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Noch kein Therapienotstand in der Nutztiermedizin

Bakterielle Infektionen können bei Nutztieren noch wirksam mit Antibiotika bekämpft werden. Allerdings werden die Behandlungen auch hier durch resistente Keime immer schwieriger. Die Liste der Herausforderungen zur Reduktion von Antibiotikaresistenzen wächst.

Lesezeit: 5 Minuten

Bakterielle Infektionen können bei Nutztieren noch wirksam mit Antibiotika bekämpft werden. Allerdings werden die Behandlungen auch hier durch resistente Keime immer schwieriger. Die Liste der Herausforderungen zur Reduktion von Antibiotikaresistenzen wächst. Doch gleichermaßen steigt die Bereitschaft, gemeinsam für den Erhalt der Wirksamkeit von Antibiotika einzutreten. Das wurde jetzt auf dem Lebensmitteltag der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) in Frankfurt am Main deutlich.

 

In deutschen Nutztierställen herrscht aufgrund der aktuellen Resistenzlage noch kein Therapienotstand - im Gegensatz zur Humanmedizin und der Kleintiermedizin, stellte Dr. Peter Schmid vom Technisch-Wissenschaftlichen Ausschuss des Bundesverbandes für Tiergesundheit (BfT) fest.


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Er sprach sich für beschränkte Therapieoptionen in der Veterinärmedizin aus. So wie es die 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) vorsieht, sollen seiner Meinung nach bestimmte Antibiotika, die bislang nur in der Humanmedizin eingesetzt werden, von der Anwendung in der Tiermedizin ausgeschlossen bleiben. Damit verlängert sich ihre Wirksamkeitsdauer für die Behandlung von Infektionen beim Menschen. Seit 2006 sind Antibiotika als Leistungs­förderer EU-weit verboten, was die konsequente Weiterentwicklung von Tiergesundheits­managementsystemen gefördert hat. Deren Ziel ist es, in Tierbeständen einen nachhaltig hohen Gesundheitsstatus zu erreichen und zu erhalten, der den Einsatz von Antibiotika minimiert. Das Benchmarking zur Antibiotikaanwendung zwischen vergleichbaren Produktionseinrichtungen wertete er als richtiges Steuerungselement.


Was in den Ställen jetzt getan werden muss, ist bekannt: Die Prophylaxe muss vor allem durch Hygiene, Desinfektion, (betriebsspezifische) Impfungen, veränderte Haltungsbedingungen und Zuchtziele der Nutztiere auf Widerstandsfähigkeit weiter verbessert werden. Denn das Grundprinzip des Resistenzproblems ist simpel: Jeder Einsatz von Antibiotika bietet den Bakterien, die gegen dieses Antibiotikum resistent sind, einen Selektionsvorteil und trägt damit zur weiteren Verbreitung dieser Resistenz bei. Auch Desinfektionsmittel und andere Agenzien können insbesondere bei falscher Anwendung bzw. Unterdosierung auf Resistenzen selektieren.


ESBL/AmpC


Nicht alle Bakterien sind gleichermaßen fähig, Abwehrmechanismen gegen Antibiotika zu entwickeln. Im Fokus der aktuellen Resistenzdebatte stehen vor allem ESBL- und AmpC-bildende Darmbakterien, die mithilfe dieser beiden Enzyme ein breites Spektrum von Antibiotika unwirksam machen können. Dazu zählen auch die in der Humanmedizin therapeutisch wichtigen Cephalosporine der dritten und vierten Generation. Die Gene für diese Enzyme sitzen bei den Bakterien auf mobilen Elementen, sogenannten Plasmiden, und können sehr leicht unter den Bakterien ausgetauscht und weitergegeben werden.


ESBL-/AmpC-bildende Keime sind bei Lebensmittel liefernden Tieren und tierischen Lebensmitteln weit verbreitet, am häufigsten treten sie beim Geflügel und in Geflügelfleisch auf. Die Resistenz ist allerdings auch in der Umwelt weit verbreitet, so dass eine Fokussierung der Problematik auf lebensmittelproduzierende Nutztiere als alleinige Ursache der Verbreitung zu kurz greift, betonte Dr. Annemarie Käsbohrer, die am BfR die Fachgruppe des Nationalen Referenzlabors für Antibiotikaresistenz leitet.


Damit werde nur ein Teilaspekt der Gesamtsituation erfasst. Ihren Aussagen zufolge ist derzeit davon auszugehen, dass ein Gesundheitsrisiko für den Menschen von ESBL-tragenden Bakterien aus der Tierhaltung ausgeht. Diesem Risiko sind in erster Linie Menschen mit häufigem Tierkontakt ausgesetzt, wie etwa Landwirte und Veterinäre. Die Wahrscheinlichkeit einer Exposition des Verbrauchers über Lebensmittel kann noch nicht quantifiziert werden.


Masthähnchen


Ergebnisse des Resistenzmonitorings und des Forschungsverbundes RESET (Resistenzen bei Tier und Mensch) deuten für die Masthähnchenhaltung darauf hin, dass die Weitergabe der Keime über die Elterntiere eine wichtige Quelle für den Eintrag von ESBL/AmpC-bildenden Keimen in die Mastbestände darstellt.


Nach Aussage des Geschäftsführenden Direktors des Instituts für Tier- und Umwelthygiene an der FU Berlin, Prof. Dr. Uwe Rösler, werden aber vermehrt ESBL-/AmpC-negative Eintagsküken eingestallt, so dass dieser Eintrag an Bedeutung verliert. Wenn dennoch bei einigen Herden kurz darauf Keime feststellbar sind, müssen diese verstärkt aus der Umwelt bzw. Stallluft eingeschleppt worden sein. Auch entlang der Lebensmittelkette, vor allem bei der Schlachtung, erfolgt eine Verbreitung.


Der Eintrag resistenter Keime über rohes Fleisch in die Privathaushalte kann bei mangelnder Küchenhygiene laut Prof. Rösler dazu führen, dass Verbraucher resistente Bakterien aufnehmen. Er empfiehlt deshalb unter anderem eine ausreichende Erhitzung vor dem Verzehr (mindestens zwei Minuten/70 °Grad), wodurch Bakterien abgetötet werden.


Resistenzpool Umwelt


Werden Menschen und Tiere mit Antibiotika behandelt, gelangen diese über Abwässer in die Umwelt, was eine wichtige Rolle im aktuellen Resistenzgeschehen spielt, wie Prof. Dr. Robert Kreuzig, Institut für Ökologische und Nachhaltige Chemie, TU Braunschweig, herausstellte. Denn in der Umwelt selektieren Antibiotika gerade wegen zu geringer Konzentrationen sehr effektiv auf Resistenzen.


Diese Mechanismen tragen zur Bildung eines großen Resistenzpools in der Umwelt bei, der aus verschiedenen Zuflüssen gespeist wird, so Prof. Dr. Brigitte Petersen, Institut für Tierwissenschaften, Leitung Präventives Gesundheitsmanagement und Fokusgruppe „One Health“, Universität Bonn. Deshalb gehört auch die Umwelt ihrer Meinung nach zwingend in eine ganzheitliche Betrachtung des „One-Health-Ansatzes“. Dieser besagt, dass einzig eine gemeinsame vorbeugende Bekämpfungsstrategie von Veterinär- und Humanmedizin gegen die Ausbreitung von antibiotikaresistenten Erregern erfolgreich sein kann.


Antibiotikaforschung


Die Resistenzbildung wird weiter zunehmen, auch weil es immer schwieriger wird, neue Angriffspunkte für Antibiotika bei Bakterien zu finden, erläuterte Dr. Peter Schmid, BfT. Die Forschung für neue Antibiotika in der Tiermedizin ist rückläufig wegen umfangreicher Anforderungen, dem hohem Risiko einer nicht-erfolgreichen Zulassung, nachfolgenden Anwendungsbeschränkungen und hohen Kosten von bis zu 150 Millionen Euro. Mit neuen Antibiotika in der Humanmedizin kann in rund fünf Jahren gerechnet werden. Das wird den aktuellen Druck auf bestehende Wirkstoffklassen deutlich mindern. Sie geben aber nur mittelfristig einen Vorsprung im Kampf gegen Resistenzen.

 

Fazit: Generell ist die Senkung des Antibiotikaverbrauchs die wirkungsvollste Maßnahme zur Reduktion von Antibiotikaresistenzen – in der Human- und Veterinärmedizin.

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