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Trotz Genehmigung: Landwirt gibt Baupläne nach Drohung aus Kreistag auf

Ein Landwirt aus Waldeck hat seinen bereits genehmigten Bauantrag für einen Hähnchenmaststall zurückgezogen, nachdem die Grünen im Kreistag gedroht hatten, dem Betrieb Pachthof und Pachtflächen entziehen zu lassen. Der Bauernverband spricht von Erpressung.

Lesezeit: 7 Minuten

Ein Landwirt aus dem hessischen Waldeck hat seinen bereits genehmigten Bauantrag für einen Hähnchenmaststall zurückgezogen, nachdem die Grünen im Kreistag eine Abstimmung zur Verhinderung des Baus beantragt hatten. Obwohl das Abstimmungsergebnis durchaus offen war, stand die Zukunft des Betriebes auf dem Spiel, weil der Kreis drohte, dem Landwirt entweder vorzeitig oder zumindest nach Ende der Pachtzeit Pachthof und Flächen zu entziehen. Für den Bauernverband eine dramatische Wende in der politischen Kultur: Was sind Recht und Gesetz noch wert, wenn ein einzelner Träger öffentlicher Belange dem Bauherrn die Pistole auf die Brust setzt?

 

Worum geht es

 

Wie Tierhalter Karl Schwalenstöcker gegenüber top agrar online berichtet, hat seine Familie seit 16 Jahren eine Domäne samt 150 ha Land vom Kreis Waldeck-Frankenberg gepachtet. Gut die gleiche Größe besitzt er rund 15 km entfernt am Stammhof der Familie. Der komplette private und berufliche Lebensmittelpunkt findet jedoch auf der Domäne statt.

 

Um für seine beiden Söhne eine wirtschaftliche Grundlage zu bereiten, stellte er am 1. Juni 2017 einen Bauantrag für einen Hähnchenmaststall mit zwei Abteilen je 39.500 Tieren. Der Stall sollte 1,3 km entfernt vom an die Stadt Waldeck angrenzenden Pachthof entfernt entstehen. Das Genehmigungsverfahren, an dem 24 Träger öffentlicher Belange beteiligt waren, lief regulär ab. 22 Träger hatten laut Schwalenstöcker positiv entscheiden, nur die Stadt Waldeck war dagegen. Ebenso fand die Öffentlichkeitsbeteiligung im Großen BImSchG-Verfahren inkl. vierwöchiger Einspruchsfrist der Öffentlichkeit statt, wobei es allerdings sehr viele Einsprüche gab. Zum Erörterungstermin beim Regierungspräsidium Kassel kam es nicht mehr.

 

Bürgerinitiative macht Stimmung



Bereits vor drei Jahren - mit Bekanntwerden erster Pläne - hatte sich laut dem Landwirt eine Bürgerinitiative gebildet. „Von da kamen immer mal wieder negative Kommentare, durch die Dauerarbeit von denen ist das Ganze dann ins Rollen gekommen und immer weiter hochgekocht“, so Schwalenstöcker im Gespräch weiter. „Die Bürgerinitiative ist dafür verantwortlich, dass sich der Ort weiter entzweit hat, unserer Familie standen zunehmend Bürger negativ gegenüber, über uns wurde geredet, Ablehnung wurde offen gezeigt. Dabei sind nur 10 % der Bürger Waldecks wirklich gegen den Bau, das akzeptiere ich. Alle anderen hätten den Stallbau toleriert.“ Daher sei der Gegenwind aus der Politik so bitter.

 

Denn was dann geschah, stellt die rechtstaatlichen Verfahren in Frage und dürfte so einmalig in Deutschland sein.

 

Grüne stellen Antrag zur Ablehnung im Kreistag

 

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Die Grünen im Kreistag stellten am 4.10.2018 einen Antrag im Kreistag, der die Ablehnung der Baugenehmigung verlangt. In dem Papier, das top agrar vorliegt, heißt es wörtlich: „Der Kreistag spricht sich gegen den Bau der geplanten Mastanlage mit 79.800 Mastplätzen aus, da dieser dem Gemeinwohl und den Interessen des Landkreises Waldeck-Frankenberg insofern widerspricht, dass durch sie Belastungen von Boden, Luft und Wasser sowie Beeinträchtigungen im Bereich des Tourismus zu erwarten sind. (…)


Die Domanialverwaltung und –kommission werden aufgefordert, keine Pachtflächen zur Verfügung zu stellen, wenn diese zur Verwirklichungen von Vorhaben dienen, die dem Bereich der industriellen Landwirtschaft zuzuordnen sind. Dazu ist das oben genanntes Vorhaben zu zählen. (…) Die Stadt Waldeck hat deutlich gemacht, dass sie mit dem Bau der Anlage nicht einverstanden ist. Die Domanialverwaltung und Domanialkommission werden in diesem Zusammenhang aufgefordert, durch ein auf Vertragsrecht spezialisiertes Büro prüfen zu lassen, ob eine vorzeitige Kündigung der Pachtverträge möglich ist.“

 

Weiter schreiben die Grünen in einer Begründung von negativen Folgen für den Tourismus, zunehmenden Verkehrslärm und eine Gefährdung der Schutzgüter Grundwasser, Luft, Biologische Vielfalt sowie die Wasserver- und –entsorgung. Es werde zu unerwünschten eutrophierenden Effekten durch Ammoniak und Gärreste kommen. Auch im Bereich des Brandschutzes habe es zahlreiche Einwendungen gegen das geplante Vorhaben gegeben.

 

Und weiter heißt es: „Die Haltungsbedingungen in einer Anlage der industriellen Massentierhaltung halten viele Menschen für tierquälerisch und nicht akzeptabel. Trotz eines hohen Antibiotikaverbrauchs gibt es planmäßig eine hohe Mortalität. Wegen des hohen Antibiotikaeinsatzes entstehen vermehrt multiresistente Keime. Diese Keime entstehen in großem Umfang und gelangen ungefiltert in die Umgebung. (…) Daher kann es nicht sein, dass Flächen der Waldeckschen Domanialverwaltung für dieses Vorhaben genutzt werden. Im Bauantrag wurden aber 126 ha dieser Pachtflächen angegeben, für die ein noch 18 Jahre laufender Pachtvertrag mit dem Domanium bestünde. Mithilfe der Flächen gelingt der Nachweis der erforderlichen Futterfläche von mindestens 124 ha, die wiederum Voraussetzung für ein privilegiertes Vorhaben sind.“ Soweit die Grünen.

 

Landwirt ernüchtert und fassungslos

 

Zu der beantragten Abstimmung kam es nun nicht mehr, da Landwirt Schwalenstöcker in einer Pressekonferenz am 30.10.2018 seinen Rückzug vom Bauvorhaben erklärte, obwohl er genehmigt worden sei. Denn auch aus anderen Parteien kamen Vorwürfe: Die SPD verwies auf eine Studie zu möglichen Erkrankung von Tieren in der Massentierhaltung, die AfD auf den Wunsch der Bürger und die Freien Wähler auf die plausiblen Begründungen aus dem Grünenpapier.

 

Landwirt Schwalenstöcker entschied sich aber vor allem für den Rückzug, da der Bauantrag – mit oder ohne Abstimmung - die Existenzgrundlage des Betriebes gefährdet. Denn es sei wahrscheinlich, dass seine Familie früher oder später die Pachtflächen verlöre. Daher werde er auf die Weiterentwicklung seines Hofes verzichten, eben um diesen zu erhalten, sagte er. „Die Hähnchenmastanlage ist es nicht wert, die Zukunft des Hofes insgesamt aufs Spiel zu setzen“.

 

Deutlich widerspricht er aber der Behauptung der Grünen, dass der Hof die Pachtflächen für den Hähnchstall benötige. Der Futteranbau sei auf den 150 ha Eigentumsflächen vorgesehen gewesen. „Ich bin sehr angefressen über die Grünen, so ein Fass aufzumachen, das unter der Gürtellinie ist, mit dem Ziel, das wir umkippen“, sagte Schwalenstöcker gegenüber top agrar online weiter. „Wir leben in einem Rechtsstaat. Ich habe mich an Recht und Ordnung gehalten. Wir hätten es ja hingenommen, wenn die Behörden im Verfahren eine Genehmigung verwehrt hätten.“ Der dann erfolgte Druck habe ihn hart getroffen, die Wellen würden hochschlagen.

 

Das Verhalten der Grünen bezeichnete der Unternehmer als „unterste Schublade“. Er kritisiert, dass es kein direktes Gespräch gegeben habe. Der Waldecker bedauert, dass der jetzige Präzedenzfall es vor allem anderen Landwirten in Zukunft schwer machen könnte, einen Stall zu bauen, das tue ihm besonders leid. Mit Nachahmern anderswo sei zu rechnen.

 

Seine bis jetzt in das Planungsverfahren investierten 50.000 Euro sind jedenfalls weg. Vorerst habe er keine weiteren Pläne. Denkbar wäre, dass der Betrieb sich nun verstärkt dem Gemüsebau widmet.



Rechtstaatliches Verfahren unterlaufen

 

Empört zeigt sich auch der Bauernverband. Kreisgeschäftsführerin Stefanie Wetekam sprach von „Vertrauensverlust“ in die Politik und bestehende Gesetze. „Wenn Wechsel in den politischen Verhältnissen und Einstellungen unmittelbar auf Vertragsverhältnisse durchschlagen, verlieren Landwirte Sicherheit bei der Kalkulation“, so Wetekam.

 

Ihrer Meinung nach wurde dem Landwirt hier die Pistole auf die Brust gesetzt. Er habe alle Gesetze eingehalten und ein komplettes Verfahren gemäß Bundesimmissionsschutzgesetz durchlaufen. Hätte sich da irgendwo herausgestellt, dass die Genehmigung unmöglich ist, hätte man das akzeptiert. „Die Grünen aber haben dieses rechtstaatliche Verfahren mit ihrem Antrag unterlaufen, unterstützt mit Stellungnahmen von AfD und SPD“, so die Geschäftsführerin. Für sie ist dieses erpresserische Verhalten ein Paradebeispiel für den Untergang der politischen Kultur und den fairen Umgang miteinander.

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