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Melkroboter: So klappt der Weidegang

Ein Melkroboter lässt sich nur schwer mit der Weidehaltung kombinieren – so die landläufige Meinung. Das Schweizer Magazin LANDfreund hat Praktiker besucht, die das Gegenteil beweisen. Es berichtet Michael Huber. Immer mehr Schweizer Landwirte setzen auf ein automatisches Melksystem (AMS).

Lesezeit: 11 Minuten

Ein Melkroboter lässt sich nur schwer mit der Weidehaltung kombinieren – so die landläufige Meinung. Das Schweizer Magazin LANDfreund hat Praktiker besucht, die das Gegenteil beweisen. Es berichtet Michael Huber.

 

Immer mehr Schweizer Landwirte setzen auf ein automatisches Melksystem (AMS). Derzeit sind schweizweit rund 500 Melkroboter in Betrieb. In den letzten Jahren sind die Verkaufszahlen sogar noch gestiegen – trotz der hohen Investitionskosten von rund 200 000 Schweizer Franken allein für die Melkanlage.

 

Ein Milchviehhalter, der konventionell melkt, verbringt etwa einen Drittel seiner Arbeitszeit im Melkstand. Ein AMS reduziert den Arbeitsaufwand für das Melken um rund 30 Prozent. Die gewonnene Zeit kann ein Landwirt in andere Betriebszweige oder die Betreuung einer größeren Herde investieren. Weil die festen Melkzeiten wegfallen, kann der Bauer zudem seinen Tag flexibler einteilen. So lassen sich Arbeitsspitzen brechen und die physische Arbeitsbelastung nimmt ab. Ein Roboter kann auch bauliche Vorteile bieten: Er braucht deutlich weniger Platz als ein moderner, leistungsfähiger Melkstand. Darum lässt sich ein AMS häufig einfacher in einen bestehenden Stall integrieren als ein größerer Melkstand. Im Idealfall melkt ein Roboter zudem während fast 24 Stunden pro Tag. Damit ermöglicht er den Kühen, ihrem individuellen Rhythmus zu folgen und ihre Melkzeiten selbst zu wählen.


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Ein Melkroboter fordert Konsequenz


Ein AMS arbeitet am wirtschaftlichsten, wenn es den ganzen Tag Kühe melken kann. Für Betriebe mit weniger als 50 Kühen – wie sie in der Schweiz häufig anzutreffen sind – rechnet sich ein Melkroboter meistens nicht. Die Belastungsgrenze für einen Roboter liegt unter Schweizer Bedingungen bei etwa 70 Kühen. Aus diesem Grund kann ein Betrieb mit AMS nur in großen Schritten sinnvoll wachsen.


Das ist nicht der einzige Nachteil. Ein automatisches Melksystem muss nämlich nicht nur zu den Tieren passen, sondern auch zum Betriebsleiter. Die Anforderungen an den «Herdenmanager» steigen im Vergleich zu konventionellen Melksystemen klar an. Die Herdenmanagementsysteme der Roboter liefern viele wertvolle Daten. Alle diese Zahlen zur Leitfähigkeit, der Farbe und dem Zellgehalt der Milch oder der Kautätigkeit und dem Bewegungsprofil der Kuh bringen jedoch nur etwas, wenn der Landwirt sie auswertet. Wer mit einem AMS Milch produzieren will, muss viel Selbstdisziplin an den Tag legen. Auch die Konsequenz, die Tiere täglich bewusst zu beobachten, ist wichtig.

 

Ein effizientes Weidesystem verlangt vom Betriebsleiter ebenfalls viel Konsequenz. Die Fütterung auf der Weide bietet dafür aber große Vorteile: Alles Gras, das die Kühe direkt von der Wiese fressen, muss der Landwirt nicht mehr konservieren und im Stall vorlegen. Damit spart er nicht nur erheblich Arbeitszeit, sondern auch bis zu 70 % der Maschinenkosten. Im Vergleich zur intensiven Stallfütterung mit Halbtagesweide sinken allein die Kosten für den Lohnunternehmer um über 90 Prozent. Gras von der Weide ist damit das günstigste Futtermittel für Milchkühe überhaupt.

 

Wie für eine intensive Stallfütterung ist auch auf der Weide eine konstante Futterqualität entscheidend. Sie ist dort aber deutlich schwieriger zu halten als im Stall. Wer geringe Schwankungen anstrebt, muss sein Weidesystem auf die Grasbestände abstimmen und für eine optimale Weideführung sorgen. Die Bemühungen lohnen sich: Weidekühe mir der richtigen Genetik profitieren von der natürlichen Ration und der ausgiebigen Bewegung während der Futteraufnahme. Das hält sie gesund und fruchtbar.


Vielversprechende Kombination


Die Weidehaltung – wie auch der Melkroboter – bieten für den Betrieb also einige Vorteile. Zahlreiche Milchviehhalter verzichten aber auf den intensiven Weidegang, seit sie ein AMS einsetzen. Einige Betriebe zeigen jedoch, dass sich ein AMS unter gewissen Einschränkungen durchaus mit der Weidehaltung kombinieren lässt. In Irland und Norwegen ist das System bereits weit verbreitet.

 

Ein Problem, das sich einem weidewilligen Roboter-Besitzer stellt, ist die Auslastung der Melktechnik. Ein Melkroboter verursacht hohe Fixkosten. Er rechnet sich daher nur dann, wenn er ordentlich ausgelastet ist – also wenn sich viele Kühe regelmäßig über den Tag verteilt melken lassen. Und dabei auch noch viel Milch geben. Das alles lässt sich nur schwer mit einem hohen Weideanteil vereinbaren.

 

Irische AMS-Betriebe sehen die Auslastung ihres Melksystems nicht als erste Priorität. Ihre Kühe kalben im Februar und März. Zwischen Mitte Februar und Anfang Dezember fressen die Tiere praktisch ausschließlich auf der Weide. Damit die Kühe einen Anreiz haben, den Roboter zu besuchen, teilen die Landwirte ihre Weideflächen in zwei oder drei Koppeln ein. Das nennt sich dann jeweils AB- oder ABC-Weidesystem. Jede Koppel enthält wiederum mehrere abgezäunte Teilstücke, welche als Portionenweide dienen. Die Kühe kommen über gut befestigte Weidewege einzeln und selbständig von einer entfernten Weide zum Melkroboter.


Über ein Selektionstor gelangen die Tiere nach dem Melken auf eine frische, stallnahe Weide. Selbst über Distanzen von rund 1000 Meter funktioniert der Anreiz des frischen Grases. Beim AB-System erhalten die Kühe zweimal täglich eine neue Weide, beim ABC-System dreimal. Mit diesem Produktionssystem erreichen irische Milchbauern mit rund 30 Rappen pro Liter Milch die tiefsten Produktionskosten in Europa.


Lösungen in der Schweiz


Wenn sich Schweizer Landwirtschaftsbetriebe mit 50 bis 70 Kühen die irischen Kollegen zum Vorbild nehmen wollen, benötigen sie 25 ha mit Wegen erschließbare Weideflächen. Wer die Vorteile des Vollweidesystems voll ausnutzen will, muss seine Herde im Frühjahr abkalben lassen und die Milch entsprechend saisonal liefern können. Diese Bedingungen sind aber nur auf wenigen Schweizer Betrieben mit Roboter erfüllt.

 

Häufig stehen nicht genug arrondierte Weideflächen zur Verfügung oder sie werden von Straßen durchkreuzt. Auch der Milchabnehmer kann einem Vollweidebauern in die Quere kommen – etwa wenn wegen der saisonalen Produktion saftige Abzüge beim Milchpreis anfallen. Aus diesen Gründen haben verschiedene Betriebe die Kombination des Roboters mit der Weide wieder aufgegeben, oder haben gar nicht erst damit begonnen. Einige Praktiker zeigen aber, dass das äußerst arbeitseffiziente und häufig wirtschaftliche System auch bei uns funktionieren kann. Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen zwei erfolgreiche Beispiele vor.


Ein Pionier der Vollweide mit Roboter


Peter Schmitz setzt seit Jahren auf die Vollweide. Im letzten Jahr melkte erstmals der Roboter.

 

In den Monaten Januar und Februar läuft einiges auf dem Betrieb von Peter Schmitz in Untersteckholz (BE). Zu dieser Zeit bekommen alle Kühe ihren Nachwuchs. Wie das Abkalben richtet sich auch die Futterration nach der Jahreszeit. Seit 16 Jahren lässt Schmitz seine Kühe mit Ausnahme der Wintermonate nur noch auf der Weide fressen.


Schmitz füttert einfach


Damit reduziert er seinen Arbeitsaufwand massiv. Das erlaubt ihm, sich auf seine Schweine als Hauptbetriebszweig zu konzentrieren. Vor acht Monaten schaffte sich Schmitz zudem einen Melkroboter an. Weil er seine Herde sukzessive auf 50 Tiere aufstocken will, hat er sich gegen eine Vergrößerung des Melkstandes und für einen Roboter entschieden. Damit der Roboter zusammen mit der Vollweide funktioniert, hat Schmitz von der Kurzrasenweide auf ein Weidesystem mit zwei Koppeln umgestellt. Die A- und B-Koppel unterteilt er jeweils in mehrere kleinere Weiden, in welchen er täglich frische Portionen für die Kühe frei gibt. Nachdem die Kühe auf Weide 1 in Koppel A gefressen haben, bewegen sie sich zurück zum Melkroboter. Nach dem Melken gehen die Kühe durch das automatische Weidetor für zirka zwölf Stunden auf die Weide 1 der Koppel B.


Längere Gewöhnungszeit


Sobald alle Kühe auf Koppel B fressen, gibt Schmitz auf der Weide 1 in der Koppel A mit einem mobilen Zaun eine frische Portion Gras für den nächsten Auftrieb dazu. Nach drei Tagen wechselt Schmitz auf beiden Koppeln zur Weide 2. Als Lockfutter im Melkroboter dienen im Moment ungefähr 400 Kilogramm Graswürfel pro Kuh und Jahr. Diese werden je nach Futtermenge auf der Weide dosiert. Außer etwas Eiweiß-Kraftfutter erhalten die Kühe zur Weide kein weiteres Futter. Während der Trockenstehphase im Winter füttert Peter Schmitz seine Kühe ausschließlich mit Heu.

 

Schmitz war sehr überrascht, wie schnell sich die Kühe an das AMS gewöhnt haben. Zu Beginn holte er einzelne Kühe zu Unzeiten von der Weide zum Melkroboter. So lernten sie, herdenunabhängig, aber doch im Tagesverlauf regelmäßig einzeln zum Melken zu gehen. Das ist von größter Bedeutung, wenn man mit einem AMS auf der Weide melken will. Bis zum Ende der Weidesaison kamen praktisch alle Tiere von selbst zum Melken. Dafür brauchte die Herde knapp zwei Monate, um sich an das automatische Weidetor zu gewöhnen. Mittlerweile funktioniert die Anlage aber gut und die Tiere sind deutlich ruhiger als vorher. Schmitz schreibt dies dem individuellen Kuhverkehr und der ausgiebigen Bewegung der Tiere zu.

 

Der Melkroboter von Peter Schmitz wäre auch mit 50 Kühen nicht voll ausgelastet. Irische Testbetriebe mit Vollweide versuchen, bis zu 100 Kühe mit einem einzigen AMS zu melken. Der Landwirt musste auch etwas mehr in den Stallumbau investieren als er ursprünglich geplant hatte. Schmitz ist jedoch überzeugt, dass die eingesparte Arbeitszeit die Mehrkosten des Melkroboters in Zukunft decken werden.

 

In der kommenden Weidesaison wechselt der Landwirt zu einem ABC-Weidesystem mit drei verschiedenen Koppeln. Er will damit die Lockwirkung der frischen Weide deutlich stärken und Schwankungen bei der Melkhäufigkeit der einzelnen Kühe minimieren. Sein Ziel ist, die Anzahl Melkungen je Kuh und Tag bei 2,3 bis 2,5 halten zu können.

 

Zudem will Peter Schmitz den Grasvorrat regelmäßig messen, damit er die Zuteilung der Weideflächen noch besser auf den Graszuwachs abstimmen kann. Er hofft, damit auch auf Lockfutter im AMS verzichten zu können.



Eingrasen ist ein guter Kompromiss


Matthias Jung füttert seine Kühe mit Gras, obwohl er nur wenig arrondierte Flächen hat.

 

Der Betrieb von Matthias Jung liegt in Neukirch an der Thur, im typischen Graswirtschaftsgebiet des Kantons Thurgau. Jung liefert seine Milch an die nahegelegene Käserei Egger in Moos. Der Meisterlandwirt hat seine Kuhherde laufend aufgestockt und den Obstbau auf dem Betrieb intensiviert.


Um den steigenden Arbeitsaufwand und die immer knapper werdenden Lagerkapazitäten für Futter und Gülle zu bewältigen, entschied sich Jung zu einem Stallneubau für 60 Kühe mit Melkroboter. Von Ende März bis im Oktober fressen Jungs Kühe frisches Gras. Schon vor dem Umzug in den neuen Stall setzte Jung auf Umtriebsweide mit täglicher Portionenzugabe. Ein Vollweidesystem kommt für den Milchproduzenten nicht in Frage, weil ihm nicht genug arrondierte Fläche zur Verfügung steht.

 

Die Ration besteht daher zu etwa 30 Prozent aus Weidegras, den Rest grast der Landwirt ein. Er ist überzeugt, dass er mit diesem System das Maximum aus seinen Flächen holt. Für das Eingrasen setzt er keinen großen Traktor mit Frontmähwerk ein, sondern einen Motormäher. Auch Futtermischwagen besitzt Jung keinen. Im Winter erhalten seine Kühe Heu vom Stock.


Bewährter Tagesablauf


Jung hat seine täglichen Arbeiten einfach eingerichtet. Um 6 Uhr morgens lädt er das Frischgras ab, welches er am Abend zuvor geerntet hat. Darauf begeben sich alle Kühe zum Futtertisch und fressen. Währenddessen hat der Landwirt Zeit für die Boxenpflege. Kühe, welche lange nicht beim Melken waren, treibt er jetzt zum Roboter.


Vor dem Frühstück ist noch Zeit für Routinekontrollen an den Tieren, am Roboter und im Herdenmanagement-Programm. Je nach Witterung treibt Jung anschließend alle Kühe gemeinsam für drei bis vier Stunden auf die Weide. Mittags holt sie der Landwirt wieder zurück in den Stall. Dann lassen sich viele Kühe melken – deshalb müssen einige eine Weile warten. Erst um fünf Uhr abends kümmert sich Jung erneut um die Kühe. Er entsorgt die Krippenreste, holt einen Ladewagen voll frischen Grases und legt es vor.


Auch diesmal kommen alle Kühe zum Futtertisch und der Roboter steht für rund eine Stunde still. Für Jung sind die Leerzeiten jedoch kein Problem: «Unser Roboter läuft mit nur 48 Kühen nicht am Limit», erklärt er. Mit einem weiteren Kontrollgang beendet der Betriebsleiter seine täglichen Routinearbeiten im Stall.

 

Obwohl Jungs Melkroboter mit 48 Kühen nicht ausgelastet ist, hat sich die Investition in den neuen Stall mit AMS für den Landwirt gelohnt. Er hat jetzt eine größere Herde als zuvor im Anbindestall. Trotzdem bleibt ihm mehr Zeit für seinen zweiten Betriebszweig, den Obstbau. Vor allem während der Erntezeit in den Spezialkulturen weiß Jung die Flexibilität, die er durch den Melkroboter erlangt hat, sehr zu schätzen. Bei der Planung des neuen Stalls hat er erkannt, dass es für ihn mehr Sinn macht, zuerst die täglichen Arbeiten im Stall mit dem Melkroboter auf ein Minimum zu reduzieren, bevor er die Außenwirtschaft neu mechanisiert.

 

Gerne will Matthias Jung in Zukunft noch etwas mehr Tiere im Stall haben. «Damit der regelmäßige Auslauf auf der Weide weiterhin funktioniert, werde ich aber mein Weidesystem anpassen und ein automatisches Weidetor anschaffen müssen. Nur so lassen sich die Melkzeiten am Roboter besser verteilen und die Leerzeiten reduzieren», erklärt Jung.


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