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Kritik an schleppender Umsetzung des Tierwohllabels

Nach wie vor sind zum angekündigten staatlichen Tierwohllabel nur wenige Fakten hinsichtlich der Kriteriengestaltung bekannt, weshalb es den Tierhaltern teilweise an Planungssicherheit mangelt.

Lesezeit: 4 Minuten

Nach wie vor sind zum angekündigten staatlichen Tierwohllabel nur wenige Fakten hinsichtlich der Kriteriengestaltung bekannt, weshalb es den Tierhaltern teilweise an Planungssicherheit mangelt. Darauf hat der Marktreferent der Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN), Matthias Quaing, am vergangenen Mittwoch auf der Wintertagung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) in Hannover hingewiesen.


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Die Umsetzung der Kennzeichnung nannte er nach bisherigem Stand „mehr Schein als Sein“; einzig bekannt sei im Grunde das Aussehen des Labels. Auf Seiten des Ministeriums sei „überhaupt keine Strategie“ zu erkennen; vielmehr entstehe der Eindruck einer „getriebenen Politik“ die aus dieser Position heraus Forderungen stelle.


Indes lasse sich mit gelabelten Produkten perspektivisch ein Marktanteil von mindestens 20 % erzielen, stellte der ISN-Experte unter Verweis auf Angaben der Universität Göttingen fest. Gekennzeichnete Fleischartikel, die für einen deutlich höheren Tierschutz stünden, würden in Deutschland bislang hingegen nur in geringem Umfang gekauft. Die Ansätze mit dem größten Marktanteil bezögen sich auf nicht investive Maßnahmen wie mehr Platz, Beschäftigungsmöglichkeiten und Raufutter.


Quaing bezeichnete die „Initiative Tierwohl (ITW)“ als Erfolgsprojekt, allein deshalb, weil sie „auf eindrucksvolle Weise“ die Handlungsbereitschaft der Landwirte gezeigt habe und bereits einen deutlich höheren Marktanteil abdecke als alle bisherigen Ansätze in Deutschland zusammen. Auf der anderen Seite habe sie bei den Betrieben auf der Warteliste jedoch zu Frustration geführt. Verbesserungsbedürftig ist nach Quaings Ansicht weiterhin, dass der Kunde keine Chance habe, sich im Laden bewusst für ein ITW-Produkt zu entscheiden, da eine entsprechende Kennzeichnung fehle.


Aus Sicht von Christoph Becker vom DLG-Ausschuss Schweineproduktion haben die Landwirte „außer der reinen Anzahl an Tieren“ nichts zu verlieren. Mit Honorierungsprogrammen für mehr Tierwohl seien auch bereits die Weichen gesetzt, dass Bauern ihre Bestände ohne Einbußen verkleinern könnten. Der Direktor Landwirtschaft bei Vion, Dr. Heinz Schweer, verwies auf die Rolle des Handels zur Umsetzung neuer Standards. An dieser Stelle müsse gegebenenfalls der Druck erhöht werden.


Schweine wie Hunde betrachten


Die baulichen Änderungen für mehr Tierwohl im Schweinestall, auch für die Haltung von „Ringelschwanztieren“, sind laut Becker überschaubar. Insbesondere von der finanziellen Seite her müssten nur geringe Investitionen getätigt werden. Der „schwierige Teil“ bestehe jedoch im Umdenken.


So erfordere die Prävention des Schwanzbeißens vor allem ein gutes Management. Nötig seien häufigere Stallkontrollen, konsequente Gegenmaßnahmen bei Kannibalismus und gegebenenfalls mehr Aufenthalt im Stall. Die Tiere bräuchten aber auch mehr Platz und Beschäftigung.


Als beste Maßnahme habe sich dabei die periodische Minimaleinstreu bewährt, betonte der DLG-Experte. Alle anderen Mittel würden für die Schweine nach kurzer Zeit langweilig. Als das „intelligenteste domestizierte Tier“ seien Schweine durchaus mit Hunden zu vergleichen und müssten auch entsprechend gefordert werden.


Aus ökonomischer Perspektive zahlten sich der Mehraufwand und die Umbauten aus, hob Becker mit Blick auf den eigenen Betrieb hervor. Der Schweinebestand sei von rund 4 000 Tieren auf 3 000 zurückgegangen, die Einnahmen aber von 60 000 Euro auf 80 000 Euro gestiegen. Der Grund dafür ist laut Becker unter anderem der Aufschlag von 12 Cent/kg durch das Tierschutzlabel. Als weiteren „angenehmen Nebeneffekt“ wertete der Landwirt, viel entspannter in die Diskussion mit Kritikern gehen zu können. Allerdings sei für die Schweinehaltung mit Ringelschwanz ganz klar „nicht jeder Landwirt und nicht jeder Stall geeignet“.


Haltungskennzeichnung greift zu kurz


Schweer zeigte sich überzeugt, dass auch bei einem wachsenden Premiummarkt in Deutschland der Export ein wichtiger Treiber bei der Schweineproduktion bleiben werde. Allerdings sei das auch in den Niederlanden der Fall, wo der Anteil von Produkten mit höheren Tierwohlstandards deutlich höher liege als in Deutschland. Es sei aber möglich, beide Märkte zu berücksichtigen.


Schweer wies auch darauf hin, dass rund 70 % des Schnitzelschweinefleischs in Deutschland über Sonderangebote verkauft würden, was „einiges über das Tierschutzherz der Verbraucher“ aussage. Jedes Markenprodukt könne abgesehen davon nur bei einer Vermarktung des ganzen Tieres erfolgreich ökonomisch im Markt umsetzt werden.


Eine von den Grünen immer wieder vorgebrachte „Haltungskennzeichnung“ wie beim Ei mache keinen Sinn, „weil der Verbraucher kein halbes Schwein“ kaufe, so Schweer. Um alle Teilstücke zu ähnlichen Bedingungen verkaufen zu können, müssten also zunächst die Verarbeitungsindustrie, beispielsweise die Wurstproduktion, in das System einbezogen werden, wie es auch in den Niederlanden erfolgt sei. Die Umsetzung einer Produktionskette mit mehr Tierwohl verlange außerdem nach verlässlichen und langfristigen Partnerschaften.

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