Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

topplus News

Öko-Landbau auf dem Weg raus aus der Nischenpolitik

„Wo Bio draufsteht, muss auch Bio drin sein“, bringt der Berichterstatter und Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments (EP), Martin Häusling, das Ergebnis des jahrelangen Ringens zwischen der EU-Kommission, den EU-Mitgliedstaaten und dem Parlament um die EU-Öko-Verordnung auf den Punkt.Sie tritt 2021 in Kraft.

Lesezeit: 8 Minuten

Nach drei Jahren Verhandlungsmarathon und über einem Dutzend Trilog-Verfahren zwischen den drei europäischen Gesetzgebern hat das Europäische Parlament (EP) am Donnerstag in Straßburg die EU-Öko-Verordnung für Bio-Lebensmittel und ökologischen Landbau verabschiedet. Die Zertifizierung von Bio-Lebensmitteln wird verschärft, die Kontrolle von Pestizidverunreinigungen durch konventionelle Landwirtschaft präzisiert und die Einfuhr von Ökoprodukten aus Drittstaaten den EU-Normen gleichgestellt. Das Gesetz tritt am 1. Januar 2021 in Kraft.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

„Wo Bio draufsteht, muss auch Bio drin sein“, bringt der Berichterstatter und Verhandlungsführer des Europäischen Parlaments (EP), Martin Häusling, das Ergebnis des jahrelangen Ringens zwischen der EU-Kommission, den EU-Mitgliedstaaten und dem Parlament auf den Punkt. Für den hessischen Bio-Landwirt, der im Schwalm-Eder-Kreis auf 90 Hektar mit 100 Tieren den Kellerwaldhof in einer Drei-Generationenstruktur seit 1988 ökologisch bewirtschaftet, wertet das erzielte Ergebnis des EU-Parlaments als positiv:


„Die neuen Öko-Regeln sind ein Gewinn für Verbraucher, Bio-Landwirte und die Bio-Branche. Das neue Gesetz macht Bio-Siegel zur echten Marke für Qualität und schafft Vertrauen bei Kunden, Bio-Landwirten und den Bio-Lebensmittelherstellern“, so der grüne Europaabgeordnete. Ein großer Erfolg sei, dass Importe aus Drittländern künftig auch den EU-Standards einhalten müssten. Mit dieser Regel würden für den europäischen Bio-Bauern, gleiche Wettbewerbsbedingungen geschaffen. 

 

Darüber hinaus öffne das beschlossene Gesetz den Bio-Landwirten den Zugang zu biologischem Saatgut, schaffe mehr Vielfalt auf dem Acker und auf dem Teller und setze hohe Standards für den Ökolandbau. Auch in der Tierhaltung und beim Tierschutz werde es erhebliche Verbesserungen geben“, so Häusling

 

Ferner habe das EU-Parlament verbesserte Regelungen gegen Verunreinigungen aus konventioneller Landwirtschaft, egal ob auf dem Feld, bei der Lagerung, der Verarbeitung oder dem Transport, erreicht. Eine strengere Vorsorgepolitik solle dazu beitragen, Kontaminationen mit Pestiziden zu vermeiden, sagte Häusling nach der Abstimmung in Straßburg.


Die EU-Abgeordneten gaben mit 466 Ja-Stimmen bei 124 Gegenstimmen und 50 Enthaltungen grünes Licht für die Neufassung der EU-Verordnung über den Biolandbau. Die Verhandlungsführer des Parlaments und der EU-Agrarminister hatten sich bereits am 28. Juni 2017 auf die Eckdaten des vorliegenden Kompromisses geeinigt, der mit dem Parlamentsvotum nun geschnürt ist. Die Bestätigung durch den EU-Agrarministerrat -  voraussichtlich Mitte Mai - gilt als reine Formsache. Das Gesetz tritt dann am 1. Januar 2021 in Kraft.


Strengere, risikobasierte Kontrollen über die gesamte Lieferkette verpflichtend

Auf Drängen des Parlaments werden Kontrollen vor Ort und bei allen Betreiber durchgeführt, mindestens einmal jährlich oder alle zwei Jahre, wenn in den vergangenen drei Jahren kein Betrug auf den Bio-Höfen festgestellt wurde. Gemischte landwirtschaftliche Betriebe, , die sowohl konventionelle als auch biologische Lebensmittel erzeugen, dürfen weiterhin auf diese Weise arbeiten, vorausgesetzt, dass der konventionelle Landbau klar und deutlich vom ökologischen Landbau getrennt und unterschieden wird. Dabei sollen Vorsorgemaßnahmen Priorität eingeräumt werden. 


Landwirte und Verarbeiter in der Lebensmittelversorgungskette sollen verpflichtet werden, aktiv Strategien zur Vermeidung von Verunreinigungen anzuwenden. Wenn der Verdacht besteht, dass ein nicht zugelassenes Pflanzenschutzmittel oder Düngemittel vorhanden ist, sollte das Endprodukt erst nach weiteren Untersuchungen das Bio-Label bekommen. Wenn die Verunreinigung absichtlich erfolgte oder der Betreiber keine Vorsichtsmaßnahmen getroffen hat, soll dem Produkt seinen Bio-Status entzogen werden.


Streit um Grenzwerte für Pestizidrückstände vertagt auf 2025

Trotz jahrelangem Ringen um Kompromissformeln und Interessenausgleich wurden nicht alle strittigen Punkte ausgeräumt. Vor allem der Nachweis von Pflanzenschutzmitteln aus konventionellem Ackerbau in angrenzenden Öko-Betrieben und tolerierte Grenzwerte in Bio-Lebensmitteln bleiben umstritten. Die EU-Kommission ist aufgefordert, bis zum Jahr 2024 zu prüfen, wo genau Kontaminationen stattfinden auf dem Acker, beim Transport oder der Verarbeitung. Hinzu kommt, dass Belgien, Italien und Tschechien Grenzwerte für erlaubte Kontaminationen in Bioerzeugnissen erlassen haben. Eine Binnenmarkt-konforme Regelung existiert also bei diesem heiklen Thema bisher nicht.


So lautet nach dem Parlamentsbeschluss die Richtschnur: Mitgliedstaaten, die derzeit Schwellenwerte für nicht zugelassene Stoffe in ökologischen Lebensmitteln, wie Pestizide, anwenden, können dies vorerst auch weiterhin tun, unter der Bedingung, dass sie anderen EU-Ländern, die die EU-Vorschriften erfüllen, den Zugang zu ihren Märkten gestatten. Vier Jahre nach Inkrafttreten der Neuregelung soll die EU-Kommission einen Bericht vorlegen, in dem sie die nationalen Vorschriften und Verfahren in diesem Bereich überprüfen. Eine gesetzgeberische Harmonisierung bei den Schwellenwerten für nicht zugelassene Stoffe vorlegen ist somit wahrscheinlich.

 

SPD-Europaabgeordnete Noichl lehnt Revision der Öko-Verordnung ab

Die Vertagung dieses neuralgischen Punktes über Nachweis- und Toleranzgrenzen von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln erscheint für die SPD-Europaabgeordnete Maria Noichl als absolut unbefriedigend. Sie sieht mit der jetzt beschlossenen Regelung auf Landworte und Verbraucher „neue Belastungen und Verunsicherungen“ zukommen. „Neu ist nicht immer besser. Der verabschiedete Vorschlag zur Revision der Öko-Verordnung ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Es ist völlig unverständlich, dass der Öko-Sektor für Pestizid-Rückstände, die durch die konventionelle Landwirtschaft verursacht werden, geradestehen soll. So wird der aufstrebende Sektor seine Marktnische nicht verlassen, wie es das eigentliche Ziel der Revision war“, sagt Maria Noichl,

 

Zudem werde der Verordnungstext aufgrund der vielen Befugnisse für die EU-Kommission durch delegierte Rechtsakte und Durchführungsrechtsakte für große Verunsicherung sorgen. „Die Revision ist für den ökologischen Sektor noch eine Wundertüte, das heißt, niemand kann derzeit genau sagen, was die Neuerungen in der Praxis konkret bedeuten. Planungs- und Rechtssicherheit für unsere Landwirtinnen und Landwirte sieht anders aus“. In vielen Bereichen falle die Revision gar hinter die aktuelle zurück. „Geringere Kontrollintensität und niedrige Tierwohlstandards werden das Vertrauen der europäischen Bürgerinnen und Bürger in Bio-Produkte nicht nachhaltig stärken“, so das EP-Agrarausschussmitglied Noichl.

 

Norbert Lins: „Die Prozesskontrolle ist der richtige Ansatz für Bio-Produkte“

Für den CDU-Europaabgeordneten Norbert Lins stellt sich das Erreichte hingegen als Erfolg dar: „Ich bin überzeugt, dass wir einen Text gefunden haben, welcher die biologische Landwirtschaft fit für die Zukunft machen und unseren Landwirten Planungssicherheit geben wird“. Es sei gelungen, die von der EU-Kommission bis zum Abschluss der Trilogverhandlungen eingebrachten „unrealistischen Forderungen“ abzuwenden, erläutert Lins die Problematik in den Kompromissgesprächen.

 

So habe die EU-Kommission beispielsweise für ökologische Produkte Rückstandsgrenzwerte auf Babynahrungsniveau und damit einhergehend einen Wechsel von der Prozesskontrolle hin zur Produktkontrolle gefordert. „Dies spiegelt aber nicht den Ansatz der Biolandwirtschaft wider. In einer kleinstrukturierten Landwirtschaft, wie wir sie beispielsweise in Baden-Württemberg haben, wird man auch immer geringe Mengen an Pestiziden in Ökoprodukten nachweisen können“. Die Prozesskontrolle sei daher der richtige Ansatz, um die Qualität eines Bioproduktes zu gewährleisten. „Der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission hätte die sehr dynamisch wachsende Biolandwirtschaft in Europa gefährdet“, zeigte sich Lins mit dem Abstimmungsergebnis zufrieden.

 

Vor der Abstimmung hatte EU-Agrarkommissar Phil Hogan auf das Für und Wider von Rückstandskontrollen und Grenzwerten hingewiesen: „Die neue EU-Bioverordnung stellt eine gute Grundlage für weiteres Wachstum in der Biolandwirtschaft dar.“ So werde mit den neuen Importregeln aus Drittstaaten das Vertrauen der Konsumenten gestärkt. "Die Biolandwirtschaft hat ihre Nische verlassen und befindet sich auf dem Weg zu einem nachhaltigen Wirtschaftssektor“, sagte Hogan. Er erinnerte an den Auslöser der Gesetzesrevision. Die in Bio-Futtermittelimportware aus der Ukraine gefundenen Rückstände an Pflanzenschutzmitteln im Futtergetreide habe die EU-Kommission veranlasst, einen besonderen Grenzwert für Bioerzeugnisse an der Nachweisgrenze vorzuschlagen. Hogan machte aus seiner Enttäuschung keinen Hehl, dass dieser Grenzwertvorschlag nun mehr vom EU-Parlament und dem EU-Ministerrat zurückgewiesen worden sei.


Copa Cogeca: Bisher werden nur 7 Prozent der EU-Äcker ökologisch bewirtschaftet

Copa-Cogeca-Generalsekretär Pekka Pesonen begrüßte für die europäischen Landwirte und Genossenschaftsbetriebe das EP-Votum: „Der EU-Ökolandbau ist ein europäisches freiwilliges Qualitätssystem; er liefert öffentliche Güter und trägt zum Schutz von Umwelt und Tierwohl bei. Er ist in den vergangenen zehn Jahren stetig gewachsen. Wenn wir diesen Trend aufrechterhalten möchten, ist es entscheidend, die wirtschaftliche Bestandsfähigkeit dieses Sektors zu verbessern und weiter dazu beizutragen, ihn aus seinem Nischendasein herauszuführen und seinen Marktanteil zu erhöhen.“


Der Copa-Cogeca-Vorsitzende „Ökolandbau“, Kees Van Zelderen, bilanzierte in Brüssel den Status Quo des Ökolandbaues: „Der EU-Markt für ökologische Erzeugnisse verzeichnete in den vergangenen vier Jahren ein rasches Wachstum um 48 Prozent und beläuft sich nun auf einen Wert von rund 30 Milliarden Euro pro Jahr. Dieser Trend ist auf die zunehmende Verbrauchernachfrage zurückzuführen. Trotz dieser Zunahme werden lediglich 7 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche der EU für den Ökolandbau verwendet. Das Defizit zwischen der EU-Nachfrage und -Produktion wird durch steigende Importe derzeit gedeckt. Wir möchten daher sicherstellen, dass die zukünftige Ökolandbau-Gesetzgebung mehr Landwirte zum ökologischen Anbau ermutigen wird, während gleichzeitig das Vertrauen der Verbraucher durch die Beibehaltung der strengen Kontrollen aufrechterhalten wird“, betonte Van Zelderen.


Die in der neuen Gesetzgebung vorgesehene vereinfachte Regelung für Gruppenzertifizierungen für Kleinerzeuger stelle eine Hilfe für die Umstellung auf ökologische Landwirtschaft dar. Ferner werden Erzeuger aus Nicht-EU-Ländern, die ihre Erzeugnisse in der EU verkaufen möchten, – sofern kein Äquivalenzabkommen zwischen der EU und Nicht-EU-Ländern besteht – die gleichen Auflagen erfüllen müssen. „Dies wird den EU-Erzeugern einen faireren Wettbewerb garantieren“.  


„Bevor die neue Ökolandbau-Gesetzgebung am 1. Januar 2021 in Kraft tritt, werden wir weiterhin hart arbeiten müssen, um einen reibungslosen Übergang und eine weitere Harmonisierung der Umsetzung der technischen Auflagen zu garantieren, indem eine maßgeschneiderte Sekundärgesetzgebung zu Produktionsstandards, Importen, Kennzeichnung und Kontrollen verabschiedet wird“, betonte Van Zelderen.

Die Redaktion empfiehlt

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.