche einen Entwurf für eine Nutztierhaltungsstrategie vorgelegt, der den Erzeugern und der gesamten Wertschöpfungskette die notwendige langfristige Planbarkeit und Verlässlichkeit bei der wirtschaftlichen Weiterentwicklung des Tierwohls sichern soll, in dem Bund und Länder künftig in eine Richtung marschieren“, erläuterte Aeikens die Strategie.


Der Markt müsse die Kosten für mehr Tierwohl tragen. Mit einem staatlichen Label, dem die Verbraucher vertrauten, sei es möglich, nach Tierwohl-Kriterien erzeugtes Fleisch eindeutig zu kennzeichnen und dafür die notwendigen Mehrpreise durchzusetzen. „Wissenschaftliche Umfragen belegen das“, betonte der Berliner Spitzenbeamte. „In Deutschland haben wir bislang keine Erfahrung mit einem staatlichen Label, aber ich glaube, der Vertrauensvorschuss durch die Verbraucher ist groß. Das zeigt das Bio-Siegel“, sagte Aeikens.


Handel will Verbrauchern die Mehrkosten nicht allein aufbürden


Dass es ein Tierwohllabel allein richten kann, glaubt der Lebensmittelhandel dagegen nicht. Für die Rewe-Gruppe sagte Dr. Ludger Breloh, Bereichsleiter für Strategie und Innovation im Agrarsektor, dass man die Mehrkosten für mehr Tierwohl in den Ställen nicht dem Verbraucher alleine aufbürden könne. Dann würde das Fleisch zu teuer und bleibe in den Regalen liegen. „Deshalb müssen wir die Finanzierung auf drei Säulen aufbauen“, forderte Breloh. Neben den Endkunden müsse es auch staatliche Kofinanzierung geben. Und die Wirtschaft, also die Landwirte und Fleischwirtschaft müssten einen Beitrag leisten.


Ähnlich sieht es der frühere Vorsitzende des Kompetenzkreises Tierwohl bei Minister Schmidt, Gert Lindemann. „Der Wissenschaftliche Beirat Agrarpolitik beim BMEL hat einen Finanzbedarf von 3 bis 5 Mrd. € pro Jahr für Tierwohlmaßnahmen ausgerechnet“, sagte Lindemann. Das könne der Markt ohne ergänzende staatliche Finanzierungsmöglichkeiten nicht stemmen.


„Ich halte es für sinnvoll, die bisher ermäßigte Mehrwertsteuer auf Fleisch anzuheben und daraus die Tierwohlmaßnahmen zu finanzieren. „Das ist finanziell zumutbar und könnte technisch nach dem Vorbild der Umlage für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) umgesetzt werden“, erläuterte der frühere niedersächsische Landwirtschaftsminister die Idee des Kompetenzkreises Tierwohl. Dem widersprach Staatssekretär Aeikens: „Ich warne vor einem solchen Weg. Dann haben wir bald nicht nur eine Fleisch- sondern auch eine Fett- und Zuckersteuer. Das kann auch die Landwirtschaft nicht wollen“, meinte Aeikens.


Maßvolles Vorgehen notwendig


Sichtlich ernüchtert von der Diskussion zeigte sich Thomas Korte, Hähnchenmäster aus dem Emsland. „Der Lebensmittelhandel und die Politik müssen das Tempo aus der Tierwohldebatte nehmen, sonst überfordern sie die Landwirte“, warnte Korte. Wenn die Gegenfinanzierung der Tierwohlmaßnahmen nicht ausreiche, könnten die Landwirte im internationalen Wettbewerb nicht bestehen. Dann fehle dem Handel aus der heimische Rohstoff, aus den die Verbraucher Wert legten. „Wir Landwirte sind zu Veränderungen bereit. Aber wir müssen uns auf Politik und Handel verlassen können, sonst können wir nicht investieren“, forderte der Landwirt eine Tierwohlorientierung mit Augenmaß.


Ripke nahm die Äußerungen von Korte zum Anlass und forderte ein „Realismus-Bündnis“ mit der Politik und über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg. Tierhalter, Verarbeiter, Vermarkter, Lebensmitteleinzelhandel, Großverbraucher und Verbraucher seien gefordert, Produkte mit dem Mehrwert Tierwohl einerseits zu produzieren und andererseits mit einem Mehrwert- bzw. Tierwohl-Aufschlag oder einer Tierwohlabgabe zu bezahlen.


Initiative Tierwohl ist ein Anfang


„Die vor Jahren wirtschaftsseitig ergriffene Initiative in Form einer zwischen Teilen des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) und Fleischerzeugern getroffenen und gerade bis Ende 2020 verlängerten Branchenvereinbarung (ITW) ist ein erster positiver Lösungsansatz“, sagte der NGW-Vorsitzende. Für geringere Besatzdichten in ihren Ställen und weitere tierwohlfördernde Auflagen sowie ab Frühjahr 2018 bei unverarbeitetem frischem oder gefrorenem Geflügel für die Nämlichkeit, bekämen die mitmachenden Betriebe einen Tierwohlaufschlag zu ihrem Erzeugerpreis. Dieser werde aus einem Tierwohlfonds bezahlt, in den die Unternehmen des LEH einzahlten.


„Ein Problem war, dass nicht alle interessierten Tierhalter mitmachen konnten und der Tierwohlaufschlag die Mehrkosten nur etwa zur Hälfte deckte. Ein anderes ist, dass sich nicht alle Unternehmen des LEH und überhaupt keine Großverbraucher, die rund 50 % des Fleischverbrauches ausmachen, an der ITW beteiligt haben“, skizzierte Ripke die noch bestehenden Defizite der ITW.


Wenn sich die ITW über 2020 hinaus etablieren soll, müsse sich dies ändern. Möglicherweise könne sich die ITW auch weiterentwickeln und in ein staatliches von Minister Schmidt angekündigtes Tierwohl-Label übergehen. „Die Geflügelwirtschaft steht dazu in konstruktiven Verhandlungen mit der Bundesregierung, die sinnvollerweise erst nach der Bundestagswahl im Herbst fortgeführt werden. Der ITW-Standard für die Tierhalter als Label-Einstiegsstufe, ein Tierwohlfonds mit höherer Einzahlungsbreite, die Herkunftskennzeichnung sowie die Beteiligung des Handels bleiben dabei unsere Kernforderungen“ so Ripke, der auch Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Geflügels (ZDG) ist und in dieser Funktion die Verhandlungen für die Geflügelwirtschaft führt.

top + Top informiert in die Maisaussaat starten

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.