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Grüne machen Angebot für neue Debattenkultur in Landwirtschaftspolitik

"Wir haben Dörfer ohne Bauern. Die Kinder der Landwirte, bestens ausgebildete Agrarier, wenden sich ab. Sie haben es satt, dass die wirtschaftlichen Krisen immer länger, und die Hochpreisphasen immer kürzer werden. Sie werden als Umweltfrevler der Nation und Tierquäler beschimpft", schreiben Habeck und Ostendorff.

Lesezeit: 5 Minuten

Ein Gastbeitrag der Grünen-Politiker Robert Habeck  und Friedrich Ostendorff. Habeck ist stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein. Friedrich Ostendorff ist stellvertretender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Ernährung und Landwirtschaft und Sprecher für Agrarpolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen.


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„Bei kaum einem Themenfeld gehen politische Emotionen so ab wie bei der Landwirtschaft. Am Küchentisch oder auf Mitgliederversammlungen des Bauernverbandes, alle haben Wahrheiten, wenn es um „die Landwirtschaft“ und um „die VerbraucherInnen“ geht. Die Urteile und Vorurteile über die jeweils anderen sind festgezurrt, und wenn es sein muss, werden sie im Brustton unerschütterlicher Überzeugung vorgetragen, ausführlich oder knapp, laut oder auch mal in Reimen.

 

Lösungen kommen wir aber so nicht wirklich näher. Das muss uns aber gelingen. Immer mehr wird es als Problem wahrgenommen, dass Höfe zumachen, endgültig. Wir haben Dörfer ohne Bauern. Die Kinder der Landwirte, bestens ausgebildete Agrarier, wenden sich ab, suchen ihr Glück lieber woanders. Sie haben es satt, dass die wirtschaftlichen Krisen immer länger, und die Hochpreisphasen immer kürzer werden. Ebenso haben sie es satt, bei all dem auch noch ständig mit den Vorwürfen konfrontiert zu sein, die Umweltfrevler der Nation zu sein, das Tierwohl zu missachten und womöglich auch noch an Armut und Flucht in Ländern Afrikas mitverantwortlich sind. Wie soll angesichts solcher gesellschaftlicher Gemütslage jemand mit fröhlicher Zuversicht arbeiten?


Andererseits gibt es an zu vielen Orten zu viel Gülle für die Fläche, sickert an zu vielen Standorten Nitrat ins Grundwasser und Phosphat gelangt in Bäche und Flüsse. Tiere können in den Ställen ihre natürlichen Verhaltensweisen nicht ausleben, ihnen werden Schwänze oder Schnäbel gekürzt. Kühe kommen nicht mehr auf die Weide, dafür wird Mais für die ganzjährige Fütterung im Stall angebaut. Die Artenvielfalt nimmt weiter ab, ausgerechnet in den landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaften und nicht mehr in den Städten.


Das sind keine Luxusprobleme. Und man löst sie besser mit den Landwirten als ohne sie. Zwei starke Wahrheiten, mit allen Fakten und Gefühlen, die dazu gehören, stehen sich gegenüber, mit echten Interessen. Wenn wir bei diesem Gegenüberstehen bleiben, wird es zur reinen Machtfrage, ob einer den Kürzeren zieht und die andere Seite obsiegt. Aber das können wir uns nicht leisten. Wir können nicht noch mehr aktive landwirtschaftliche Betriebe verlieren, weil damit die Konzentration der Tierhaltung oder Intensivierung der Flächennutzung, kurz die Industrialisierung der Landwirtschaft noch mehr zunimmt und der ländliche Raum verarmt. Und wir dürfen nicht länger sauberes Wasser, gesunde Böden und Artenvielfalt verlieren, weil wir alle auf den Kreislauf des Lebens angewiesen sind.


Uns muss mehr einfallen als das, was bisher auf Bundesebene geleistet wurde. Das steht nun an. Wir halten das für eine der zentralen Aufgaben der kommenden Legislaturperiode im Bund. Dafür setzen wir uns ein, und dafür brauchen wir Partner, auf allen Seiten. Gibt es wirtschaftliche Perspektiven für die Bauern und Bäuerinnen, die heute noch in unseren Dörfern wirtschaften, und vielleicht sogar für Neueinsteiger, die aufgegebene Höfe wieder in Betrieb nehmen? Wirtschaftliche Perspektiven, die es ermöglichen, auch die ökologischen Lebensgrundlagen und die Bedürfnisse der Tiere umfassend zu achten und zu befördern?


Bei der Energiewende haben wir schon viel erreicht. Da hatten wir es auf der einen Seite mit einer Handvoll verknöcherter Energiekonzerne zu tun, die jede Änderung blockiert haben. Auf der anderen Seite konnten wir viele neue Energiegewinner schaffen bis hin zu den hunderttausenden Dachbesitzern, die jetzt dezentral Strom erzeugen.


Bei der notwendigen Umgestaltung unserer Landwirtschaft haben wir es ebenfalls mit handfesten Interessen zu tun. Aber gleichzeitig müssen wir das Neue mit den heutigen Lieferanten dieser Konzerne, also mit den bestehenden 270.000 Höfen erreichen – es gibt keine anderen, und wir wollen es auch genau mit ihnen machen. Wir bieten Partnerschaften an, damit sie unter Einbeziehung unserer ökologischen Erfordernisse und Anforderungen tragfähige wirtschaftliche Perspektiven entwickeln können. Das schaffen sie nur, wenn sie uns auch als Partner anerkennen und anerkennen können. Sie sind gefordert, wir aber ebenso.


Partnerschaft statt Krieg – am Küchentisch und auf der Grünen Woche. Das klingt so einfach, ist es aber nicht. Damit das gelingen kann, müssen alte Vorurteile und Rituale aufgegeben werden – und jeder weiß, dass das am schwersten ist. Wir müssen unsere Argumente überprüfen, die einen die Markt- und Exportfixierung, die anderen das Ordnungsrecht. Wir brauchen neue Instrumente, die Umwelt- und Tierwohlleistungen einen Preis geben, und so den Bauern ein Angebot für ihre Zukunft machen, jenseits von Wachse oder Weiche.


Wir müssen und wollen uns an diese Art Arbeit machen. Da haben auch wir Grünen noch viel zu lernen, wir haben auch einiges beizutragen. Es ist Zeit, die Hände zu reichen und wo immer möglich gemeinsam anzupacken. Wir sind dazu bereit. Die Bundestagswahl ist eigentlich die Zeit der Polemik und Zuspitzung – wäre es nicht einen Gedanken wert, das genau umzudrehen: die Wahl als guter Anlass, die richtigen Weichen neu zu stellen?

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