Gentechnik, Glyphosat, Neonics – wer diese Wörter nur ausspricht, löst bei vielen Menschen bereits Angst oder Unbehagen aus. Doch ist das wirklich begründet? Zumindest bei der Gentechnik messen viele Menschen mit zweierlei Maß.
Gentechnik, Glyphosat, Neonics – wer diese Wörter nur ausspricht, löst bei vielen Menschen bereits Angst oder Unbehagen aus. Doch ist das wirklich begründet?
Zumindest bei der Gentechnik messen viele Menschen mit zweierlei Maß. Die rote Gentechnik, bei der es um die Entwicklung und Erforschung neuer Medikamente geht, akzeptieren die Bürger fast bedingungslos. Denn der Nutzen leuchtet sofort ein und ist klar erkennbar. Bei der grünen Gentechnik ist das anders. Obwohl es doch auch hier um die Bekämpfung von Krankheiten geht – nur nicht die von Menschen, sondern von Pflanzen. Statt Chancen darin zu sehen, grassiert unterschwellig eine gefühlte Angst, obwohl es dafür bislang kaum Anhaltspunkte gibt.
Von dieser Angst haben sich wohl auch die Richter des Europäischen Gerichtshofes leiten lassen, als sie neue Züchtungsverfahren wie Crispr/Cas9 als Gentechnik einstuften. Dabei ignorierten sie die wissenschaftliche Bewertung nationaler und europäischer Behörden vollständig. Und sie setzten noch eins drauf, indem sie den Mitgliedstaaten freistellten, auch andere, seit Jahrzehnten praktizierte klassische Züchtungsverfahren dem Gentechnikrecht zuzuordnen – welch ein Irrsinn! Was das Urteil für die Pflanzenzüchter bei der Suche nach gesünderen oder weniger trockenheitsanfälligen Sorten bedeutet, lesen Sie im September-top agrar-Heft ab Seite 56.
Angstgetrieben scheint mittlerweile auch die EU-Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zu sein. So hat sich die Wirkstoffbewertung EU-weit grundlegend geändert. Es gilt nicht mehr die tatsächliche Gefahr, die von einem Wirkstoff ausgeht, sondern das mögliche Risiko. Nach dieser Auslegung gibt es z. B. ein Krebsrisiko für rohes Fleisch, Kaffee, Alkohol, Schichtarbeit und eben für Glyphosat. Aber niemand sagt den Bürgern, wie groß oder klein das Risiko ist, oder ob tatsächlich eine Gefahr besteht. Im Zweifel nicht zulassen, lautet daher die Devise. Deshalb stehen den Landwirten immer weniger Wirkstoffe zur Verfügung. Behandlungslücken klaffen schon jetzt.
Im Kern ist Vorsorge zwar richtig, man darf sie jedoch nicht überziehen. Das Vorsorgeprinzip darf nicht – wie es momentan der Fall ist – als Verhinderungsinstrument missbraucht werden. In den Entscheidungen muss wissenschaftliche Expertise wieder eine deutlich größere Rolle spielen. Damit sich die EU nicht selbst vom Fortschritt in puncto Züchtung und Pflanzenschutz abhängt, ist nun Folgendes wichtig:
Die Wissenschaft muss neue Wirkstoffe, Verfahren und Systeme sauber bewerten und zwischen Gefahr und Risiko besser differenzieren.
Politiker sollten sich in ihren Entscheidungen ausschließlich auf die Wissenschaft beziehen. Emotionen sind fehl am Platz.
Die Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette dürfen Verbraucher mit Marketingparolen nicht verunsichern oder fehlleiten.
Angst ist ein schlechter Ratgeber, wissenschaftliche Expertise dagegen ein guter. Deshalb muss sich die Wissenschaft wieder viel stärker Gehör verschaffen.
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Gentechnik, Glyphosat, Neonics – wer diese Wörter nur ausspricht, löst bei vielen Menschen bereits Angst oder Unbehagen aus. Doch ist das wirklich begründet?
Zumindest bei der Gentechnik messen viele Menschen mit zweierlei Maß. Die rote Gentechnik, bei der es um die Entwicklung und Erforschung neuer Medikamente geht, akzeptieren die Bürger fast bedingungslos. Denn der Nutzen leuchtet sofort ein und ist klar erkennbar. Bei der grünen Gentechnik ist das anders. Obwohl es doch auch hier um die Bekämpfung von Krankheiten geht – nur nicht die von Menschen, sondern von Pflanzen. Statt Chancen darin zu sehen, grassiert unterschwellig eine gefühlte Angst, obwohl es dafür bislang kaum Anhaltspunkte gibt.
Von dieser Angst haben sich wohl auch die Richter des Europäischen Gerichtshofes leiten lassen, als sie neue Züchtungsverfahren wie Crispr/Cas9 als Gentechnik einstuften. Dabei ignorierten sie die wissenschaftliche Bewertung nationaler und europäischer Behörden vollständig. Und sie setzten noch eins drauf, indem sie den Mitgliedstaaten freistellten, auch andere, seit Jahrzehnten praktizierte klassische Züchtungsverfahren dem Gentechnikrecht zuzuordnen – welch ein Irrsinn! Was das Urteil für die Pflanzenzüchter bei der Suche nach gesünderen oder weniger trockenheitsanfälligen Sorten bedeutet, lesen Sie im September-top agrar-Heft ab Seite 56.
Angstgetrieben scheint mittlerweile auch die EU-Zulassung von Pflanzenschutzmitteln zu sein. So hat sich die Wirkstoffbewertung EU-weit grundlegend geändert. Es gilt nicht mehr die tatsächliche Gefahr, die von einem Wirkstoff ausgeht, sondern das mögliche Risiko. Nach dieser Auslegung gibt es z. B. ein Krebsrisiko für rohes Fleisch, Kaffee, Alkohol, Schichtarbeit und eben für Glyphosat. Aber niemand sagt den Bürgern, wie groß oder klein das Risiko ist, oder ob tatsächlich eine Gefahr besteht. Im Zweifel nicht zulassen, lautet daher die Devise. Deshalb stehen den Landwirten immer weniger Wirkstoffe zur Verfügung. Behandlungslücken klaffen schon jetzt.
Im Kern ist Vorsorge zwar richtig, man darf sie jedoch nicht überziehen. Das Vorsorgeprinzip darf nicht – wie es momentan der Fall ist – als Verhinderungsinstrument missbraucht werden. In den Entscheidungen muss wissenschaftliche Expertise wieder eine deutlich größere Rolle spielen. Damit sich die EU nicht selbst vom Fortschritt in puncto Züchtung und Pflanzenschutz abhängt, ist nun Folgendes wichtig:
Die Wissenschaft muss neue Wirkstoffe, Verfahren und Systeme sauber bewerten und zwischen Gefahr und Risiko besser differenzieren.
Politiker sollten sich in ihren Entscheidungen ausschließlich auf die Wissenschaft beziehen. Emotionen sind fehl am Platz.
Die Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette dürfen Verbraucher mit Marketingparolen nicht verunsichern oder fehlleiten.
Angst ist ein schlechter Ratgeber, wissenschaftliche Expertise dagegen ein guter. Deshalb muss sich die Wissenschaft wieder viel stärker Gehör verschaffen.