Europas Bauern wollen nicht für den Brexit bluten. Dass sich die EU-Agrarminister beim informellen Ratstreffen auf Schloss Hof gegen Kürzungen im Agrarbereich aussprachen, war keine Überraschung. Aber machen wir uns keine Illusion: wir Europäer können uns nicht nur mit lokaler und regionaler Landwirtschaft aufstellen.
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Kommentar
Europas Bauern wollen nicht für den Brexit bluten. Dass sich die 28 EU-Agrarminister beim informellen Ratstreffen auf Schloss Hof beim Thema „Keine Kürzungen im Agrarbereich nach 2020“ einig zeigten, war keine Überraschung.
Auch dass Österreichs Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, Elisabeth Köstinger, als Gastgeberin des dreitägigen Treffens und derzeitige Ratspräsidentin, die geplanten schmerzhaften Einschnitte in der zweiten Säule ab 2020 und die Lebensmittelqualität zu Schwerpunkten des Treffens machte, verwunderte nicht.
Von der 2. Säule profitiert zum Beispiel der Ökolandbau. Österreich ist mit einem Produktionsanteil von nahezu 25 Prozent Öko-Europameister. In den letzten zehn Jahren sind die Ökolandbauflächen bei unseren Nachbarn von 104.000 Hektar auf über 620.000 Hektar angewachsen. Und auch in der Viehwirtschaft hat der Ökolandbau einen Anteil von 18 Prozent. Respekt!
Die EU-Agrarminister konnten sich bei Betriebsbesuchen im Burgenland im Osten Österreichs von der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit bäuerlicher Landwirtsfamilien vor Ort überzeugen. So zum Beispiel auf der Bio-Ziegenfarm der Bauernfamilie Mandl in der dritten Generation oder beim innovationsfreudigen Bio-Eishersteller der Familie Andrea und Anton Blochberger in Krumbach in Niederösterreich sowie bei den beiden 25 und 27 Jahre jungen Winzerstöchtern Brenner in Gols, die jährlich über 50.000 Flaschen Naturwein im Burgenland produzieren.
Alle drei Familienbetriebe haben bei der Verwirklichung ihrer Geschäftsidee von Brüsseler Fördergeldern profitiert - aus den EU-Agrartöpfen beziehungsweise von den EU-Regionalprogrammen. Mehr noch profitieren die Gemeinden in den Ländlichen Regionen seit der EU-Mitgliedschaft Österreichs im Jahre 1995 von den Segnungen der zweiten Säule der GAP. 1,1 Milliarden Euro an EU-Geldern reicht das Land jährlich über die 2. Säule der ländlichen Entwicklung aus. Köstinger hat Recht, wenn sie behauptet, dass viele Regionen in Europa ohne diese Förderung und die daraus resultierenden Investitionen nicht konkurrenzfähig wären.
Und noch ein Faktum ist beeindruckend. Der Strukturwandel schreitet in Österreich viel langsamer voran als bei uns. Das wurde beim Beitritts Österreichs zur EU noch ganz anders erwartet. Dennoch geht auch in Österreich die Zahl der Vollerwerbs-Landwirte zurück. 2017 waren es weniger als 65.000. Tendenz weiter fallend.
Für wirtschaftlich intakte ländliche Räume sind existenzfähige landwirtschaftliche Betriebe unverzichtbar. Nur wenn die 2. Säule der GAP nach 2020 weiter ordentlich ausgestattet bleibt, kann das anhaltende Ausbluten der Ländlichen Räume quer durch Europa gedämpft werden. Das ist auch notwendig, um die gesteckten Nachhaltigkeitsziele der EU zu erreichen.
Aber machen wir uns keine Illusion: wer glaubt, wir Europäer könnten uns nur mit lokaler und regionaler Landwirtschaft aufstellen, liegt falsch. Niemand sollte der Fiktion hinterherlaufen, dass die bis 2050 auf zehn Milliarden anwachsende Weltbevölkerung allein mit lokaler und regionaler Produktion gesättigt werden kann.
Genauso wichtig ist daher, auch die Chancen neuer Technologien und der Digitalisierung auf den Höfen zu nutzen. Sonst kommen bald noch mehr Hähnchenschenkel, Schweinefleisch und Rindersteaks aus China oder den Mercosur-Staaten Südamerikas auf unsere Tische.
Die EU muss endlich Farbe bekennen, was ihr eine qualitativ hochwertige Lebensmittelerzeugung „Made in Europe“ nach 2020 noch Wert ist. Dafür muss auch der EU-Nettozahlerstaat Österreich tiefer in die Tasche greifen, damit die eigenen Bauern nicht wegen des Brexit bluten müssen.
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Europas Bauern wollen nicht für den Brexit bluten. Dass sich die 28 EU-Agrarminister beim informellen Ratstreffen auf Schloss Hof beim Thema „Keine Kürzungen im Agrarbereich nach 2020“ einig zeigten, war keine Überraschung.
Auch dass Österreichs Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, Elisabeth Köstinger, als Gastgeberin des dreitägigen Treffens und derzeitige Ratspräsidentin, die geplanten schmerzhaften Einschnitte in der zweiten Säule ab 2020 und die Lebensmittelqualität zu Schwerpunkten des Treffens machte, verwunderte nicht.
Von der 2. Säule profitiert zum Beispiel der Ökolandbau. Österreich ist mit einem Produktionsanteil von nahezu 25 Prozent Öko-Europameister. In den letzten zehn Jahren sind die Ökolandbauflächen bei unseren Nachbarn von 104.000 Hektar auf über 620.000 Hektar angewachsen. Und auch in der Viehwirtschaft hat der Ökolandbau einen Anteil von 18 Prozent. Respekt!
Die EU-Agrarminister konnten sich bei Betriebsbesuchen im Burgenland im Osten Österreichs von der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit bäuerlicher Landwirtsfamilien vor Ort überzeugen. So zum Beispiel auf der Bio-Ziegenfarm der Bauernfamilie Mandl in der dritten Generation oder beim innovationsfreudigen Bio-Eishersteller der Familie Andrea und Anton Blochberger in Krumbach in Niederösterreich sowie bei den beiden 25 und 27 Jahre jungen Winzerstöchtern Brenner in Gols, die jährlich über 50.000 Flaschen Naturwein im Burgenland produzieren.
Alle drei Familienbetriebe haben bei der Verwirklichung ihrer Geschäftsidee von Brüsseler Fördergeldern profitiert - aus den EU-Agrartöpfen beziehungsweise von den EU-Regionalprogrammen. Mehr noch profitieren die Gemeinden in den Ländlichen Regionen seit der EU-Mitgliedschaft Österreichs im Jahre 1995 von den Segnungen der zweiten Säule der GAP. 1,1 Milliarden Euro an EU-Geldern reicht das Land jährlich über die 2. Säule der ländlichen Entwicklung aus. Köstinger hat Recht, wenn sie behauptet, dass viele Regionen in Europa ohne diese Förderung und die daraus resultierenden Investitionen nicht konkurrenzfähig wären.
Und noch ein Faktum ist beeindruckend. Der Strukturwandel schreitet in Österreich viel langsamer voran als bei uns. Das wurde beim Beitritts Österreichs zur EU noch ganz anders erwartet. Dennoch geht auch in Österreich die Zahl der Vollerwerbs-Landwirte zurück. 2017 waren es weniger als 65.000. Tendenz weiter fallend.
Für wirtschaftlich intakte ländliche Räume sind existenzfähige landwirtschaftliche Betriebe unverzichtbar. Nur wenn die 2. Säule der GAP nach 2020 weiter ordentlich ausgestattet bleibt, kann das anhaltende Ausbluten der Ländlichen Räume quer durch Europa gedämpft werden. Das ist auch notwendig, um die gesteckten Nachhaltigkeitsziele der EU zu erreichen.
Aber machen wir uns keine Illusion: wer glaubt, wir Europäer könnten uns nur mit lokaler und regionaler Landwirtschaft aufstellen, liegt falsch. Niemand sollte der Fiktion hinterherlaufen, dass die bis 2050 auf zehn Milliarden anwachsende Weltbevölkerung allein mit lokaler und regionaler Produktion gesättigt werden kann.
Genauso wichtig ist daher, auch die Chancen neuer Technologien und der Digitalisierung auf den Höfen zu nutzen. Sonst kommen bald noch mehr Hähnchenschenkel, Schweinefleisch und Rindersteaks aus China oder den Mercosur-Staaten Südamerikas auf unsere Tische.
Die EU muss endlich Farbe bekennen, was ihr eine qualitativ hochwertige Lebensmittelerzeugung „Made in Europe“ nach 2020 noch Wert ist. Dafür muss auch der EU-Nettozahlerstaat Österreich tiefer in die Tasche greifen, damit die eigenen Bauern nicht wegen des Brexit bluten müssen.