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Mehr Tierwohl, mehr Milch

Der Bio-Betrieb Gut Wilhelmsdorf legt viel Wert auf Kuhkomfort. Die Milchleistung ist nach dem Umbau um 1 000 kg gestiegen. Was tun die Betriebsleiter für das Wohl ihrer Tiere? Üppig Stroh zum Liegen, viel Licht, Luft und Platz im Stall sowie Weidegang.

Lesezeit: 8 Minuten

Der Bio-Betrieb Gut Wilhelmsdorf legt viel Wert auf Kuhkomfort. Die Milchleistung ist nach dem Umbau um 1 000 kg gestiegen. Was tun die Betriebsleiter für das Wohl ihrer Tiere?


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Üppig Stroh zum Liegen, viel Licht, Luft und Platz im Stall sowie Weidegang. Auf dem Bioland-Betrieb Gut Wilhelmsdorf in der Bielefelder Senne setzen die Betriebsleiter Ulrich Schumacher und Johannes Berger konsequent auf maximalen Komfort für die Kühe. Knapp 9 000 kg geben die Kühe. Der Fokus der beiden Bio-Landwirte liegt jedoch vielmehr auf einer hohen Lebensleistung, die zurzeit bei etwa 35 000 kg liegt. Mittelfristig wollen sie 40 000 kg pro Kuh erreichen.


Tierwohl-Einfluss überraschte


Wie groß der Einfluss des Tierwohls ist, überraschte die beiden Betriebsleiter bereits, als sie den zuvor konventionell geführten Betrieb auf Bio umstellten und den Stall umbauten.Sie entfernten alle überflüssigen Türen und Wände im Stall, bauten Tiefboxen ein und hoben den Kuhkomfort durch üppige Strohgaben in den Liegeboxen an. Das deutlich verbesserte Stallklima und das zusätzliche Stroh zeigten schnell Wirkung. Nicht nur die Gelenkprobleme gingen zurück, die Tiere blieben auch sauberer. Und vor allem: Statt des üblichen Einbruchs nach einer Umstellung, stieg die Milchleistung um 1 000 kg pro Kuh und Jahr.


Dieser schnelle Erfolg bestätigte den Ansatz der beiden Betriebsleiter, alle Bereiche konsequent auf das Wohl der Tiere auszurichten. Dafür dreht Schumacher mit seinen vier Mitarbeitern an diversen Stellschrauben.


Weidegang schon bei Kälbern


Weidegang ist eine zentrale Größe im Bio-Betrieb. Weil für Schumacher das Thema Tierwohl schon bei der Kälberaufzucht anfängt, gewährt er ihnen im Sommerhalbjahr Auslauf auf einer kleinen Koppel. Nach seiner Ansicht kommt das dem ausgeprägten Bewegungsdrang der Kälber sehr entgegen und stärkt die Widerstandskraft gegen Weideparasiten. Wurmkuren sind deswegen die Ausnahme. Ab einem Alter von 12 Monaten dürfen die Jungrinder vier bis fünf Monate lang ganztägig auf die Weide. Die älteren Rinder und die trockenen Kühe verbringen sechs bis sieben Monate auf der Weide, während die laktierenden Kühe an etwa 170 Tagen im Jahr jeweils fünf bis sechs Stunden Weidegang bekommen.


Um die acht hofnahen Weiden möglichst effizient für die Ration zu nutzen und eine annähernd gleichmäßige Futteraufnahme zu erreichen, werden die Flächen täglich gewechselt. Die Fütterung im Stall wird entsprechend dem Witterungsverlauf angepasst. Nur die Hochleistungsgruppe hat eine Standweide direkt am Stall. Insgesamt werden über 60 ha als voll eingezäunte Weide genutzt.


Fütterung ist auch Tierwohl


Schumacher hält die rund 220 Kühe in drei Leistungs- und zwei Trockenstehergruppen. Denn Stoffwechselstörungen durch unangepasste Fütterung beeinträchtigen das Wohlbefinden der Tiere massiv.


Die frischlaktierenden Kühe werden nach dem Abkalben 50 Tage lang mit einer Voll-TMR gefüttert, die aus zwei Dritteln Gras- und Kleegrassilage (inkl. Landsberger Gemenge), einem Drittel Maissilage, Sojapülpe und hofeigenem Bio-Kraftfutter besteht. Die Voll-TMR ist auf eine Leistung von 36 Litern ausgelegt. Dass das Fütterungskonzept aufgeht, bestätigt die gute Tiergesundheit: Akute Ketosen oder Labmagenverlagerungen gibt es auf dem Betrieb so gut wie gar nicht. Allenfalls treten hin und wieder subklinische Ketosen auf. „Das, was wir hier machen, ist keine Geheimwissenschaft. Wir setzen im Grunde nur Berufsschulwissen um, aber das sehr konsequent“, sagt Schumacher.


Obwohl knapp die Hälfte des benötigten Strohs zugekauft werden muss, geizen die Betriebsleiter damit nicht. „Am Stroh zu sparen, geht bei uns zu Lasten des Tierwohls“, sagt Schumacher. Denn das zweimalige Einstreuen der Liegeboxen pro Woche und die tägliche Boxenpflege ist für den Bio-Landwirt eine wichtige Maßnahme gegen Gelenk- und Klauenprobleme und natürlich auch gegen Euterentzündungen.


Die ca. 50 hochleistenden Kühe und Färsen halten sie statt in Liegeboxen auf Tiefstreu. Doch Komfort und Gesundheit haben auch ihren Preis: Sie verbrauchen drei Großballen pro Tag gegenüber gut einem halben Großballen für 150 Kühe im Liegeboxen-Stall.


Um den vorbeugenden Effekt gegen Mastitiskeime zu erhöhen, wird in das verwendete Stroh fein gemahlenes Urgesteinsmehl gemischt. Das erhöht den pH-Wert und hemmt das Wachstum der Bakterien. Die durchschnittliche Zellzahl liegt bei 200 000. Obwohl Schumacher damit zufrieden ist, möchte er diesen Wert noch weiter verringern. Bei den betroffenen Kühen lässt Schumacher grundsätzlich eine Viertelgemelksprobe im Labor untersuchen, um den Erreger zu bestimmen. Bei 195 laktierenden Kühen tritt im Schnitt ein Mastitisfall pro Woche auf.


10 m2 pro Tier


Beim neu gebauten Stall liegt das Platzangebot für die stärkste Leistungsgruppe mit 10 m2 pro Tier etwas über den geltenden Bioland-Richtlinien.Wichtig war den Betriebsleitern eine offene Dachkonstruktion, die auch den direkten Einfall von Sonnenlicht und Niederschlägen in einem schmalen Streifen über der Lauffläche zulässt. „Das mögen die Kühe sehr“, sagt Schumacher. Ein wichtiger Punkt für das Wohlbefinden der Herde ist für ihn aber auch ein einfühlsamer Umgang mit den Tieren. „Unsere Mitarbeiter sind durch die Bank echte Kuhflüsterer. Die sehen, was die Tiere brauchen und ob es ihnen gut geht.“ Jürgen Beckhoff

Zum Gesamtkonzept des Betriebes gehört es, die Milch selbst zu vermarkten. Für sein Konzept wurde er beim Bundeswettbewerb Ökologischer Landbau ausgezeichnet


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„Wir holen unsere Kunden auf den Hof“


Um die Milch ihrer Molkerei lokal besser vermarkten zu können, zeigen die Betriebsleiter vom Gut Wilhelmsdorf den Verbrauchern, was sie für das Wohl ihrer Kühe tun.


Tue Gutes und rede darüber“, lautet ein bekanntes Sprichwort. Für die beiden Betriebsleiter Ulrich Schumacher und Johannes Berger von dem Bioland-Betrieb Gut Wilhelmsdorf ist das selbstverständlich: Gut die Hälfte der Bio-Milch, die sie produzieren, verarbeiten sie in der eigenen Hofmolkerei zu Joghurt und Trinkmilch. Die Produkte vermarkten sie lokal. Über 90 % der rund 1 000 Abnehmer wohnen im Umkreis von 20 km um den Betrieb herum.


Grund genug, den Verbrauchern und Kunden die Türen des Hofes zu öffnen und ihnen zu zeigen, woher die Milch kommt, die sie trinken.


Tierwohl zeigen


60 Besuchergruppen führen Schumacher und Berger im Jahr über den Hof, darunter Kindergartengruppen, Schulklassen aller Altersstufen und viele interessierte Erwachsene.Darüber hinaus veranstalten sie regelmäßig Feste auf dem Gut, oft mit weit über 1 000 Besuchern. Durch seine günstige Lage in einem Naherholungsgebiet am Stadtrand ist der Betrieb auch als Ausflugsziel für Radfahrer sehr beliebt. Der große Aufwand in der Öffentlichkeitsarbeit trägt entscheidend dazu bei, dass die lokal ausgerichtete Vermarktungsstrategie aufgeht.


Keine heile Welt präsentieren!


Um das Vertrauen der Kunden zu gewinnen, gibt Schumacher sich viel Mühe, die Zusammenhänge in der modernen Milchviehhaltung zu erläutern.Für die Frage, warum den Kühen am zweiten Tag die Kälber weggenommen werden, holt Schumacher z. B. jedes Mal weit aus und erklärt nüchtern die Zusammenhänge. „Man darf solche emotionalen Fragen nicht als Vorwurf sehen“, sagt er. Oft schaffe man schnell Akzeptanz, wenn man die Gründe für seine Arbeitsweise gut erklärt.


Trotz aller Anstrengungen um das Wohl der Tiere und die Außenwirkung des Betriebes, möchte Schumacher bei seinen Führungen auf keinen Fall eine heile Welt präsentieren: „Nutztierhaltung ist kein Streichelzoo. Wir erzeugen Lebensmittel, übernehmen Verantwortung und wollen auch davon leben. Das muss rüberkommen.“ Deshalb erwähne er grundsätzlich bei jedem Rundgang, dass die Tiere eine gewisse Milchleistung bringen „müssen“, um davon leben zu können, obwohl der Begriff Leistung bei vielen „Bio-affinen“ Besuchern nicht gut ankomme.


Auch kranke Tiere werden ganz bewusst präsentiert. Denn gerade hier könne man zeigen, dass man sich um die Tiere kümmert. „Das ist für Verbraucher sehr wichtig“, sagt er.


Die Betriebsleiter legen großen Wert darauf, dass ihre Milch ein lokales Produkt ist und kein regionales. „Der Begriff ‚regional‘ wird inzwischen von den großen Handelsketten missbraucht und großzügig ausgelegt“, erklärt Berger, der sich in der ausgegliederten GmbH um die Verarbeitung und Vermarktung der Milch kümmert. „Deshalb wollen wir uns ganz bewusst davon abheben.“ Zu ihren Kunden gehören neben dem lokalen Lebensmitteleinzelhandel auch Kindergärten, Cafés, Altenheime und Privatkunden, die sie größtenteils beliefern. Rund 500 000 Menschen leben im Einzugsgebiet von Bielefeld.


Nicht für den Weltmarkt


„Wir haben hier einen großen Markt direkt vor der Haustür. Warum sollten wir da für den Weltmarkt produzieren?“, sagt Berger. Die Milch, die sie nicht verarbeiten, liefern sie an die Bio-Molkerei Söbbeke.Der Auszahlungspreis liegt seit 2014 stabil zwischen 47 und 49 Cent pro kg. Bei der eigenen Vermarktung bleibe zwar nur minimal mehr übrig. Die Betriebsleiter sind dadurch jedoch von den Auszahlungspreisen der Molkerei unabhängiger.


Besonders begehrt sei die Milch der Molkerei auch deshalb, weil sie klassisch bei 72 °C pasteurisiert wird. Das wissen viele Kunden zu schätzen, auch wenn sie nur eine Woche lang haltbar ist und damit zwei Wochen weniger als die gängige ESL-Milch.


Laut Berger ist dies eine echte Marktlücke: „Der Handel kommt inzwischen auf uns zu, weil echte Frischmilch in vielen Sortimenten gar nicht mehr zu finden ist und Kunden gezielt danach fragen.“ Außerdem können sich die Händler mit lokalen Produkten profilieren und von den Discountern absetzen.


Diee Reportage von Jürgen Beckhoff ist zuerst in der top agrar 7/2015 erschienen.

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